COVID-19-Pandemie
Corona-Impfstart wohl nicht vor Januar 2021
Nach dem beschlossenen Lockdown ab Mittwoch stellen sich viele die Frage: Wann geht es mit dem Impfen los? Aus der Opposition kommt derweil die Forderung nach einer Langfriststrategie in der Pandemie.
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Malteser Rettungshelfer befestigen in einem Impfzentrum in Essen Hinweisschilder an den Wänden. In der Messehalle sollen, wenn der Impfstoff bereitsteht, bis zu 2400 Menschen pro Tag geimpft werden.
© Roland Weihrauch/dpa
Berlin. Vor dem Hintergrund des ab Mittwoch beginnenden harten Corona-Shutdowns in Deutschland richten sich viele Hoffnungen auf Impfungen.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die Europäische Arzneimittelbehörde EMA den von BioNTech und Pfizer entwickelten Impfstoff bis Ende Dezember zulassen und dies anschließend von der Europäischen Kommission bestätigt wird. „Unmittelbar danach kann dann auch mit dem Impfen begonnen werden“, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag in Berlin.
BMG: Bewusst gegen Notzulassung entschieden
Deutschland habe sich bewusst gegen eine Notzulassung „und für ein ordentliches Verfahren“ bei der Zulassung des Impfstoffs entschieden, sagte der Sprecher weiter. „Das ist auch eine Frage der Akzeptanz in diesen Impfstoff.“
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte am Sonntag per Kurznachrichtendienst „Twitter“ mitgeteilt, „jeder Tag, den wir früher beginnen können zu impfen, mindert Leid und schützt die besonders Verwundbaren“. Alle nötigen Daten zum Impfstoff von BioNTech und Pfizer lägen vor. Großbritannien und die USA hätten bereits Zulassungen erteilt. „Eine Prüfung der Daten und die Zulassung durch die EMA sollten schnellstmöglich erfolgen“, so Spahn
Das Gesundheitsministerium rechnet weiter damit, dass in Deutschland bis Ende Januar 2021 zunächst bis zu vier Millionen Impfdosen bereitstehen werden. Die Ständige Impfkommission (STIKO) hatte kürzlich Vorschläge unterbreitet, in welcher Reihenfolge welche Bundesbürger gegen Corona geimpft werden können. Die Empfehlungen der STIKO werden derzeit vom Gesundheitsministerium geprüft und sollen Teil der geplanten Corona-Impfverordnung werden.
FDP kündigt eigenes Impfgesetz an
Die FDP kritisierte die Hängepartie in Sachen Impfstoff. „Es kann nicht sein, dass ein in Deutschland entwickelter Impfstoff erst im Januar zugelassen und verimpft werden kann“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, am Montag in Berlin. In Ländern wie Großbritannien, USA, Kanada und Israel sei der in Deutschland entwickelte Impfstoff bereits zugelassen.
„Einigkeit in der EU ist gut, aber dann darf das Verfahren nicht zu weiteren Verzögerungen führen“, betonte Aschenberg-Dugnus. Sie erwarte von der EMA, dass diese rund um die Uhr an der Zulassung des Impfstoffes arbeite. „Jeder Tag zählt, um Menschenleben zu retten.“
Die Liberalen kündigten zudem ein eigenes Corona-Impfgesetz an. In diesem enthalten sein sollen auch Vorschläge zur Impf-Priorisierung. Die FDP-Fraktion will ihren Gesetzentwurf am Donnerstag dem Bundestag zur Abstimmung vorlegen. Derzeit wird der Entwurf noch fraktionsintern beraten.
Wie geht es nach dem 10. Januar weiter?
Am Sonntag hatten sich Bund und Länder auf einen harten Lockdown ab Wochenmitte geeinigt. Die Beschränkungen sollen bis mindestens 10. Januar 2021 gelten. Ob die Maßnahmen danach gelockert werden könnten, lasse sich derzeit noch nicht sagen, betonte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, am Montag.
Die Frage lasse sich immer nur mit Blick auf die jeweiligen Infektionszahlen und die Auslastung der Intensivkapazitäten beantworten, so Seibert. „Das wird immer ein schwieriger, zwingend notwendiger Abwägungsprozess sein müssen.“ Derzeit bestehe „dringender Handlungsbedarf für sehr einschränkende Maßnahmen“. Dass manches Bundesland von den Beschlüssen womöglich abweichen werde, wollte Seibert nicht ausschließen.
„Perspektive über Wochenfrist“
Die Grünen-Bundestagfraktion rief Bund und Länder auf, den Menschen eine „Perspektive über Wochenfrist“ hinaus zu geben. Dazu brauche es „eine schlüssige Strategie, die sich aus der unabhängigen Expertise eines interdisziplinären, wissenschaftlichen Pandemierats speist“, sagte die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche am Montag.
Insbesondere mit Blick auf Pflegeeinrichtungen befände sich Deutschland auch neun Monate nach Ausbruch der Pandemie im Blindflug. „Wir wissen noch immer viel zu wenig darüber, wie die präventiven Maßnahmen der Pandemiebekämpfung umgesetzt werden oder wie sie auf das Infektionsgeschehen einwirken.“ Die Verteilung von Gutscheinen für FFP-2-Masken an ältere Menschen sei zu umständlich. Warteschlangen vor Apotheken seien in der jetzigen Situation nicht zielführend.
Laut Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung des BMG können sich über 60-Jährige sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen oder Risikofaktoren ab diesem Dienstag bis zum 6. Januar 2021 drei kostenlose FFP2-Masken in der Apotheke abholen.
Die FDP mahnte ebenfalls eine „konsistente Strategie“ im Umgang mit der Pandemie an. Es reiche nicht, sich „von Strategie zu Strategie zu hangeln – stattdessen brauche es eine Lösung, „die für die nächsten Monate trägt“ und die vor allem vulnerable Gruppen schütze, sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing am Montag.
Pflegerat: Beschäftigte am Limit
Nach Ärzteverbänden stuften auch Pflegeorganisationen den beschlossenen Shutdown als notwendig ein. Der Präsident des Deutschen Pflegerats (DPR), Franz Wagner, nannte die Entwicklungen der Fallzahlen und die Zahl der Todesfälle „absolut besorgniserregend“. Weihnachten stehe dieses Jahr „unter einem anderen Stern“.
In vielen Fällen handelten professionell Pflegende „nur noch ad hoc, verbunden mit der großen Sorge einer Infektion der von ihnen gepflegten und betreuten Menschen wie auch der ihrer eigenen Familie“, so Wagner.