BÄK-Präsident

GOÄ-Reform vor letzten Hürden

Die Reform der Gebührenordnung für Ärzte befindet sich auf der Zielgeraden, berichtet BÄK-Präsident Montgomery im Exklusiv-Interview mit der "Ärzte Zeitung". Außerdem spricht er über Streit mit einer KV, die Klinikreform und Personalquerelen ums Kammerblatt.

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Professor Frank Ulrich Montgomery spricht über die Ziele der Bundesärztekammer. Weit oben auf der Agenda steht eine Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung.

Professor Frank Ulrich Montgomery spricht über die Ziele der Bundesärztekammer. Weit oben auf der Agenda steht eine Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung.

© Hauke-Christian Dittrich/dpa

Ärzte Zeitung: Herr Professor Montgomery, mit großer Spannung warten die Ärzte auf eine Einigung mit der PKV zur GOÄ-Reform. Wie ist der Stand der Dinge?

Prof. Frank Ulrich Montgomery: Wir befinden uns in der letzten Runde der Detailverhandlungen. Gemeinsam mit der PKV sind wir dabei, die Stellschrauben nachzujustieren. Und mit dem Bundesgesundheitsministerium sind wir uns weitgehend einig, was den Paragrafenteil angeht.

Mit Blick auf die gesamte Reform - wieviel Prozent der Arbeit ist geschafft?

Prof. Frank Ulrich Montgomery

Aktuelle Position: Präsident der Bundesärztekammer, Präsident der Ärztekammer Hamburg

Werdegang/Ausbildung: Montgomery studierte Medizin in Hamburg und Sydney. Seit 1986 ist er Facharzt für Radiologie und Oberarzt am UKE Hamburg Eppendorf.

Karriere: 1983 wird Montgomery Vorsitzender des Marburger Bund-Landesverbands Hamburg. Von 1989 bis 2007 ist er Chef des MB-Bundesverbands. 1994 (bis 2002) wird er erstmals zum Kammer-Präsidenten in Hamburg gewählt. 2006 wählen ihn die Hamburger Ärzte erneut zu ihrem Kammerchef. Von 2007 bis 2011 ist Montgomery Vize-Präsident der Bundesärztekammer. 2011 wird er schließlich an die Spitze der Bundesärztekammer gewählt.

Montgomery: Über zwei Drittel der Arbeit ist erledigt. Der erste große Schritt war die Rahmenvereinbarung im November 2013 zwischen Bundesärztekammer und PKV. Danach folgte die Berechnung der Leistungspositionen, die weitgehend abgeschlossen ist. Entscheidend ist jetzt die rechtliche Anpassung.

Unser Ziel ist es, eine Regelung zu finden, die dazu führt, dass eine Reform eben nicht erst wieder nach 30 Jahren erfolgt. Anpassungen müssen künftig zeitnah im Konsens - aber unter der Verantwortung des Ministeriums - erreicht werden.

Bis Ende des Jahres soll eine gremienreife Entwurfsfassung der neuen GOÄ vorliegen - inklusive der Leistungslegenden, Punktzahlen und Punktwerte. Liegen Sie im Zeitplan?

Montgomery: Mir wird von den Verhandlungskommissionen mitgeteilt, dass das bis Ende des Jahres der Fall sein wird.

Die Bundesärztekammer verlangt beim Punktwert einen Inflationsausgleich von mehr als 30 Prozent. Ist das realistisch?

Montgomery: Sie gehen von der alten Systematik aus - die neue GOÄ hat Euro-Werte. Und darin ist die gesamte Entwicklung der Vergangenheit inkludiert.

Da unterhalten wir uns nicht über 30 Prozent, sondern es wird auf den heutigen Ist-Stand einen deutlichen Zuschlag geben, der sich im stabilen Einfachwert ausdrückt.

Seit Anfang der Woche arbeitet Ihr ehemaliger Hauptgeschäftsführer Bernhard Rochell wieder bei der KBV. Er war einer der beiden Chef-Unterhändler der BÄK. Wie groß ist das Loch, das er hinterlässt?

Montgomery: Das war selbstverständlich ein Schlag ins Kontor. Es war seine Entscheidung für seine persönliche Lebensplanung. Da gehört es zum guten Stil, das zu respektieren.

In Absprache mit der KBV wird er uns weiterhin als Unterhändler bei den GOÄ-Beratungen zur Verfügung stehen. Dennoch ist geplant, möglichst schnell seine Nachfolge zu regeln.

Wann wird das der Fall sein?

Montgomery: Einen konkreten Zeitpunkt gibt es nicht. Der Vorstand der Bundesärztekammer hat mich damit beauftragt, ein Konzept für die Nachbesetzung vorzubereiten.

Darüber werden wir in der nächsten Sitzung Ende September beraten. Klar ist, dass wir nichts übers Knie brechen.

Kommen wir zu dem aktuellen Thema Krankenhausfinanzierung. Hier sind Sie gemeinsam mit Vertretern von Krankenhausgesellschaft und Deutschem Pflegerat vor die Bundespressekonferenz getreten. Was war Ihre Intention?

