Aktuelle Versorgungs-Beschlüsse
GBA erleichtert Verordnung
Von Krankenbeförderung über Patientenbefragungen bis hin zur ASV: Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner letzten öffentlichen Sitzung in diesem Jahr gleich mehrere Beschlüsse für die Versorgung gefasst.
Veröffentlicht:Berlin. Eine ganze Beschlusslawine hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) vor Weihnachten losgetreten. Vieles greift zwar mit einigem zeitlichen Verzug. Vor allem aber in Sachen Krankenfahrten können sich Patienten und Ärzte nun endlich auf eine weniger bürokratische Vorgehensweise freuen. Aber auch die vom Gesetzgeber gewollte Entlastung pflegender Angehöriger kann bald bei den Betroffenen ankommen. Die wichtigsten Beschlüsse im Überblick:
Erleichterung bei Krankenfahrten: Die Verordnung und Genehmigung von Krankenfahrten war bisher sehr eng geregelt. So konnten Krankenbeförderungsleistungen nur von Vertragsärzten, -zahnärzten und -psychotherapeuten, nicht aber von Kliniken angeordnet werden. Und Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung – etwa zur Dialyse – mussten zuvor von der Kasse genehmigt werden. Beides ändert sich durch die aktuelle Gesetzgebung. Der GBA hat deshalb nun die Krankentransport-Richtlinie entsprechend angepasst.
So hat der Gesetzgeber im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vorgesehen, dass auch Kliniken eine Verordnungsbefugnis erhalten. Künftig können sie nach dem GBA-Beschluss damit bei der Entlassung von Patienten eine Krankenbeförderungsleistung rezeptieren.
Außerdem gilt seit Inkrafttreten des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG) am 1. Januar 2019 für dauerhaft mobilitätsbeeinträchtigte Personen eine Genehmigungsfiktion: Das heißt, mit Ausstellung der Verordnung durch den Arzt gilt die Genehmigung der Kasse als erteilt. Davon profitieren allerdings nur Personen mit anerkannter Schwerbehinderung (Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“, Pflegegrad 3 mit dauerhafter Mobilitätsbeeinträchtigung, 4 oder 5). Muss die Beförderung zu einer ambulanten Behandlung mit einem Krankentransportwagen erfolgen, ist die Genehmigung der Kasse aber auch für dauerhaft mobilitätsbeeinträchtigte Personen weiterhin Pflicht.
Die Beschlüsse treten nach Nichtbeanstandung durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Schnellere Reha für pflegende Angehörige: Für pflegende Angehörige, die eine Reha benötigen, entfällt künftig das Prinzip einer gestuften Versorgung „ambulant vor stationär“. Dazu hat der Ausschuss seine Rehabilitations-Richtlinie angepasst, ausschlaggebend dafür war auch hier eine Regelung im Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG). Der Anspruch auf die stationäre Reha besteht auch dann, wenn ambulante Leistungen aus medizinischer Sicht ausreichend wären. Gleichzeitig kann auch der oder die Pflegebedürftige für den Zeitraum der Rehabilitation in der Klinik versorgt werden. „Damit nehmen wir in der GBA-Richtlinie die sehr begrüßenswerte Zielsetzung des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes auf, die häufig belastende Situation für pflegende Angehöriger zu erleichtern“, sagte Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied des GBA und Vorsitzende des Unterausschusses Veranlasste Leistungen. Der Beschluss tritt ebenfalls nach Nichtbeanstandung durch das BMG in Kraft.
Patientenbefragung wird Teil der Qualitätssicherung: Ergebnisse aus Patientenbefragungen sollen als zusätzliche Datenquelle in die Beurteilung der Qualität medizinischer Leistungen einfließen, so der GBA. Damit soll die Patientenperspektive mehr Gewicht erhalten. Den entsprechenden Grundsatzbeschluss habe man bereits am 22. November 2019 in Berlin als Teil der Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (DeQS-RL) gefasst.
Den Anfang macht die Patientenbefragung im Rahmen des Qualitätssicherungsverfahrens Perkutane Koronarintervention (QS PCI). Am Donnerstag hat der GBA hierfür die Patientenfragebögen und den Bericht des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG), das mit der Vorbereitung beauftragt war, zur Veröffentlichung freigegeben.
Die Leistungserbringer übermitteln demnach regelmäßig von allen Patienten, bei denen ein PCI-Eingriff durchgeführt wurde, die Adresse und die genaue Art des Eingriffs an die Versendestelle. Diese wiederum wählt daraus fortlaufend 200 Patienten pro Jahr und Leistungserbringer aus, an die etwa vier Wochen nach ihrem Eingriff die Fragebögen mit der Bitte um Teilnahme verschickt werden. Sollte eine Einrichtung weniger als 200 Behandlungsfälle pro Jahr aufweisen, wird eine Vollerhebung durchgeführt. Die anonymisierten Fragebögen werden an die Auswertungsstelle, in diesem Fall das IQTIG, zurückgeschickt.
