Aufholprogramm
Corona-Paket für Kinder ist aus Ärztesicht nur ein Anfang
Kinderärzte sehen im geplanten Corona-Aufholprogramm der Bundesregierung einen ersten Schritt, um die Pandemiefolgen für junge Menschen aufzufangen. Der Deutsche Ärztetag fordert eine rasche Impfstrategie für Kinder und Jugendliche.
Veröffentlicht:Berlin. Ärzte haben das Corona-Aufholprogramm der Bundesregierung begrüßt, zugleich aber weitere Schritte angemahnt. „Es ist gut, dass die Politik endlich Kinder und Jugendliche in den Blick nimmt“, sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, der „Ärzte Zeitung“ am Donnerstag.
Richtig sei auch, vor allem die jungen Menschen bei den Hilfen zu adressieren, die schon vor der Pandemie sozial abgehängt gewesen seien, so Fischbach. „Aber da reichen zwei Milliarden Euro nicht aus.“ Das Aufholpaket könne nur ein „Anfang“ sein.
150 Euro pro Kind reichen nicht
Ähnlich äußerte sich der Präsident des Kinderhilfswerks, Thomas Krüger. Letztendlich nehme die Regierung weniger als 150 Euro pro Kind in die Hand. Das reiche „bei Weitem“ nicht aus. „Dafür sind die Befunde der Studien über die Auswirkungen der Pandemie auf die physische und psychische Verfassung unserer Kinder zu gravierend“, warnte Krüger.
Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch grünes Licht für das Hilfspaket gegeben. Damit sollen unter anderem Nachhilfe- und Sozialmaßnahmen finanziert werden, um die Langzeitfolgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche abzumildern.
BVKJ-Chef Fischbach wies darauf hin, dass nicht nur Kinder aus prekären sozialen Verhältnissen Unterstützungsbedarf hätten. „Wir beobachten ernsthafte seelische Auffälligkeiten auch bei Kindern und Jugendlichen, die aus ganz normalen Elternhäusern kommen.“
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Zu wenig personelle Ressourcen
Zudem fehle es an Personal, das sich kümmere, sagte Fischbach. Gerade bei psychischen Erkrankungen und deren Versorgung durch Kinder- und Jugendärzte sowie Therapeuten habe es schon vor Corona einen Mangel an personellen Ressourcen gegeben.
Zu beobachten sei ein Stadt-Land-Gefälle etwa bei den Kindertherapeuten. „Selbst in einer mittelgroßen Stadt wie Solingen, wo ich als Kinder- und Jugendarzt praktiziere, wartet man schon mal acht, neun Monate auf ein Erstgespräch.“
Auch Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt warnte vor „negativen Kollateraleffekten“ der Corona-Maßnahmen für Kinder und Jugendliche. „Es geht dabei nicht nur um entstandene schulische Bildungsdefizite, sondern mehr noch darum, dass viele Kinder wichtige Entwicklungsphasen in sozialer Isolation erlebt haben“, sagte Reinhardt auf dem 124. Deutschen Ärztetag.
Kollateraleffekte untersuchen
Das Ärzteparlament rief dazu auf, Kollateraleffekte und mögliche psycho-soziale Auswirkungen des Lockdowns wissenschaftlich genauer zu untersuchen.
In einem weiteren Beschluss forderte der Ärztetag die Bundesregierung auf, eine COVID-19-Impfstrategie für Kinder und Jugendliche zu entwickeln.
Das Recht auf Bildung könne im kommenden Winter nur mit einer rechtzeitigen Impfung gesichert werden. Eine zentrale Rolle in der Impfstrategie spielen laut Ärzteparlament außer den Hausärzten auch Kinder- und Jugendärzte in Praxis, Klinik und Gesundheitsämtern.