Montgomery: Zunächst haben wir es alle sehr begrüßt, dass Union und SPD die Zukunft der Klinikfinanzierung in ihren Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben. Derzeit gibt es eine Tendenz, dass das Thema versanden könnte.

Das darf natürlich nicht passieren. Für uns gibt es drei zentrale Punkte.

Der erste Punkt ist der gravierende Personalmangel und die damit verbundene enorme Belastung der Beschäftigten im Krankenhaus. Wir brauchen konkrete Personalentwicklungs-Konzepte.

Zweiter Punkt ist die kontinuierliche Anpassung der Klinikfinanzierung. Das betrifft insbesondere auch nicht vorhersehbare und beeinflussbare kurzfristige Ereignisse, wie etwa eine Erhöhung der Energiekosten.

Und der dritte Punkt ist die Investitionsfinanzierung. Wir bräuchten mindestens sechs Milliarden Euro pro Jahr, im Moment liegen wir bei etwa 2,7 Milliarden Euro.

Das ist viel zu wenig angesichts eines Rückstaus von geschätzten 30 Milliarden Euro. Hier würde es schon helfen, die jährlichen erforderlichen sechs Milliarden Euro zu bedienen.

Wie eine Umfrage im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung gezeigt hat, sind mehr als 60 Prozent der Klinikärzte mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden. Wie erklären Sie sich das angesichts beachtlich gestiegener Einkommen?

Montgomery: Die Bezahlung der Klinikärzte ist nicht der Kern des Problems. Vielmehr geht es um die Zunahme der Arbeitsintensität, weil die Tätigkeiten viel komplexer geworden sind und nur von Ärzten ausgeführt werden können.

Ein weiterer Punkt ist, dass sich bei vielen Klinikträgern noch immer nicht die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Krankenhausarbeit planbar sein muss.

Schließlich trägt die zunehmende Abhängigkeit der medizinischen Entscheidungen von ökonomischen Stellgrößen zur Unzufriedenheit bei.

Das Hauptproblem scheint aber wohl die Pflege zu sein: Personalabbau, zu wenig Investitionen in den Nachwuchs - und zusätzliche Belastung durch Delegation ehemals ärztlicher Leistungen...

Montgomery: Ich bin nicht aufgerufen, mich über die Qualität der Pflegeausbildung zu äußern. Ich glaube aber, dass die Finanzierung der Pflegeausbildung und die Art, wie Pflegeausbildung geschieht, verbesserungswürdig sind.

Wir unterstützen Initiativen, die Attraktivität der Pflege zu steigern. Sehr skeptisch bewerten wir Überlegungen, Pflegestandards herunterzufahren.

Kritiker befürchten, dass die Bund-Länder-AG eine große Reform im Klinikbereich kaum durchsetzen wird. Wie bewerten Sie die Erfolgsaussichten einer großen Reform?

Montgomery: Eine große Reform wäre ja für alle Beteiligten etwas Gutes. Wir befürchten aber, dass am Ende nur ein kleines Reförmchen herauskommen wird.

Daher wäre es an der Zeit, den Impetus, den man beim Start der großen Koalition hatte, wieder aufzunehmen.

Ausführlich hat sich das Sachverständigen-Gutachten mit der drohenden Unterversorgung in der allgemeinärztlichen Versorgung befasst. Jedes Jahr steigen etwa 2000 Hausärzte aus der Versorgung aus. Das ist alarmierend. Haben die Kammern das Problem verschlafen?

Montgomery: Im Gegenteil. Die Kammern waren diejenigen, die stets auf das Problem hingewiesen haben. Sicherlich haben wir nicht immer die Weiterbildungsmodelle favorisiert, die nur für einige einen ökonomischen Nutzen brachten.

Auf der anderen Seite haben wir die Weiterbildung so flexibilisiert, dass jeder, der es will, sich auf dem Land oder in der Stadt weiterbilden kann.

Wir setzen uns für die Förderung von Lehrstühlen für Allgemeinmedizin ein und unterstützen Verbund-Weiterbildungsmodelle. Ich gebe aber auch zu bedenken: Was lösen wir bei jungen Menschen aus, wenn permanent die Tätigkeit und die Verdienstmöglichkeiten schlecht geredet werden?

Mittelfristig steht eine Reform der gesamten (Muster-)Weiterbildungsordnung auf der Agenda. Mit dem Ziel, die ambulanten Teile der Weiterbildung zu erhöhen. Aber dafür fehlt derzeit eine Finanzierungsgrundlage. Wie ist der Stand der Dinge?

Montgomery: Die Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordung in toto ist ein hochkomplexes Verfahren. Wir haben über 50 Fachgebiete und mehr als 100 Zusatzbezeichnungen.

Richtig ist, dass es einen hohen Novellierungsbedarf gibt, der aufgrund der unterschiedlichen Interessen nicht so einfach umzusetzen ist.

