Beamte in die GKV
Die Zeche würden vor allem Ärzte zahlen
Die Bertelsmann Stiftung hat die Finanzeffekte durchrechnen lassen, wenn Beamte nicht länger privat versichert wären. Bund und Länder würden bis zu 60 Milliarden Euro sparen – auch auf Kosten der Ärzte.
Veröffentlicht:KÖLN. Die Bertelsmann Stiftung plädiert für die Einbeziehung der Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Das würde die Haushalte von Bund und Ländern entlasten, für eine leichte Beitragssenkung in der GKV sorgen und sich für viele Beamtenhaushalte rechnen. Leidtragende wären neben privaten Krankenversicherern (PKV) vor allem Ärzte, deren Einnahmen sich deutlich verringern würden.
Die Bertelsmann Stiftung macht sich schon länger für ein integriertes Krankenversicherungssystem stark. Auch die Anhänger der Bürgerversicherungs-Konzepte bei SPD, Grünen und Linken halten eine Einbeziehung der Beamten in ein einheitliches Krankenversicherungs-Modell für notwendig. Die SPD erwägt sogar, Beamten steuerfinanzierte Zuschüsse für den Beitritt in die Bürgerversicherung zu gewähren.
Zur Untermauerung ihrer Position hatte die Stiftung beim IGES-Institut in Berlin die Studie "Krankenversicherungspflicht für Beamte und Selbstständige" in Auftrag gegeben. Der erste Teil zu den Selbstständigen ist im Sommer 2016 veröffentlicht worden. Jetzt folgt der zweite Teil zu den Beamten. Basis ist das Jahr 2014. Die Forscher gehen davon aus, dass eine Ausdehnung der Versicherungspflicht in der GKV gut zwei Millionen der derzeit privat versicherten Beamten und Pensionäre betreffen würde.
Das entspräche einem Anteil von zwei Dritteln. Weitere 21 Prozent würden freiwillig wechseln, weil der GKV-Beitrag geringer wäre als die PKV-Prämie, schätzen sie. Nach der Simulation verblieben nur etwa 377 000 Beamte in der PKV sowie 89 000 der 980 000 Familienangehörigen, weil ein Wechsel kurzfristig für sie nicht vorteilhaft wäre.
Einbußen über Altersrückstellungen kompensieren?
Ein solcher Umstieg würde laut IGES den Bund im ersten Jahr um 1,6 Milliarden Euro, die Länder um 1,7 Milliarden Euro entlasten. Bis 2030 würde sich die Ersparnis auf gut 60 Milliarden Euro summieren. Zwar müssten Bund und Länder für die gesetzlich versicherten Beamten den in der GKV üblichen Arbeitgeberbeitrag bezahlen, das wäre aber in den meisten Ländern weniger als die Ausgaben für die Beihilfe.
Von der Ausweitung der Versicherungspflicht würden auch die gesetzlichen Kassen profitieren. Laut IGES würden die Mehreinnahmen durch die Beamten die zusätzlichen Ausgaben um 3,4 Milliarden Euro übertreffen, das wären fast 0,34 Beitragssatz-Punkte. Auch die meisten Beamtenhaushalte könnten von dem neuen System profitieren.Klar ist den Autoren, dass der Verlust der Beamten "massive Auswirkungen auf die finanzielle Lage der PKV" hätte.
Zu den Verlierern würden auch Ärzte gehören, die nicht mehr die höheren Vergütungen in der PKV abrechnen könnten. IGES beziffert die Umsatzeinbußen auf 5,7 bis 6,4 Milliarden Euro. "Damit entfällt die ‚Gegenfinanzierung‘ der Nettoentlastungen von GKV, öffentlichen Haushalten und Beamtenhaushalten zum Großteil (rund 85 Prozent) auf die Leistungserbringer in Form von Umsatzeinbußen."
Es sei klar, dass hier Handlungsbedarf entsteht, sagte der Gesundheitsexperte der Stiftung Dr. Stefan Etgeton der "Ärzte Zeitung". Der Vorschlag: In der Studie hatte IGES die Alterungsrückstellungen außen vor gelassen. Sie werden für 2014 bei 3,6 Millionen wechselnden Personen mit 72 Milliarden Euro beziffert. "Die Alterungsrückstellungen könnten genutzt werden, die Einbußen der Ärzte zu kompensieren oder den Übergang zu einer einheitlichen Vergütung für ärztliche Leistungen finanziell zu flankieren."
Nach der Veröffentlichung rief die Studie prompt Reaktionen hervor. BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery kritisierte, dass sich die Autoren "ein Szenario zurecht gezimmert" hätten, das "jeglichem Realitätssinn entbehrt."