Gesetzesantrag

Grüne wollen die Pflege neu erfinden

Die Personaluntergrenzen abschaffen, den Pflegeberuf durch mehr Eigenverantwortung stärken: In einem Gesetzesantrag rufen die Grünen die Bundesregierung auf, offene Baustellen anzugehen. Die Vorschläge stoßen auf ein unterschiedliches Echo.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Personaluntergrenzen in der Pflege sind aus Sicht der Grünen ein ungeeignetes Instrument. Die Fraktion hat aus ihrer Sicht gebotene Reformen in einem Gesetzantrag gebündelt.

Personaluntergrenzen in der Pflege sind aus Sicht der Grünen ein ungeeignetes Instrument. Die Fraktion hat aus ihrer Sicht gebotene Reformen in einem Gesetzantrag gebündelt.

© dpa

Berlin. Die Pflegepersonaluntergrenzen (PpUG) in den Krankenhäusern gehören nach Ansicht der Grünen schnellstmöglich beerdigt. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass die Vorgaben nicht geeignet seien, sowohl die Versorgungsqualität als auch die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern, heißt es in einem Gesetzesantrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

Die Bundesregierung müsse daher „umgehend“ die Voraussetzungen schaffen, um die Untergrenzen „dauerhaft abzulösen“, fordern die Grünen. Der Gesundheitsausschuss will dazu an diesem Mittwoch Verbände und Sachverständige anhören.

Streitpunkt Personaluntergrenzen

Die PpUG gelten seit 2019 für besonders pflegeintensive Bereiche. Die Untergrenzen werden jeweils als maximale Anzahl von Patienten pro Pflegekraft festgelegt – in der Tag- und in der Nachtschicht. Wegen der Corona-Krise waren die Vorgaben ausgesetzt worden. Seit 1. August sind die Regelungen wieder in Kraft – zunächst auf intensivmedizinischen und geriatrischen Stationen.

Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), Deutscher Pflegerat und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisieren die Personalvorgaben seit längerer Zeit als realitätsfern und zu aufwändig. Sie haben deshalb ein alternatives Bemessungsinstrument erarbeitet, bei dem ein für alle Patienten eines Krankenhauses „aggregierter Zeitwert“ den gesamten Pflegepersonalbedarf auf allen bettenführenden somatischen Erwachsenen-Stationen abbilden soll.

Kliniklobby: PPR 2.0 wäre startklar

Vorbild des Konzepts ist die Pflegepersonalregelung (PPR), die schon einmal Anfang der 1990er Jahre in den Kliniken zum Einsatz kam, kurze Zeit später jedoch wieder abgeschafft wurde. Das Konzept einer „PPR 2.0“ liegt derzeit dem Gesundheitsministerium zur Prüfung vor.

Gesundheitsminister Jens Spahn hatte in der Vergangenheit mehrfach betont, die PpUG dienten dem Patientenschutz. Eine personelle Unterbesetzung besonders pflegeintensiver Abteilungen könne „fatale Folgen“ haben, so der CDU-Politiker.

Die Grünen sehen das anders. Die Bundesregierung sei aufgefordert, statt der Untergrenzen schnellstmöglich eine wissenschaftlich fundierte Personalbemessungsregelung für den Krankenhausbereich einzuführen. Dasselbe gelte für Einrichtungen der Altenpflege. Die Vorgaben müssten sich am tatsächlichen Pflegebedarf der Menschen orientieren“.

Die DKG begrüßt den Grünen-Vorstoß. Mit der „PPR 2.0“ liege ein einsatzbereites Instrument vor, das die bürokratischen Pflegepersonaluntergrenzen überflüssig mache, schreibt die Kliniklobby in ihrer Stellungnahme. Die „PPR 2.0“ könne 2021 starten.

Grundlegendes Problem ungelöst

Der GKV-Spitzenverband betont dagegen, mit den Pflegepersonaluntergrenzen werde eine „rote Linie“ definiert, die auf der betreffenden Station nicht unterschritten werden dürfe. „Dadurch sollen unerwünschte Ereignisse in pflegesensitiven Bereichen vermieden und somit der Patientenschutz sichergestellt werden“, heißt es in der Stellungnahme des Kassenverbands.

Zudem verbessere sich mit den PpUG die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte „dort, wo diese bislang aufgrund einer schlechten Personalausstattung unzureichend war“.

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände wiederum verweist auf das grundlegende Problem des Fachkräftemangels. In den Kliniken fehlten derzeit knapp 20.000 Pflegekräfte.

Heilkunde für Pflegekräfte

Ein anderes heißes Eisen im Grünen-Antrag ist die Heilkunde-Übertragung an Pflegekräfte. Mit Paragraf 5a des Infektionsschutzgesetzes sei es Pflegekräften in der Corona-Krise erstmalig gestattet, heilkundliche Tätigkeiten auszuüben, betont die Fraktion. Um der Berufsgruppe mehr Eigenverantwortung zu ermöglichen, sei die Ausübung der Heilkunde dauerhaft im Gesetz zu verankern.

Aufgabenteilung und interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften und Ärzten seien elementar, um den Herausforderungen der älter werdenden Gesellschaft zu begegnen, schieben die Grünen zur Begründung nach.

Insbesondere akademisch ausgebildete Pflegekräfte sollten im ländlichen Raum heilkundlich tätig werden dürfen. Das eröffne auch Perspektiven zur Weiterentwicklung im Beruf.

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