Der Abschied vom Under-Dog(c)

Selbstbewusst und wählerisch: Das ist die neue Ärztegeneration. Die Allgemeinmedizin macht sich derzeit fit, etwa mit der Verbundweiterbildung plus. Das ist dringend notwendig, denn der Bedarf an Hausarzt-Leistungen steigt in den nächsten zehn Jahren um 20 Prozent.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

HEIDELBERG. Abschied vom Under-Dog(c). So könnte man - zumindest in Baden-Württemberg - das wachsende Selbstwertgefühl von Hausärzten und ihrem Nachwuchs charakterisieren.

Warum das so ist, erklärt Professor Ferdinand Gerlach, DEGAM-Chef und Mitglied des Sachverständigenrats beim Symposion "Verbundweiterbildung plus", das vom Institut für Allgemeinmedizin der Uni Heidelberg organisiert worden ist.

Die Fakten laut Gerlach:

  • eine schrumpfende, älter werdende Bevölkerung mit mehr chronischen Krankheiten und Multimorbidität;
  • eine (Allgemein-)Medizin, bei der künftig die Frauen mit bis zu 70 Prozent das Rückgrat sein werden;
  • eine weitere Spezialisierung der Medizin, die den Generalisten und Koordinator, eben den Hausarzt, unverzichtbar machen wird, wenn die Versorgung noch effizient und patientenfreundlich sein soll.

Nach Einschätzung der Gesundheitsministerkonferenz wird der Bedarf an hausärztlicher Leistung binnen zehn Jahren um 20 Prozent steigen. Aber: Zwischen 1993 und 2007 ist die Zahl der Hausärzte um 15.000 geschrumpft, die der Fachärzte hat um 50 Prozent auf 63.500 zugenommen.

Weiterbildung weist inhaltliche und didaktische Defizite auf

Dieser Trend müsse umgekehrt werden. Nicht tolerabel sei, so Gerlach, dass die allgemeinärztliche Weiterbildung im Schnitt 9,5 Jahre dauert, dass junge Ärzte isoliert sind, dass jede der vielen Stationen in der Weiterbildung mit neuen Bewerbungen, Arbeitsverträgen und, Probezeiten verbunden ist.

Und dass die Weiterbildung - im Unterschied zum Studium - erhebliche inhaltliche und didaktische Defizite aufweist.

Mit Spezialisten aus Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden hat die DEGAM seit 2009 die Anforderungen an die Weiterbildung neu definiert. Der wesentliche Punkt ist die systematisierte Zusammenarbeit der Lehrstühle für Allgemeinmedizin und den weiterbildenden Ärzten in der Praxis, die lebenslanges Lernen ermöglicht.

Die offene berufsbegleitende Uni soll die Organisation von Weiterbildungsverbünden und Rotationsstellen ermöglichen, sie soll die Weiterbilder didaktisch und medizinisch-inhaltlich trainieren.

Flächendeckende Verbundweiterbildungssysteme organisieren

In Hessen habe man sich auf eine systematische Kooperation in zwei Kompetenzzentren (Frankfurt und Marburg) geeinigt, so Gerlach. Die Ziele sind, Studium und Weiterbildung nahtlos zu verbinden, Begleitseminare zu Inhalt, Didaktik und Organisation der Weiterbildung zu etablieren, Mentorenprogramme zu organisieren und schließlich Feedback und Evaluationen zur Qualität der Weiterbildung zu erhalten.

Analog sind in Baden-Württemberg Verbundweiterbildungssysteme mit einem hohen Qualitätsniveau geschaffen worden. Es gibt also inzwischen Prototypen, die kopiert werden könnten. Gerlach warnt allerdings davor, nach Opportunitätsgesichtspunkten nur bestimmte Elemente zu vervielfältigen.

Verbundweiterbildung müsse vielmehr zum Regelfall und flächendeckend organisiert werden: mit einem kompetenzbasierten Curriculum, das klare Lernziel-Beschreibungen enthalte, systematisch und transparent sein müsse. Ein eher zufallgesteuertes Learning-by-Doing ist nicht erwünscht.

Dabei müssen sich die erfahrenen Ärzte an neue Verhältnisse gewöhnen, mahnt Gerlach: "Wir bewerben uns beim Nachwuchs, nicht umgekehrt. Wir müssen den jungen Ärzten ein Rund-um-sorglos-Paket bieten - sonst kriegen wir nicht die Grundversorger, die wir in Zukunft brauchen werden."

Lesen Sie dazu auch: Der Abschied vom Under-Dog(c) Hausarztverträge machen Hausärzte attraktiv Von der Uni in die Hausarzt-Praxis Verbundweiterbildung: Rezept gegen Hausärztemangel

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