Kritik an Lauterbachs „Gesundes-Herz-Gesetz“

Ehemaliger IQWiG-Chef Windeler: „Check-ups machen Menschen krank“

Veröffentlicht:

Berlin. Der ehemalige Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Professor Jürgen Windeler, hat das geplante „Gesundes-Herz-Gesetz“ von Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) scharf kritisiert. „Check-ups machen die Menschen krank, sie machen durch Laboruntersuchungen aus gesunden Menschen von jetzt auf gleich Kranke, und zwar oft lebenslang“, sagte Windeler im Interview mit der Ärzte Zeitung.

Lesen sie auch

In seinem „Gesundes-Herz-Gesetz“ plant Minister Lauterbach Herz-Checks für Erwachsene ab 25 Jahren. Für Kinder soll es zusätzliche Untersuchungen auf Fettstoffwechselstörungen geben. Auch sollen die Verordnungsfähigkeit für Statine deutliche ausgeweitet werden.

Windeler kritisierte das breit geplante Screening: „Eine Diagnose ist immer erst einmal ein Schaden.“ Denn ein Vorteil einer frühen Diagnose sei „nicht sicher“. Einen solchen Nutzen könne man „nur in großen Studien untersuchen, und diese großen Studien gibt es für die geplanten Checks nicht“.

Ein breites Screening bringe die Gefahr von Überdiagnostik: Es könnten auch Menschen eine Diagnose erhalten, „die in ihrem Leben nie einen Herzinfarkt bekommen hätten und sehr viel entspannter und ohne Statine gelebt hätten, wenn sie nicht irgendeinen merkwürdigen Check-up gemacht hätten“.

Grundlagen des SGB V „beerdigt“

Auch kritisierte Windeler die geplante bereite Verordnungsfähigkeit für Statine. „In einem Gesetz festzulegen, ab welcher konkreten, fein justierten Indikationsstellung man eine Medikamententherapie macht, ist ehrlich gesagt völlig gaga. Wenn sich die Evidenzlage ändert, muss künftig der Bundestag ein neues Gesetz beschließen, um die Verordnungsfähigkeit zu ändern. Das ist Absurdität im Quadrat.“ Windeler: „Eine Indikationsstellung ist eine ureigene medizinische Aufgabe und gehört nicht in ein Gesetz“, sagte Windeler.

Mit seinen Plänen beerdige Gesundheitsminister Lauterbach zudem „die Grundlagen des Sozialgesetzbuchs V, das Wirtschaftlichkeitsgebot“, kritisierte Windeler. „Jetzt kommt ein – nehmen wir mal an, wohlüberlegter – Gesetzentwurf und sagt, das ist jetzt nicht so wichtig, hier soll das nicht gelten, bei einem Verfahren, das nicht evidenzbasiert ist. Hier werden die Grundfesten des Sozialgesetzbuchs V angetastet und die evidenzbasierte Medizin gleich mit beseitigt.“ (nös)

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

© Springer Medizin Verlag

Intens. Video-Podcast

Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Mann mit Pflaster auf Oberarm gibt Daumen-hoch-Zeichen

© U_Photo / Shutterstock

Impflücken bei Chronikern

Senkung von Morbidität und Mortalität durch bessere Vorsorge

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Studie HF-OPT: Verbesserte LVEF unter medikamentöser Behandlung + Defibrillatorweste (Tag 0–90) und nachfolgender medikamentöser Behandlung (Tag 90–360)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion

Optimale medikamentöse Therapie plus Defibrillatorweste schützt vor Plötzlichem Herztod

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 1: Prozentualer Anteil der Patientinnen und Patienten pro Gruppe mit den genannten Symptomen zum Zeitpunkt der Visite 1 (Erstvorstellung) und Visite 2 (24–72h nach Erstvorstellung).

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [13]

Akute Otitis media – Behandlungsoptionen in der Praxis

Leitlinienbasierte Therapie für schnelle Symptomverbesserung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Homöopathisches Laboratorium Alexander Pflüger GmbH & Co. KG, Rheda-Wiedenbrück
Von der Grundlagenforschung zu wegweisenden Therapien

© Alnylam

Pionier der RNAi-Technologie

Von der Grundlagenforschung zu wegweisenden Therapien

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Alnylam Germany GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Suche nach Alternativen

Marktrücknahme von Humaninsulinen: Das sind Ihre Optionen

Lesetipps
Zeigt sich empört über Tweet des Gesundheitsministers: CDU-Chef Friedrich Merz am Mittwoch im Deutschen Bundestag.

© Michael Kappeler/dpa

Streit um Migrationspolitik

Umstrittener Tweet: Merz nimmt Lauterbachs Entschuldigung nicht an

„Sicherstellen, dass kein hausärztliches Honorar verloren geht“: Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

© Marc-Steffen Unger

Interview über aktuelle Pläne der Politik

KBV-Vize Hofmeister: Gesetzentwurf zur Entbudgetierung hat Tücken

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung