Diabetes

GBA mahnt Dialog der Fachgesellschaften an

Dauerstreit um Pharmakotherapie und Interventionsgrenzen bei Diabetikern: Nun fordert der Bundesausschuss den Dialog der Experten mit dem Ziel der Befriedung in der Fachwelt.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Welcher Weg ist der richtige? Bei der Behandlung von Diabetes-Patienten arbeiten Ärzte derzeit mit widersprüchlichen Leitlinien.

Welcher Weg ist der richtige? Bei der Behandlung von Diabetes-Patienten arbeiten Ärzte derzeit mit widersprüchlichen Leitlinien.

© Mauro Saivezzo / stock.adobe.com

BERLIN. Der Leiter der Abteilung Arzneimittel des Gemeinsamen Bundesausschusses, Thomas Müller, hat dringend einen Dialog der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften angemahnt. Es geht ihm darum, die andauernde Kontroverse zur Pharmakotherapie insbesondere beim Diabetes mellitus Typ-2 aus der Welt zu schaffen. Die divergierenden Positionen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit einerseits und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) andererseits seien "einzigartig in der Medizin". Das sagte Müller bei dem von Novo Nordisk organisierten Symposion Diabetes 2030 am Donnerstagabend in der Dänischen Botschaft in Berlin.

Der fehlende Konsens in der medizinischen Fachwelt und widersprüchliche Leitlinien von DEGAM und DDG erschwere auch versorgungspolitische Entscheidungen etwa bei der Nutzenbewertung von Arzneimitteln. Bereits im Vorfeld des AMNOG sei die Debatte insbesondere mit dem IQWiG und seinem damaligen Chef Professor Peter Sawicki mit hoher Emotionalität geführt worden. Das habe sich bei den Anhörungen im Rahmen der frühen Nutzenbewertung fortgesetzt. Es sei nun dringend notwendig, hinsichtlich der Grenzwerte für therapeutische Interventionen, Minimal- und Maximaltherapie sowie die Beherrschung von Risikofaktoren zu einem Dialog mit dem Ziel der Befriedung in der Fachwelt zu kommen.

Eine Chance dazu sei die nun deutlich besser werdende Evidenz zu den Langzeitwirkungen auf diabetische Folgekrankheiten durch langlaufende Outcome-Studien, die die Europäische Arzneimittelagentur EMA initiiert habe. Die daraus resultierenden neuen Erkenntnisse werden nach Angaben Müllers bei erneuten Nutzenbewertungen auf jeden Fall einbezogen. Dazu liege beim GBA schon eine Reihe von Anträgen vor.

Auf breite Zustimmung der Symposions-Teilnehmer – Wissenschaft, Ärzte aus Praxis und Klinik sowie Vertreter der Selbsthilfe – stieß die im Koalitionsvertrag vereinbarte Nationale Diabetes-Strategie. "Wir brauchen nun ein Pflichtenheft und messbare Ergebnisse", forderte der Diabetologe Professor Diethelm Tschöpe.

Eine solche Strategie könne kosteneffektiv sein, so der Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem. Die Kosten der medizinischen Versorgung von Diabetikern beziffert er auf 22 bis 25 Milliarden Euro mit einer Wachstumsrate von gegenwärtig von fünf Prozent. Drei Viertel entfallen auf Folgekomplikationen. Die Kombination aus demografischer Alterung und steigender Inzidenz führe zu einer Dynamik der direkten Kosten des Diabetes Typ-2, die für sich genommen den GKV-Beitragssatz um 1,5 bis 2,0 Prozentpunkte erhöhen werde.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Dialog statt Konfrontation

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Kommentare
Prof. Dr. Ina Kopp 06.03.201810:59 Uhr

Korrektur: EINE Nationale Versorgungsleitlinie, 2 begründete Auffassungen - Fachgesellschaften sehen Forschungsbedarf

Eine konzertierte Aktion zur Verbesserung der Forschungslage zum Typ 2 Diabetes ist sehr zu begrüßen.
Der Bericht der Ärztezeitung benötigt jedoch eine Korrektur: in Deutschland existieren keine widersprüchlichen Leitlinien zur Pharmakotherapie des Typ 2 Diabetes. Vielmehr gibt es eine Nationale Versorgungsleitlinie. In dieser sind zwei unterschiedliche Auffassungen der beteiligten DEGAM und AkdÄ einerseits sowie DDG und DGIM andererseits dargelegt und jeweils begründet. Die Autoren führen dazu aus:
„der Dissens spiegelt die Komplexität einer noch unzureichend untersuchten Krankheit und deren Behandlung wider. Es besteht in diesem Sinne auch die gemeinsame Überzeugung, dass Nationale Versorgungsleitlinien nicht nur Einigkeit, sondern auch Divergenzen begründet transparent formulieren sollten. Dies hilft auch im nationalen Interesse der Politik, der Ärzteschaft, Kostenträgern und den betroffenen Patienten Problemfelder und Forschungsbedarf aufzuzeigen."
Zum Thema "Grenzwerte" existiert in der NVL starker, fachübergreifender Konsens: nämlich dieses Konzept zugunsten der Vereinbarung individueller Therapieziele und HbA1c-Zielkorridore zu verlassen.
Die nationale Versorgungsleitlinie ist verfügbar unter http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/nvl-001g.html
Eine Aktualisierung ist bereits initiiert - in diesem Rahmen wird der notwendige Dialog fortgeführt.
Das Programm für nationale Versorgungsleitlinien wird getragen von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

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