Statt Wehrpflicht
Brandenburgs Innenminister will Gesundheits-Dienstpflicht für junge Menschen
Als Lehre aus Corona will Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen, dass junge Leute zu einem Dienst im Gesundheitswesen und Katastrophenschutz verpflichtet werden. Doch selbst seine Koalitionspartner kritisieren das „Sommertheater“.
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Michael Stübgen (CDU), Innenminister von Brandenburg, fordert eine Dienstpflicht im Gesundheitswesen und Katastrophenschutz.
© Christophe Gateau / dpa
Potsdam. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) will eine Dienstpflicht für junge Leute in Gesundheitswesen und Katastrophenschutz. Das freiwillige Engagement von Bürgern werde künftig nicht mehr ausreichen, um die staatliche Sicherheits- und Daseinsvorsorge dauerhaft zu garantieren, sagte Stübgen im Gespräch mit der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“.
Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass das vorhandene Personal zur Bewältigung größerer Krisen nicht ausreiche. Man müsse überlegen, wie man den Schutz der Bevölkerung zukunftsfest aufstelle. Gleichzeitig sprach sich Stübgen allerdings gegen eine Wiedereinführung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht aus, wie sie etwa die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Eva Högl (SPD), gefordert hatte. Dafür bestehe derzeit keine sicherheitspolitische Notwendigkeit.
Massiver Eingriff in persönliche Freiheit
In der Brandenburger Landespolitik, wo derzeit eine Koalition aus SPD, CDU und Grünen regiert, stieß Stübgen mit seinem Vorschlag indes auf Kritik. „Ein Pflichtjahr wäre ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit junger Menschen und der falsche Weg“, sagte etwa die Landesvorsitzende der Brandenburger Grünen, Julia Schmidt, am Mittwoch der „Ärzte-Zeitung“.
„Es ist verwunderlich, dass Herr Stübgen die Einführung einer sozialen Dienstpflicht vorschlägt, während jedes Jahr viele motivierte Freiwillige keinen Platz für freiwilliges Engagement bekommen.“ Nötig sei ein Ausbau der Stellen für das freiwillige soziale Jahr oder das freiwillige ökologische Jahr. „Nicht Zwang motiviert junge Menschen, sondern die Möglichkeit, sich unabhängig vom Geldbeutel der Eltern für die Gesellschaft einsetzen und einen wichtigen Beitrag leisten zu können.“
Soziale Berufe attraktiver gestalten
In Bezug auf das Gesundheitssystem könne man die bestehenden Probleme nicht lösen, indem man Verantwortung auf junge Menschen abwälze. „Stattdessen müssen soziale Berufe deutlich attraktiver gestaltet werden: Bessere Bezahlung, attraktivere Arbeitsbedingungen und Investitionen in unsere Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen.“
Und der SPD-Fraktionsvorsitzende im Brandenburger Landtag, Erik Stohn, sprach gar von einem „typischen Sommertheater der Union“. Wichtiger als die Dienstpflicht sei die im Koalitionsvertrag vereinbarte Verbesserung der Arbeits- und Verdienstbedingungen in der Pflege. „Darum müssen wir uns endlich kümmern“, so Stohn. Es sei nicht angemessen, die Löcher dort mit jungen Leuten zu stopfen.
Auch ÖGD stärken
Wenig Begeisterung löste der Innenminister auch bei der oppositionellen Linken aus. „Es stimmt, wir müssen einiges tun, um unser Gesundheitswesen zu retten – aber die Lösung ist nicht, jungen Leuten ein Jahr ihres Lebens wegzunehmen“, sagte der Vorsitzende des Innenausschusses im Landtag, Andreas Büttner (Linke).
Nicht erst die Corona-Krise habe gezeigt, was schiefläuft im deutschen Gesundheitssystem, so Büttner: „Pflegekräfte benötigen endlich einen guten Lohn, mit der chronischen Überarbeitung muss Schluss sein, und wir brauchen einen attraktiven öffentlichen Gesundheitsdienst.“ Dies seien die „realen Probleme“. Eine Dienstpflicht biete darauf keine Antwort. (lass)