Tariflohn und Eigenanteil
Caritas und Diakonie machen Druck bei Pflegereform
Eine große Reform der Pflege kriege die Koalition zwar nicht mehr hin. Zeit für Verbesserungen bleibe aber noch, mahnen die beiden kirchlichen Sozialverbände.
Veröffentlicht:Berlin. Die kirchlichen Sozialverbände Diakonie und Caritas haben die Koalition davor gewarnt, überfällige Verbesserungen in der Pflege zu verschleppen. Eine Pflegereform lösten Union und SPD zwar in dieser Wahlperiode nicht mehr ein, obwohl die Reform ein „großes Versprechen“ der Koalition gewesen sei, erklärten die Präsidenten der evangelischen Diakonie und der katholischen Caritas, Ulrich Lilie und Peter Neher, bei einer virtuellen Presseunterrichtung am Freitag.
Die wenigen verbleibenden Parlamentswochen müsse die Koalition aber nutzen, um zumindest flächendeckend Tariflöhne in der Altenpflege gesetzlich zu verankern. Überdies seien die Eigenanteile der Pflegeheimbewohner auf ein „leistbares“ Niveau zu senken und die Pflegebeschäftigten durch verbindliche Vorgaben für ausreichend Personal zu entlasten.
In der Altenpflege arbeiten aktuell gut eine Million Menschen. Caritas und Diakonie gehören zu den großen Anbietern am Markt.
„Pflege nicht ins Loch fallen lassen“
Die Politik dürfe die Profession Altenpflege nach den harten Monaten der Coronakrise jetzt „nicht in ein Loch fallen lassen“, sagte Diakonie-Chef Lilie. Es brauche rasch „vernünftige tarifliche Regelungen, weil die wirklich auch eine Wettbewerbsgerechtigkeit schaffen zwischen den Trägern“.
Ein Selbstläufer sei das nicht. Private Anbieter lobbyierten „massiv“ gegen eine flächendeckende Anhebung der Pflegelöhne insbesondere in den unteren Lohngruppen.
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Der Pflegemindestlohn sei zuletzt zwar gestiegen, „er ist aber eben nur eine Lohnuntergrenze“, stellte Caritas-Präsident Neher fest. „Wir wollen, dass künftig nur noch Anbieter, die Tarifregelungen vorweisen können, durch die Kassen zur Pflege zugelassen werden.“ Diese Regelung müsse noch in dieser Legislatur kommen und dürfe auf den letzten Metern nicht verwässert werden.
Nach dem Scheitern eines Flächentarifvertrags ringt die Koalition derzeit um Lösungen für eine bessere Entlohnung in der Altenpflege. Ein Änderungsantrag von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (GVWG) sieht vor, dass Pflegeeinrichtungen nur noch mit Pflegekassen abrechnen dürfen, wenn sie nach Tarif bezahlen. Der SPD gehen die Vorschläge nicht weit genug. Die ursprünglich für diesen Freitag vorgesehene Verabschiedung des GVWG im Bundestag ist daher verschoben worden.
Übergangslösung bei Eigenanteilen
Mit Blick auf die steigenden Eigenanteile erklärten Neher und Lilie, es müsse verhindert werden, dass die Kosten für die Pflegebedürftigen und deren Angehörige aus dem Ruder laufen. Zu einem Sockel-Spitze-Tausch bei den Pflegekosten komme es in dieser Legislatur nicht mehr, betonte Caritas-Chef Neher. „Aber wir könnten durchaus noch mit einem gewissen höheren Beitrag zur Pflegeversicherung von 400 bis 500 Millionen Euro zumindest übergangsweise die pflegebedingten Eigenanteile ein Stück weit senken.“
Diakonie-Chef Lilie kritisierte, die Eigenanteile lägen mit im Schnitt knapp 2068 Euro monatlich „längst jenseits jeder vertretbaren und vernünftigen Gesetzesgrenze“. Die Durchschnittsrente in Deutschland liege bei knapp 1270 Euro monatlich – „und das nach mindestens 35 Versicherungsjahren“. Somit bleibe eine Lücke von im Schnitt mindestens 800 Euro. Es brauche daher zumindest eine „Übergangslösung“, um die Eigenanteile zu senken.