Marburger Bund
„Caritas beschließt quasi Nullrunde für Ärzte“
Die Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission bleiben laut MB weit hinter denen für Ärzte an kommunalen Kliniken zurück.
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Der MB kritisiert die Arbeitsbedingungen für Ärzte bei der Caritas.
© Uwe Anspach / dpa
Berlin. Der Marburger Bund (MB) sieht die Ärzte bei der Caritas von der Tarifentwicklung bei anderen Arbeitgebern abgehängt. Die Arbeitsrechtliche Kommission des Caritasverbandes habe am 18. Juni gegen die Stimmen der Vertreter der Ärzteschaft entschieden, dem Abschluss der Verhandlungen über die Arbeitsbedingungen der Ärzte zuzustimmen.
Der Beschluss enthalte zwar Bestandteile der Tarifeinigung mit den kommunalen Arbeitgebern (TV-Ärzte/VKA) vom vergangenen Jahr, bleibe aber in weiten Teilen hinter den bestehenden tarifvertraglichen Standards zurück, so der MB. Die Diakonie hatte dagegen im Oktober 2019 den Tarifabschluss mit der VKA übernommen.
Gehälter werden später erhöht
So war mit der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) eine Erhöhung der Gehälter um 2,5 Prozent rückwirkend zum 1. Januar 2019 vereinbart worden, in den beiden Folgejahren jeweils um weitere zwei Prozent. Bei der Caritas steigen die Ärztegehälter dagegen erst rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres, dafür soll der dritte Erhöhungsschritt vorgezogen werden.
„Das spätere Inkraftsetzen der linearen Erhöhung bei der Caritas wird in der Summe nicht vollständig durch Vorziehen des dritten Erhöhungsschrittes kompensiert“, heißt es beim Marburger Bund auf Nachfrage. Zwar gebe es eine Einmalzahlung, de facto hätten die Ärzte je nach Entgeltgruppe und Stufe aber einen erheblichen finanziellen Nachteil gegenüber ihren Kollegen an den kommunalen Krankenhäusern.
Ungünstigere Dienstregelungen
Zudem sei im TV-Ärzte/VKA eine Grenze von durchschnittlich vier Bereitschaftsdiensten im Monat festgeschrieben worden. Diese Grenze dürfe nur überschritten werden, wenn andernfalls eine Gefährdung der Patientensicherheit drohe. Das könne aus Sicht der Tarifvertragsparteien nur in nicht vorhersehbaren und ausnahmsweise auftretenden Fällen erforderlich sein, aber keinesfalls regelhaft.
Das sehe bei der Caritas nun anders aus. Zwar gelte auch hier zunächst eine Grenze, von dieser könne jedoch, ohne dass dem einzelnen Arzt ein Mitspracherecht zustehen würde, abgewichen werden. Notwendig sei lediglich eine Dienstvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung. Die Mitarbeitervertretung ist das kirchliche Pendant zum Betriebsrat, hat allerdings deutlich weniger Kompetenzen.
„Der einzelne Arzt ist damit vollständig schutzlos und die jeweilige Einrichtung kann sich auf diese Weise einen Wettbewerbsvorteil verschaffen“, kritisiert der MB. Das zentrale Element des Schutzes vor zu starker Belastung sei damit faktisch entwertet. Weitere Beschlüsse zur Arbeitszeiterfassung oder zu freien Wochenenden treten bei der Caritas zudem deutlich später in Kraft als an den kommunalen Kliniken oder bei der Diakonie.
Keine Möglichkeit zum Streik
„Mit einer Inkraftsetzung der maßgeblichen Regelungen zum 1. Januar 2021 haben sich die katholischen Arbeitgeber faktisch eine Nullrunde zu Lasten ihrer Ärzte gesichert“, kritisiert der 2. Vorsitzende des MB, Dr. Andreas Botzlar. Ob sich dieses Vorgehen als besonders weitblickend herausstelle, dürfe bezweifelt werden. Guten Gewissens sei keinem Arzt zu einer Tätigkeit bei der Caritas zu raten, so der MB-Vize.
Der Marburger Bund beteiligt sich seit drei Jahren an der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes. Das Bundesarbeitsgericht habe eine Beteiligungsmöglichkeit der Gewerkschaften zur Voraussetzung der weiteren Aufrechterhaltung kirchlicher Sonderrechte gemacht, so der MB.
Der jetzige Beschluss sei der erste Praxistest für die Wirksamkeit der Beteiligungsmöglichkeit gewesen. Das unzureichende Ergebnis spreche eine deutliche Sprache.
In Einrichtungen der Caritas herrscht ein aus der Weimarer Reichsverfassung stammendes Streikverbot. Dadurch fehlt der Arbeitnehmerseite ein starkes Mittel, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.