Montgomery im Porträt

Der Mann ohne Alternative?

Beim Deutschen Ärztetag in Frankfurt werden die Delegierten BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery aller Wahrscheinlichkeit nach im Amt bestätigen. Unumstritten ist seine Leistungsbilanz aber nicht.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Medial präsent, eloquent: So wird BÄK-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery wahrgenommen.

Medial präsent, eloquent: So wird BÄK-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery wahrgenommen.

© Maurizio Gambarini / dpa

FRANKFURT/MAIN. Wenn die Delegierten des Deutschen Ärztetages nächste Woche zur Präsidentenwahl schreiten, werden sie aller Voraussicht nach keine großen Wahlmöglichkeiten haben: Der amtierende Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery wird wohl alternativlos sein.

Und das nicht unbedingt deshalb, weil die Delegierten, die Vorsitzenden und Präsidenten der Berufsverbände oder gar die ärztliche Basis rundum zufrieden sind mit den Leistungen der Bundesärztekammer unter der Ägide von Montgomery.

In einem dürfte Einigkeit bestehen: in der hervorragenden Medienpräsenz Montgomerys. Er gibt den deutschen Ärzten in der Öffentlichkeit ein Gesicht. Streitbar, offensiv, eloquent, stets die Contenance bewahrend.

Runde 30 Jahre Erfahrung als Berufspolitiker, davon viele Jahre als ärztlicher Gewerkschaftsführer haben ein rhetorisches Talent ausgebildet, das zumindest unter den Ärzten seinesgleichen sucht.

Zersplittert in Subdisziplinen

Doch dann folgt von den Chefs einiger Berufsverbände, die die "Ärzte Zeitung" in den vergangenen Tagen zur Bilanz der Arbeit der Bundesärztekammer befragt hat ein mehr oder weniger großes Aber. Oder der ziemlich barsche Kommentar des Vorsitzenden des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt: "Dazu fällt mir gar nichts ein."

In einer zentralen Aufgabe der Bundesärztekammer und der Landes-Kammern sieht Weigeldt mehr Stillstand als Fortschritt: Beim diesjährigen Ärztetag wird es dazu nur einen Sachstandsbericht geben.

BÄK und die Kammern trügen die Verantwortung für die fast unüberschaubare Zersplitterung in Subdisziplinen - ohne die Rolle der Allgemeinmedizin, was in einer zunehmend multimorbiden Gesellschaft dringend notwendig sei, zu stärken.

Die meisten Kammern haben den Weiterbildungsgang Allgemein- und Innere Medizin nicht umgesetzt. Nicht unbedingt Schuld der BÄK - aber eine Schwäche in einem föderalen System, wo jede Kammer macht, was sie will.

Furcht vor Dumpingverträgen

Und noch ein Kritikpunkt der besonderen Art, mit dem der Hausärzteverband allerdings eine Sonderrolle spielt: Er hätte es begrüßt, wenn die PKV das Recht bekommen hätte, Selektivverträge, etwa zur hausarztzentrierten Versorgung abzuschließen. Doch das hat die Bundesärztekammer - aus Furcht vor Dumpingverträgen - mit aller Vehemenz bekämpft.

Nicht minder harsch fällt auch das Urteil von Dr. Dirk Heinrich, dem neu gewählten Vorsitzenden des Spitzenverbandes der Fachärzte (SpiFa) und Bundesvorsitzenden des NAV-Virchow-Bundes, aus. Eines der größten Defizite sieht Heinrich in der Definition, Durchsetzung und Bedeutung der Freiberuflichkeit von Ärzten.

Er meint dabei nicht die wirtschaftliche Freiberuflichkeit der in eigenen Praxen niedergelassenen Vertragsärzte, sondern die Freiheit und Verantwortung, die auch angestellte Ärzte bei Diagnostik und Therapie im Patienteninteresse haben.

Gerade bei der stark wachsenden Zahl junger Ärzte, die in der vertragsärztlichen Versorgung den Angestelltenstatus bevorzugen, sei dies von hoher Relevanz, um Ärzten den Rücken gegen das Direktionsrecht primär ökonomisch denkender Geschäftsführungen zu stärken.

