Grundsatzprogramm
Grüne distanzieren sich von Homöopathie
Evidenzbasierung hervorgehoben: Die Grünen haben den Fundamentalstreit um die Homöopathie ad acta gelegt. Im neuen Grundsatzprogramm fordern sie außerdem, dass die Pflege regionaler wird.
Veröffentlicht:Berlin/Karlsruhe. Die Bündnisgrünen haben sich in ihrem neuen Grundsatzprogramm, dass die Partei am Wochenende beschlossen hat, zu einer Evidenzbasierung in der medizinischen Versorgung bekannt.
„Leistungen, die medizinisch sinnvoll und gerechtfertigt sind und deren Wirksamkeit wissenschaftlich erwiesen sind, müssen von der Solidargemeinschaft übernommen werden“, heißt es in dem neuen Programm, das bei einem digital abgehaltenen Parteitag beschlossen wurde.
Damit ziehen die Grünen einen Schlussstrich unter eine mit Heftigkeit ausgetragene parteiinterne Debatte. Im Vorfeld des grünen Parteitags 2019 in Bielefeld waren die Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern der Homöopathie eskaliert. Um einen Konflikt auf offener Bühne zu verhindern, wurde das Thema vertagt und mit dem Grundsatzprogramm verknüpft.
Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zählt
Zurückhaltend lautete die Konsensformel damals, die Grünen strebten ein „Gesundheitssystem an, das noch stärker als heute seine medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Leistungen auf ihre Wirksamkeit, Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit prüft“. Die jetzt im Grundsatzprogramm gefundene Formulierung ist deutlicher: Gefordert wird, die Versorgung müsse „dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen“ und „den medizinischen Fortschritt berücksichtigen“.
Das Thema Naturheilverfahren wird von der Partei quasi an die Patienten delegiert: „Viele Menschen nutzen Komplementärmedizin, die somit eine relevante Rolle in der heutigen Gesundheitsversorgung spielt“, heißt es. Übrig geblieben von früheren Positionen ist nur die Forderung, die Forschung zur Wirksamkeit von Naturheilverfahren solle „unterstützt“ werden.
Privilegierung der besonderen Therapierichtungen verändern
Die Richtung vorgegeben hatte der Bundesvorstand der Partei im August dieses Jahres. In einem „Gesundheit und Wissenschaft“ betitelten Beschluss wurde angekündigt, die Grünen wollten „die Privilegierung der besonderen Therapierichtungen (....) verändern“.
- Bioethik: Bei ihrer Position zur Bioethik differenziert die Partei zwischen „roter“ und „grüner“ Gentechnik. In Medizin und biotechnologischen Anwendungen „konnten durch die Gentechnik wichtige Fortschritte erzielt werden, während im Agrarbereich ihre Anwendung zu neuen Problemen geführt hat“. Nicht die Technologie, sondern „ihre Chancen, Risiken und Folgen stehen im Zentrum“. Das Klonen von Menschen sei auszuschließen, der „strenge Embryonenschutz“, der eine Selektion von Embryonen verhindere, müsse beibehalten werden, heißt es weiter. Als Elemente einer „vorausschauenden Ethik“ werden „Menschenwürde, Freiheit und Selbstbestimmung sowie Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen“ als maßgebliche Kriterien genannt. Die Skepsis gegenüber reproduktionsmedizinischen Techniken drückt sich in der Formulierung aus, diese könnten „die Möglichkeiten zur selbstbestimmten Elternschaft (...) erweitern“.
- Krankenhausversorgung: Die Grünen definieren in ihrem Programm Gesundheitsversorgung als öffentliche Aufgabe. Entscheidend sei dabei, was „medizinisch und menschlich geboten ist“, nicht dagegen die „profitable Behandlung“. Korrekturbedarf sieht die Partei insbesondere bei der Krankenhausversorgung. Hier müsse die „Benachteiligung öffentlicher Träger gegenüber privaten beendet“ und der „Trend hin zu Privatisierung umgekehrt werden“. Gewinnausschüttungen von Kliniken wollen die Grünen „beschränken“. Die Krankenhausfinanzierung müsse „neu gedacht“ werden, heißt es. Kliniken sollten nicht nur „nach erbrachter Leitung, sondern nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden“. Dafür müsse die Investitionsfinanzierung durch Bund und Länder gemeinsam verbessert werden.
- Pflege: In der Pflege sollen die Kommunen mehr Werkzeuge an die Hand bekommen, um das Angebot an Pflege und Betreuung vor Ort zu stärken. Daher wollen die Grünen ambulante Wohn- und Pflegeformen ausbauen. Abstriche an der Qualität bei der Heimversorgung oder bei den Beschäftigten „zu Gunsten von hohen Renditen“ wollen die Grünen „unterbinden“.