Bundesrat
Clearingstelle als Schlichter bei Nutzenbewertung
Die Länderkammer schlägt eine Mediator-Instanz vor, damit der Streit um Methoden und Daten bei der Nutzenbewertung nicht im Opt-out eines neuen Medikaments endet. Auch einen Oldie hat der Bundesrat im Angebot: die Kodierpflicht.
Veröffentlicht:BERLIN. Der Bundesrat will bei der frühen Nutzenbewertung eine neue Instanz der Streitbeilegung schaffen. In seiner Stellungnahme zum Entwurf des Arzneimittel-Versorgungsstärkungs-Gesetzes (AMVSG) schlägt der Gesundheitsausschuss der Länderkammer die Einrichtung einer "Clearingstelle" vor.
Diese Stelle soll den Auftrag erhalten, "divergierende Auffassungen zur Bewertung des Zusatznutzens" zu klären. Dies solle "möglichst unbürokratisch", "einvernehmlich" und "fachlich qualifiziert" geschehen. Beteiligt werden an dem Verfahren sollen sachverständige Vertreter von Patienten, Vertragsärzten und der Pharmaindustrie. Das Plenum des Bundesrats berät am 25. November, ob es dieser Empfehlung des Gesundheitsausschusses zustimmt.
Auslöser für den Vorschlag sind wiederholte Konflikte zwischen dem Gemeinsamen Bundesausschuss und Herstellern beispielsweise über die festzulegende zweckmäßige Vergleichstherapie, die Beurteilung von Surrogatparametern oder die Validität von Daten zur Lebensqualität.
Wird einem neuen Wirkstoff kein belegter Zusatznutzen attestiert, bewegt sich das Preisangebot des GKV-Spitzenverbands auf dem Niveau der generischen Vergleichstherapie. Hersteller haben in der Vergangenheit in wachsender Frequenz mit einem Marktrückzug reagiert – jüngster Fall ist das Lungenkrebsmedikament Osimertinib.
Der Bundesrat hält das Verfahren der Nutzenbewertung im Hinblick auf den Umgang mit Konflikt für defizitär: Beratungs- und Stellungnahmemöglichkeiten stellten "keine effektiven Mechanismen dar", um "Konflikte frühzeitig aufzulösen", heißt es.
In Ländern wie Schottland und Frankreich seien solche Clearingstellen bereits etabliert. Zusammensetzung und Arbeitsweise dieses neuen Gremiums skizziert der Bundesrat nicht. Doch Entscheidungen dieses Mediators sollen nur den Charakter "unverbindlicher Empfehlungen" haben, die der GBA zu berücksichten hat – mehr nicht.
Weitere Forderungen der Länder:
Das geplante Arztinformationssystem soll die "Therapiefreiheit der Ärzte stärken", dürfe aber "nicht der Verordnungssteuerung dienen". Der Bundesrat drängt darauf, dass die Partner des Pharmadialogs – insbesondere also Pharmahersteller und GKV-Spitzenverband – bei der Umsetzung des Informationssystems "in einem Konsultationsprozess eingebunden werden". Der Referentenentwurf des AMVSG sah genau dies vor, der Regierungsentwurf enthält diesen Passus nicht mehr.
Die Importförderklauselsoll abgeschafft werden. Diese Bestimmung stelle seit Inkrafttreten des AMNOG eine "Doppelregulierung" dar. Die Klausel sei nicht mehr nötig, da das Erstattungsniveau in Deutschland "vielfach unter dem europäischen Durchschnitt liegt".
Ein Schwellenwert, der einen Ausgabenwert definiert, ab dem die freie Preisbildung im ersten Jahr nach der Zulassung nicht mehr gilt, wird abgelehnt. Der derzeit vorgeschlagene Schwellenwert von 250 Millionen Euro sei – ebenso wie jeder andere Wert – "sachlich nicht hinreichend begründbar und rechtssicher".
Einen neuen Anlauf nimmt der Bundesrat bei derKodierpflicht in der ambulanten Versorgung. Die aktuelle Diskussion über die Manipulationsanfälligkeit des Risikostrukturausgleichs zeige, dass "die Kodierung von Diagnosen nach einheitlichen Kriterien unerlässlich" ist.
Ambivalent verhält sich die Länderkammer bei der Vertraulichkeit des Erstattungsbetrags. In einem Antrag wird der Verzicht auf die öffentliche Listung abgelehnt mit der Begründung, dafür sei "ein administrativ sehr aufwendiger Prozess nötig". In zwei Hilfsempfehlungen werden zum einen Zweifel geäußert, dass das Verbot der öffentlichen Listung mit dem freien Warenverkehr nach EU-Recht in Einklang steht. Zum anderen wird dafür plädiert, nur "ausländische Behörden" von Informationen über den Erstattungspreis auszuschließen.