Kommentar zum spanischen Pandemiemanagement
Corona-Bekämpfung im Mühlstein politischen Kalküls
Spaniens Gesundheitssystem muss dringend reformiert werden, damit es bei der nächsten Pandemie besser läuft. Doch dazu müssen erst einmal die politischen Akteure an einem Strang ziehen.
Veröffentlicht:Als „besorgniserregend“ bezeichnete Spaniens Gesundheitsminister Salvador Illa die Entwicklung der Corona-Neuinfektionen in seinem Land. Zu Recht: Ein landesweiter Durchschnittswert von 274 Fällen pro 100.000 Einwohner ist kritisch. Zahlen von über 700 wie derzeit in Madrid sind nahezu dramatisch.
Um solch chaotische Zustände in Zukunft zu verhindern, kündigt Illa eine Gesundheitsreform an. Mehr Ärzte und Krankenpfleger mit besseren Gehältern und Arbeitsbedingungen. Klare Handlungsprotokolle. Spaniens Gesundheitszentren sollen technisch modernisiert werden. Doch will der Gesundheitsminister auch die Koordination zwischen den politischen Akteuren verbessern. Ein wichtiger Punkt, wie derzeit gerade das Beispiel Madrid zeigt.
Die Madrider Regionalregierung, die für die Gesundheitspolitik zuständig ist, konnte sich trotz der beunruhigenden Entwicklung der COVID-Zahlen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu einschneidenden Schutzmaßnahmen durchringen. So griff – sehr zum Ärger der konservativen Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso – die sozialistische Zentralregierung ein und erzwang die Abriegelung der Hauptstadtregion.
Effekt: Eine Konfrontation mit ausschließlich parteipolitischem Kalkül, die nicht nur die Bürger verunsichert, sondern auch die effektive Bekämpfung der Pandemie behindert. Ayuso setzt die Auflagen Illas‘ zwar halbherzig um, zog gegen das Eingreifen und die Maßnahmen der Zentralregierung jedoch vor Gericht. Am Donnerstag gab der Oberste Madrider Gerichtshof ihrer Klage Recht und lehnte die Zwangsisolation der Hauptstadtregion mit ihren 6,7 Millionen Einwohnern ab.
Spaniens Parteien müssen sich dringend auf eine gemeinsame Linie festlegen. Politische Machtstreitigkeiten sind jetzt fehl am Platz. Der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez und seine linke Minderheitsregierung haben sicher Fehler gemacht, spät auf die Pandemie reagiert und zu schnell den Lockdown aufgehoben. Doch stehen die konservativen und rechten Oppositionsparteien der Regierung im Kampf gegen die Pandemie auch keineswegs zur Seite. Im Gegenteil! Übertragen wird der politische Kampf auf die für die Gesundheitspolitik zuständigen Regionalregierungen.
So sollten Spaniens Parteien auch endlich einen neuen Staatshaushalt verabschieden, der gerade mit Blick auf die neuen Herausforderungen der Corona-Pandemie mehr als eilt. Eine Einigung liegt zwar in weiter Ferne. Aber die Stärkung des Gesundheitssystems mit mehr Ärzten, Pflegern und mehr Ressourcen drängt. Will Spanien nicht länger Europas Corona-Hotspot bleiben, müssen die politischen Akteure schnell an einem Strang ziehen.
Schreiben Sie dem Autor: gp@springer.com