"Was macht den freien Beruf aus? Was darf ich mir von einer Geschäftsführung nicht sagen lassen? Antworten auf diese Fragen haben unsere jungen Kollegen meist nicht", stellt Heinrich fest und würde sich hier mehr Engagement der BÄK und der Kammern wünschen.

Verärgert zeigt sich Heinrich, wenn es um die Reform der GOÄ geht. "Wir befinden uns in der letzten Runde der Detailverhandlungen. Über zwei Drittel der Arbeit ist erledigt", hatte Montgomery Anfang September 2014 im Interview der "Ärzte Zeitung" versprochen.

Von Anfang an hatte er die GOÄ zur Chefsache erklärt - mit Blick auf das Ergebnis sieht Heinrich nur "leere Versprechungen".

GOÄ - die "Never-ending-Story"

"Das läuft unglücklich. Substanziell ist nichts in trockenen Tüchern. Das ist eine Never-ending-Story", resümiert der Präsident des Berufsverbandes Deutscher Internisten (BDI), Dr. Wolfgang Wesiack. Er fürchtet, dass der vorliegende, aber geheim gehaltene Katalog der Kernleistungen nun im Bundesgesundheitsministerium "verhackstückt" wird.

Große Risiken für Ärzte und ärztliche Kooperationen, insbesondere über Sektorengrenzen hinweg, sieht Wesiack im Antikorruptionsgesetz. "Das kann das ganze System lähmen. Hier wäre deutlich mehr Engagement auch der Bundesärztekammer notwendig gewesen, bemängelt Wesiack.

Auch als Folge der Diskussion um die Sterbehilfe und denkbare gesetzgeberische Aktivitäten sieht Wesiack Risiken für die Ärzteschaft. Er plädiert dafür, die Berufsordnungen so auszugestalten, das neue gesetzliche Regelungen nicht notwendig sind.

Mit Dirk Heinrich ist sich der BDI-Präsident einig, dass die BÄK seit einiger Zeit personelle Schwächen hat. Die ehemalige stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Dr. Regina Klackow-Frank, die auch für das Dezernat Gebührenordnung verantwortlich zeichnete, ist 2013 zum Gemeinsamen Bundesausschuss gegangen.

Die Stelle ist vakant. Ebenso die Position des Hauptgeschäftsführers, nachdem Dr. Bernhard Rochell, auch er ein Gebührenordnungs-Spezialist, wieder zur KBV gewechselt ist.

Stärkerer Fokus auf Qualität

Zurückhaltender als seine Verbandskollegen urteilt der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt. Er hebt die mediale Präsenz Montgomery hervor, die freilich in der Sache mehr Wirkung entfalten könnte.

Auch bei der Programmatik des diesjährigen Ärztetages hätte sich Reinhardt eine stärkere Fokussierung auf das Thema Qualität und Krankenhausplanung gewünscht, um die Definitionshoheit der Ärzteschaft besser zu prononcieren.

In Sachen GOÄ-Reform habe die Bundesärztekammer eine "Menge Know-how entwickelt, das auch von der PKV anerkannt wird". Gut sei auch, dass die Öffnungsklausel definitiv vom Tisch sei.

Reinhardt ist sich sicher, das mit der Reform zentrale ärztliche Leistungen aufgewertet werden. Die Erwartungen an die Transparenz im Reformprozess hält er jedoch für überzogen: "Das kann man nicht mit 20 Berufsverbänden und 250 Delegierten permanent diskutieren."

Hinter vorgehaltener Hand war Reinhardt in den vergangenen Wochen immer wieder mal als Alternativkandidat gehandelt worden. "Es gibt Menschen, die mich bewegen wollten, gegen Montgomery anzutreten. Ich werde das nicht tun", sagt Reinhardt.

Er werde jedoch für einen der Vorstandsposten kandidieren. Es werde aber wohl eine Konzertierte Aktion der Allianz der Ärzteverbände geben - in Form gemeinsam formulierter Anträge. Damit dürfte feststehen, wer der nächste BÄK-Präsident ist: Frank Ulrich Montgomery. Was nun für ihn zählt, ist das Ausmaß an Zustimmung.

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