Praxisabgabe via MVZ

Der heiße Wettbewerb um die Arztsitze

Mit der Gründung von MVZ und dem Aufkauf von Arztsitzen drängen Klinikkonzerne in den ambulanten Versorgungsbereich. Was sich für niedergelassene Ärzte als praktische Nachfolgeregelung erweist, bereitet einigen KVen Sorgen.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl und Christiane BadenbergChristiane Badenberg Veröffentlicht:
Geht die Rechnung auf? MVZ kaufen zunehmend Sitze älterer Vertragsärzte auf und ersparen ihnen damit die Suche nach einem Praxisnachfolger.

Geht die Rechnung auf? MVZ kaufen zunehmend Sitze älterer Vertragsärzte auf und ersparen ihnen damit die Suche nach einem Praxisnachfolger.

© Gina Sanders / stockadobe.com

NEU-ISENBURG. Medizinische Versorgungszentren(MVZ) scheinen für Klinikkonzerne ein gutes Vehikel zu sein, um vor allem in der ambulanten fachärztlichen Versorgung Marktanteile für sich zu gewinnen. Das legt eine Umfrage der "Ärzte Zeitung" unter den KVen nahe. Es gibt kaum eine KV-Region, in der der Anteil der rein Klinik-geführten MVZ unter 25 Prozent liegt. Vor allem in den neuen Bundesländern überwiegen die MVZ in Klinikträgerschaft jene in Ärztehand deutlich.

Spitzenreiter ist die KV Thüringen, hier befinden sich rund 73 Prozent aller MVZ (82 von insgesamt 113 MVZ) in Klinikhand, nicht einmal ein Fünftel der MVZ liegen hingegen in rein vertragsärztlicher Trägerschaft. In Sachsen und Sachsen-Anhalt machen die MVZ in Klinikhand jeweils rund 60 Prozent aus, in Brandenburg über 61 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern die Hälfte aller MVZ.

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Doch auch in den alten Bundesländern beteiligen sich die Kliniken weiterhin rege an den MVZ-Strukturen: In Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein machen sie über die Hälfte der MVZ aus, in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen immerhin noch über 40 Prozent, in Hessen über ein Drittel und in Westfalen-Lippe rund 30 Prozent.

Nachbesetzung lässt sich nicht mehr steuern

Das ist vor allem deshalb problematisch, weil die MVZ zunehmend Sitze älterer Vertragsärzte aufkaufen und ihnen damit die Suche nach einem Praxisnachfolger ersparen. So berichtet die KV Mecklenburg-Vorpommern etwa, dass sich die starke Zunahme bei angestellten Ärzten ebenfalls überwiegend in den MVZ von Kliniken und Kapitalgesellschaften vollziehe. Dabei werde die gesetzliche Regelung genutzt, die eine Übernahme von Zulassungen durch das MVZ erlaubt, sofern der Arzt in diesem als Angestellter weiterarbeitet. Deshalb verwundert es nicht, dass laut der KV der Altersdurchschnitt der angestellten Ärzte in der Region bei über 51 Jahren liegt. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2016 müssen Ärzte bei diesem sogenannten Verzicht auf Zulassung gegen Anstellung nämlich mindestens drei Jahre im MVZ tätig sein, bevor sie in Ruhestand gehen.

Eine ganz ähnliche Entwicklung findet in Sachsen-Anhalt statt. Nach Angaben der KV Sachsen-Anhalt (KVSA) verkaufen immer mehr ältere Fachärzte, bei denen der Ruhestand in greifbare Nähe rückt, ihre Praxen an Klinik-MVZ. Lag die Zahl der Facharztstellen an Klinik-MVZ im Jahr 2011 noch bei 131, seien es fünf Jahre später bereits 237,25 gewesen. Die Zahl der hausärztlichen Versorgungsaufträge an den Klinik-MVZ sind im gleichen Zeitraum dagegen lediglich von 23,5 auf 34 gestiegen.

Eine Erklärung, warum gerade die Facharztsitze so interessant für die Kliniken sind, liefert die KV Westfalen-Lippe: Nach den Beobachtungen der Körperschaft organisieren die Klinikkonzerne mit den Sitzen eine lukrative, hochspezialisierte fachärztliche Versorgung.

Und das birgt Risiken: Denn die Zulassungsausschüsse der KVen können bei der Nachbesetzung durch jüngere angestellte Ärzte nicht mehr ihre Steuerungsfunktion übernehmen. Ein Arztsitz, der ans MVZ gegen Anstellung verkauft wird, muss nicht offiziell ausgeschrieben werden. Gerade bei fachinternistischen Zulassungen kann damit kein Einfluss mehr auf eine fachgleiche Nachbesetzung genommen werden. Der Sitz eines Rheumatologen könne also durch einen Gastroenterologen vom MVZ nachbesetzt werden, erklärt die KV Mecklenburg-Vorpommern.

Die KVSA sieht noch weitere Risiken: Die Möglichkeiten der zukünftigen freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit würden immer weiter eingeschränkt. "Schon heute stehen 20 bis 30 Prozent aller Arztsitze nicht mehr für die freiberufliche Tätigkeit zur Verfügung", so die KV. Zudem spreche vieles dafür, dass je MVZ-Stelle weniger Versorgungsleistungen erbracht würden, als durch vergleichbare niedergelassene Ärzte. Verfestige sich dieser Trend, würden mehr Arztstellen und Ärzte allein schon für gleichbleibende Leistungsmengen benötigt. Das wiederum verschärfe den Ärztemangel noch weiter, sagt der Vorstandsvorsitzende der KV-Sachsen-Anhalt Dr. Burkhard John.

Die KV Thüringen mahnt zudem, dass durch Klinik-MVZ eine Verlagerung von Arztsitzen vom Land in die Städte stattfinde.

Praxisabgabe wird oft zu spät angegangen

Für die KV Sachsen-Anhalt liegt es in der Natur der Sache, dass sich viele Ärzte trotz allem erst sehr spät mit der Praxisabgabe beschäftigen. Rückt der gewünschte Abgabezeitpunkt näher, seien bestehende MVZ eine offensichtliche und leicht erreichbare Anlaufstelle, um die Praxis anzubieten. "Da ist die Kollegin oder der Kollege im Krankenhaus, der insgeheim mit dem Gedanken der Niederlassung spielt, viel schwerer zu erreichen", sagt John.

Dass Ärzte diesen einfacheren Weg der Praxisnachfolge immer öfter wählen wird aber nicht nur durch die fehlende Zahl von potenziellen Nachfolgern bedingt. Für viele ältere Ärzte ist der Praxisverkauf inklusive übergangsloser Praxistätigkeit vor allem deshalb interessant, weil sie die meisten administrativen Tätigkeiten los sind und es wenig bürokratische Hürden gibt. Zudem bieten die übernehmenden MVZ den älteren Kollegen oft Teilzeitmodelle an. Diese würden von den Ärzten auch häufig über den gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum von drei Jahren weitergeführt, heißt es beim Bundesverband der Medizinischen Versorgungszentren (BMVZ). Außerdem ist oft die Übernahme der Praxisangestellten sichergestellt. Auch das ist den meisten Ärzten wichtig.

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