Rezepte per Internet
Europa sorgt für Aufregung
Eine EU-Richtlinie sorgt für Wirbel: Am Freitag tritt das Regelwerk zur "Patientenmobilität" in Kraft - und mit ihr die Möglichkeit für Rezepte aus dem Internet. Politiker und Apotheker sind wenig begeistert.
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Rezept: bald auch aus dem Internet?
© Rolf Richter / fotolia.com
BERLIN. Die vollständige Umsetzung der Patientenmobilitätsrichtlinie der Europäischen Union in Deutschland zieht sich in die Länge. Frühestens in der Sitzung am 8. November wird der Bundesrat über die letzte Passage des Regelwerks abstimmen.
Am Mittwoch hat der Gesundheitsausschuss der Länderkammer in diesem Zusammenhang nicht öffentlich über eine Regierungsverordnung beraten, die Arzneimittelverschreibungsverordnung zu ergänzen.
Dabei geht es darum, ärztliche Rezepte aus Mitgliedsländern der der Europäischen Union und einigen Staaten mehr deutschen Rezepten gleichzustellen. Dazu würden dann endgültig auch in Internet-Sprechstunden von Ärzten ausgestellte Rezepte zählen. Ein Aufreger!
Der Großteil der "Richtlinie zur Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung" tritt am Freitag (25. Oktober) in Kraft. Für die gesetzlich Versicherten ändert sich nicht viel.
"Die Richtlinie kodifiziert das bereits heute Mögliche", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums der "Ärzte Zeitung".
Dies gilt sowohl für grenzüberschreitende ambulante und stationäre Behandlungen als auch für die Anerkennung aller die Form erfüllenden ärztlichen Verordnungen in den Mitgliedsländern, dem Europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz.
Schon seit 2004 haben gesetzlich Versicherte einen Anspruch auf eine zumindest teilweise Kostenerstattung für Arzt- und Psychotherapeutenbesuche im erweiterten europäischen Ausland (auch wenn der in der Realität nicht immer reibungslos anerkannt wird).
Verordnungen werden gleichgestellt
Nach Regierungsangaben haben die Krankenkassen 2012 rund 850 Millionen Euro für ambulante Leistungen im Ausland bezahlt. Krankenhausaufenthalte im Ausland müssen sich Patienten auch weiterhin von ihrer Kasse vorab genehmigen lassen. Etwa 4000 in Deutschland Versicherte haben dies im Jahr 2011 in Anspruch genommen.
Neu ist auch, zunächst für seltene Erkrankungen europäische Referenznetzwerke von hochspezialisierten Fachzentren in den einzelnen Ländern zu schaffen.
Für Ärzte in Deutschland entsteht mit der Richtlinie laut Regierungsangaben nur geringer Mehraufwand. Auf Rezepten, die im Ausland eingelöst werden sollen, müssen sie künftig auch die Dosierung angeben.
Auch bislang haben Apotheker schon Rezepte aus dem EU-Ausland eingelöst. Es sei denn, sie waren unleserlich oder in einer für den Apotheker unbekannten Sprache verfasst. Dies ging auf das Freizügigkeitsabkommen aus dem Jahr 2002 zurück.
Umgesetzt ist die Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung noch nicht. Über die Verordnung muss noch der Bundesrat befinden.
Ihr Text ist eindeutig: "Den aus Deutschland stammenden ärztlichen oder zahnärztlichenVerschreibungen sind entsprechende Verschreibungen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, aus den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und aus der Schweiz gleichgestellt (...)", heißt es in dem Absatz der die Arzneimittelverschreibungsverordnung ergänzen soll.
Wenig Begeisterung bei den Apothekern
Wenn die Rezepte den Namen des Kunden und Name und Anschrift des verschreibenden Arztes tragen sowie weitere Kontaktdaten und Informationen zum verordneten Medikament, sollen Apotheker diese Rezepte wie andere Privatrezepte einlösen müssen. Dieser Punkt hat für Wirbel gesorgt.
Denn darunter würden auch die Rezepte des englischen Internet-Sprechstundenanbieter "DrEd" fallen. Dort hatten sich zuletzt viele Frauen in so genannten Online-Sprechstunden Verordnungen für die Pille danach besorgt. Die ist in den meisten Ländern Europas rezeptfrei zu erhalten.
In Deutschland besteht dagegen eine Rezeptpflicht, nicht zuletzt auf Druck der Frauenärzte. Der erleichterte Zugang zu diesem Medikament hatte den CSU-Gesundheitspolitiker Johannes Singhammer auf den Plan gerufen.
"Wir sollten unser Niveau halten und gegenüber Eingriffen aus Europa verteidigen", sagte er der "Ärzte Zeitung". Singhammer sieht durch eine "Legalisierung" von "DrEd" und möglichen Nachahmern das Arzt-Patienten-Verhältnis in Gefahr und empfiehlt, die Richtlinie so nicht umzusetzen.
Nicht begeistert über die Entwicklung ist man auch bei der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Gleichwohl sieht man auch dort die Apotheker in der Pflicht, auch die Rezepte von im Internet agierenden Ärzten einzulösen, sofern sie alle gesetzlichen Ansprüche erfüllen.
Dies bekräftigt auch das Bundesgesundheitsministerium. Die Rezepte kämen zwar auf einem Weg zustande, der in Deutschland so nicht üblich und vorgesehen sei. Sie würden aber von Ärzten ausgestellt und seien damit korrekt.