Dennoch wird es uns gelingen, mehr Flexibilität bei Erhalt der Qualität mit der neuen (Muster-)Weiterbildungsordnung zu realisieren. Die entscheidende Frage ist: Welche Inhalte der Weiterbildung können im ambulanten Bereich erworben werden?

Und das hängt nicht unwesentlich von der Finanzierung ab. Die KBV will sich dafür einsetzen, dass die Weiterbildung im niedergelassenen Bereich im Orientierungspunktwert abgebildet werden soll - übrigens nicht nur in der Allgemeinmedizin.

Wir haben das Förderprogramm für die Allgemeinmedizin, müsste das auch auf die fachärztliche Versorgung ausgeweitet werden?

Montgomery: Das ist das, was auch uns vorschwebt. Aber es gibt auch den Weg, dies über eine Erhöhung des Orientierungspunktwerts zu regeln.

Ich bin nicht so versiert in Vergütungsfragen, um zu sagen, was der bessere Weg ist. Für beide Wege wären wir als Kammer gerüstet.

Mit wem sind Sie darüber im Gespräch: mit den Kassen, mit dem Ministerium - gibt es dort eine Sensibilität für das Thema?

Montgomery: Für Gespräche mit den Kassen haben wir kein Mandat. Selbstverständlich reden wir mit dem Ministerium darüber.

Hier gibt es selbstverständlich auch die Sensibilität für das Thema. Die löst aber nicht die Finanzierungsfragen. Ebenfalls reden wir mit den Fachgesellschaften darüber.

Das Thema Qualität und Qualitätssicherung steht ganz oben auf der Agenda dieser Koalition. Jetzt sind die ersten Schritte zur Errichtung des IQTiG gemacht worden. Wird das wieder so eine arztferne Veranstaltung wie das IQWiG?

Montgomery: Das IQWiG ist die Blaupause fürs IQTiG - deshalb gibt's auch hier das Risiko der Arztferne. Es darf nicht passieren, dass Qualität nur verwaltet und nicht erzeugt wird.

Wir werden das sehr aufmerksam beobachten und hoffen darauf, dass es uns mit den dortigen Gremien gelingt, Qualität konstruktiv fortzuentwickeln.

Eine Behörde, die lediglich ein Register aller Qualitätsprojekte erstellt, würde sicherlich am Ziel vorbei gehen. Das Institut sollte für alle eine Anlaufstelle sein, die dort mit ihren innovativen Ideen zur Qualitätssicherung Gehör finden wollen.

Abschließend ein Blick auf regionale Besonderheiten. Stichwort Hamburger Ärztehaus: Wie würden Sie die Gesprächskultur mit der KV bewerten, nachdem sie die gemeinsame "WG" 2013 gekündigt haben?

Montgomery: Wir hatten keine Wohngemeinschaft im klassischen Sinne zu gleichen Teilen. Uns gehörten zehn Prozent, der KV neunzig.

Durch zusätzliche neue Aufgaben - Fortbildungsakademie, Qualitätssicherung, Ethikkommission und Patientenberatung - brauchten wir erheblich mehr Platz, der nicht zur Verfügung stand.

Zu einem frühen Zeitpunkt haben wir auch noch die Planungen mit der KV gemeinsam betrieben, an alter Stelle einen Neubau zu errichten, sind aber dann zu der Auffassung gekommen, dass die Neukonzeption nur mit einer kräftigen Erhöhung der Umlagen zu erreichen ist.

Das aber können wir unseren Mitgliedern nicht zumuten. Daraufhin haben wir uns auf die Suche nach einem neuen Standort gemacht. Da hätte die KV mitkommen können - sie wollte aber nicht. Diese Vorgänge führten dann bekanntlich zu einer Diskussion mit der KV.

Die Konsequenz: Wir sind im September 2013 umgezogen und haben das realisieren können, was unser Ziel war, nämlich das Zusammenführen aller Einheiten, die vormals auf fünf Standorte verteilt waren.

Aktuell stelle ich fest, dass das Verhältnis zur KV im letzten Dreivierteljahr deutlich besser geworden ist.

Streit gibt's auch ums Kammerblatt. Jetzt ist eine kommissarische Schriftleitung eingesetzt. Alles nicht schön für die Hamburger Ärzte - wann kehrt hier Ruhe ein?

Montgomery: Es stimmt, dass in der Phase der Auseinandersetzung um den Neubau auch das zum Thema gemacht wurde. Wir haben das Problem mittlerweile durch einen gemeinsamen Beschluss auf Vorschlag der Kammer völlig einvernehmlich gelöst.

Der jetzige Schriftleiter wird dieses Amt noch bis zum Ende des Jahres ausüben. Ab Januar 2015 werden zwei neue Kollegen, einer von der Kammer und einer von der KV die Schriftleitung übernehmen.

Der Eindruck, der entstanden war, dass es sich um berufspolitische Beiträge handelte, ist nicht korrekt. Hier ging's ausschließlich um den wissenschaftlichen Part im Kammerblatt.

Das Interview führte Wolfgang van den Bergh

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