„Die Patientinnen und Patienten werden detailliert nach Fakten befragt, die für die Qualität ihrer Versorgung wichtig sind“, erläutert Professor Elisabeth Pott, unparteiisches Mitglied des GBA und Vorsitzende des Unterausschusses Qualitätssicherung. „Die Leistungserbringer, also Krankenhäuser und niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, erhalten damit ein standardisiertes Patienten-Feedback zur geleisteten Behandlung. Alle Auffälligkeiten werden den Leistungserbringern zurückgespiegelt, um ihnen so die Möglichkeit zur Einordnung und gegebenenfalls zur Verbesserung zu geben.“
Starten soll die PCI-Patientenbefragung am 1. Juli 2021.
ASV-Versorgung um zwei Erkrankungen erweitert: Der GBA hat die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) um zwei Krankheitsbilder erweitert, die Sarkoidose und Tumoren der Lunge und des Thorax.
Bei der Sarkoidose solle mit der neuen ASV-Regelung eine frühzeitige, gesicherte Diagnosestellung gefördert werden, insbesondere aber auch eine multiprofessionelle Überwachung und Therapie der Erkrankung, sagt Pott. „Ziel ist es, die mit der Erkrankung oftmals einhergehenden Organschädigungen zu vermeiden und gegebenenfalls sogar eine vollständige Ausheilung zu erreichen.“
Im ASV-Kernteam müssen Pneumologen und Rheumatologen vertreten sein. Sofern Kinder und Jugendliche behandelt werden, ist zusätzlich eine entsprechende pädiatrische Expertise in das Team zu integrieren.
Das Kernteam für die ASV „Tumore der Lunge und des Thorax“ muss hingegen Pneumologen, Hämatologen und Onkologen sowie Fachärzte für Strahlentherapie und Thoraxchirurgie vorweisen. Bei der Behandlung von Herztumoren sind zusätzlich Herzchirurgen und Kardiologen hinzuzuziehen.
Außerdem gilt hier eine Übergangsregelung: Denn Erkrankungen an Tumoren der Lunge und des Thorax gehören zu den Krankheitsbildern, für die der GBA bereits eine Anlage in der Richtlinie über die ambulante Behandlung im Krankenhaus (ABK-RL) erarbeitet hatte. Die bereits erteilten Bescheide für eine ambulante Behandlung im Krankenhaus enden laut GBA spätestens drei Jahre, nachdem der ASV-Beschluss in Kraft getreten ist – und zwar ohne eine explizite Aufhebung durch die Landesbehörden.
Beratungsverfahren bei Psychotherapie eingestellt: Der GBA hat das im Jahr 2008 aufgrund einer Selbstverpflichtung aufgenommene Beratungsverfahren zu den anerkannten Psychotherapieverfahren der Psychotherapie-Richtlinie eingestellt. Dabei gehe es nur um die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Analytische Psychotherapie sowie die Verhaltenstherapie, wie der Ausschuss berichtet. „Aus diesem Verfahrensbeschluss ergeben sich keine Veränderungen des geltenden Leistungsanspruchs auf Psychotherapie zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung“, heißt es in einer Mitteilung des GBA.
Hintergrund des Beschlusses ist zum einen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dieses hatte geurteilt, dass die Richtlinienverfahren in Bezug auf ihre Qualität und Wirksamkeit nicht (erneut) rechtfertigungsbedürftig seien (Az.: B 6 KA 22/09). Zum anderen würde die Prüfung zu viel Arbeitskraft im Ausschuss binden.
Erprobungsstudie zur Tonsillotomie: Das europaweite Ausschreibungsverfahrens für die Studie zur Tonsillotomie bei rezidivierender akuter Tonsillitis ist beendet. Laut GBA wird die Bietergemeinschaft Universitätsklinik Jena, Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte beauftragt, die geplante Studie wissenschaftlich zu begleiten und die Ergebnisse auszuwerten.
Mit der Erprobungsstudie solle geklärt werden, ob bei Patienten mit rezidivierender akuter Tonsillitis (und einer generellen Indikationsstellung für ein operatives Vorgehen) eine Tonsillotomie gegenüber einer Tonsillektomie überlegen ist. Bislang liegt laut GBA keine hinreichende Evidenz für eine Entscheidung über den Nutzen dieser Behandlungsmethode vor.
Seit 2012 kann der GBA – weisen wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hin, dass eine Methode das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative hat, eine Erprobungsstudie initiieren und auch finanziell fördern (Rechtsgrundlage ist Paragraf 137e SGB V).
Arzneimittel: Der GBA hat zudem gleich fünf Beschlüsse zur frühen Nutzenbewertung gefasst. Zwei davon betreffen den Wirkstoff Dapagliflozin zur Behandlung von Typ-2-Diabetes, ein weiterer betrifft ein Orphan Drug.
Weitere Infos unter: www.g-ba.de/beschluesse/