Ohne Schnelltest zum Heurigen

Geimpfte sollen mehr Freiheitsrechte zurückbekommen

Gasthaus, Gartencenter, Galerie: Mit negativen Schnelltests ist das der Pandemie zum Trotz bereits hie und da wieder möglich. Geht es nach Gesundheitsminister Jens Spahn, soll auch der Impfpass bald als „Eintrittskarte“ fungieren.

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Biergarten in Tübingen

Das neue alte Normal: In Tübingen ist ein negativer Schnelltest die Eintrittskarte zum Biergarten – womöglich kommt bald der Impfpass als zweiter Türöffner hinzu.

© Tom Weller / dpa

Berlin. Gegen SARS-CoV-2 geimpfte Bürger sollen laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bald Freiheiten zurückbekommen. Für sie soll die Test- und Quarantänepflicht zügig aufgehoben werden. „Wer vollständig geimpft wurde, kann in Zukunft wie jemand behandelt werden, der negativ getestet wurde“, sagte Spahn der „Bild am Sonntag“.

Wenn die dritte Welle der Corona-Pandemie gebrochen sei und weitere auf Schnelltests beruhende Öffnungsschritte wie beim Einzelhandel gegangen würden, komme diese Grundsatzentscheidung zum Tragen. „Wer geimpft ist, kann ohne weiteren Test ins Geschäft oder zum Friseur.“

Zudem müssen nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) vollständig Geimpfte auch nicht mehr in Quarantäne, so Spahn weiter. Dies erleichtere den Alltag in der Pandemie. Der Minister will die Test- und Quarantänebefreiung für Geimpfte zügig in den nächsten Wochen umsetzen.

RKI sieht geringeres Risiko für Virusübertragung

Grundlage für diesen Richtungswechsel ist eine Auswertung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse durch das RKI. In einem Bericht an das Bundesgesundheitsministerium, der der Zeitung vorliegt, heißt es dem Bericht zufolge: „Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist das Risiko einer Virusübertragung durch Personen, die vollständig geimpft wurden, spätestens zum Zeitpunkt ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten Impfdosis geringer als bei Vorliegen eines negativen Antigen-Schnelltests bei symptomlosen infizierten Personen.“

Der Bericht soll am Samstag an die Bundesländer verschickt worden sein. Zum Jahreswechsel herrschte in der Politik noch Uneinigkeit über „Sonderrechte“ für Geimpfte.

Auch der Deutsche Ethikrat hatte sich Anfang Februar zunächst gegen die Rücknahme von staatlichen Freiheitsbeschränkungen für Geimpfte ausgesprochen. Dies lasse sich nur dann rechtfertigen, „wenn hinreichend gesichert wäre, dass sie das Virus nicht mehr weiterverbreiten können“. Der neue RKI-Bericht könnte dieser Nachweis sein.

Lob von links, Kritik von rechts

Der SPD-Politiker Karl Lauterbach unterstützte am Osterwochenende den Vorstoß von Spahn. Es habe sich gezeigt, dass Geimpfte sich nur noch selten ansteckten und sie wahrscheinlich bei Ansteckung nicht mehr ansteckend für andere seien, sagte Lauterbach dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Allerdings sollte das jeweils nur nach der zweiten Impfung gelten.“

Auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch erklärte in den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“: „Natürlich müssen, wenn die wissenschaftlichen Daten die Unbedenklichkeit bestätigen, Geimpfte alle Rechte wieder in Anspruch nehmen können.“

Die Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, Alice Weidel, sprach dagegen von einer „Impfpflicht durch die Hintertür“. „Nun ist die Katze also aus dem Sack. Erst kommt die Testpflicht in allen möglichen Lebensbereichen und kurz danach verkündet der Gesundheitsminister eine Befreiung von genau dieser Testpflicht für Geimpfte“, erklärte sie in Berlin.

Zwei-Klassen-Gesellschaft?

Mit diesem Vorgehen säe die Bundesregierung einen Spaltpilz in die Gesellschaft. „Mit Privilegien für Geimpfte droht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, in der die Wahrnehmung zentraler Grundrechte an die vorbehaltlose Preisgabe persönlicher Daten geknüpft ist.“ Weidel forderte stattdessen, „alle Grundrechtseinschränkungen unverzüglich für alle Bürger aufzuheben“.

Kritik kam auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. „Die österliche Botschaft des Bundesgesundheitsministers von mehr Freiheiten löst sich bei genauem Hinschauen schnell in Rauch auf“, erklärte Vorstand Eugen Brysch.

Unklar bleibe etwa, ab welchem Inzidenzwert die dritte Welle gebrochen sein solle, und mit welchem Ausweis eine Impfung dokumentiert werden könne. „Selbst für die 95 Prozent geimpften 900.000 Pflegeheimbewohner wird der Shutdown also weitergehen“, fügte Brysch hinzu. (KNA)

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