Ärztliche Vergütung
Gutachten beerdigt Konvergenz
Der GVK-Spitzenverband wollte wissen, ob die Vergütung für Vertragsärzte streng anhand der Morbidität in einer Region bemessen werden sollte. Das IGES-Institut warnt vor diesem Weg.
Veröffentlicht:BERLIN. Eine völlige Umstellung des Vergütungssystems für Ärzte, das sich am morbiditätsorientierten Behandlungsbedarf orientiert, würde mehr Probleme schaffen als lösen. Das ist die Kernthese eines Gutachtens, das das IGES-Institut für den GKV-Spitzenverband erstellt hat.
Acht KVen, die sich zum Interessenverbund LAVA (Länderübergreifender Angemessener Versorgungsanspruch) zusammengeschlossen haben, fordern eine Konvergenz der Vergütung zwischen den KVen, die auf Bundesebene gesteuert werden soll. Eine der Maßgaben lautet dabei, die von den Kassen zu zahlende morbiditätsorientierte Gesamtvergütung (MGV) solle analog zur Morbiditätsstruktur in einer Region bestimmt werden.
Daher sind die IGES-Forscher der Frage nachgegangen, ob diese Neuorientierung einen Beitrag leisten könnte, die Versorgung zu verbessern. Durchdekliniert wird der Ansatz am Beispiel der KV Sachsen-Anhalt.
Die Antwort der Gutachter fällt negativ aus. Denn eine solche Morbiditätsorientierung müsste mit bundeseinheitlichen Normwerten arbeiten, die das tatsächliche Leistungspotenzial der ambulant tätigen Ärzte in einer Region nicht mehr berücksichtigt.
Es gebe, so das IGES, keine "belastbaren Hinweise", dass die MGV in Sachsen-Anhalt gemessen an der tatsächlichen Versorgungsrolle des ambulanten Sektors zu niedrig bemessen ist.
Ambulanter Sektor ist schwach
Vielmehr sei dort die ambulante Versorgung - bezogen auf die Arztdichte und den Leistungsbedarf pro Versicherten - im Vergleich zum Bundesdurchschnitt niedrig. Die Bedeutung des stationären Sektors sei hingegen höher als in anderen Regionen; die Bettendichte liegt in Sachsen-Anhalt um 15,5 Prozent über dem Bundesschnitt.
Die unterdurchschnittliche MGV pro Versicherten entspreche insofern der unterdurchschnittlichen Rolle der ambulant tätigen Ärzte in dieser KV-Region, so das Institut.
Vertragsärzte in eher strukturschwachen Regionen würden schon bisher "weit überdurchschnittliche GKV-Honorarumsätze erzielen". So sei die MGV in Sachsen-Anhalt zwischen 2008 und 2012 um 34 Prozent gestiegen, in 15 weiteren KVen hingegen nur um 15 Prozent .
Insgesamt sei das vom Gesetzgeber beabsichtigte Ziel, Vertragsärzte vom Risiko steigenden Behandlungsbedarfs in Folge der demografischen Entwicklung zu befreien, "dem Grundsatz nach erreicht", heißt es im Gutachten.
Der Vorschlag, die MGV auf der Basis von Messungen der Morbiditätsstruktur zu bestimmen, würde nach Ansicht des IGES nicht nur einen ordnungspolitischen Bruch zur Folge haben. Die Ergebnisse solcher Messungen seien zudem stark von der gewählten Methodik abhängig - und entsprechend konfliktträchtig.
Zudem könne keine Rede davon sein, der Gesetzgeber habe gefordert, der vereinbarte Behandlungsbedarf müsse der Morbiditätsstruktur der Versicherten "entsprechen". Im Gesetz wird in Paragraf 87a Absatz 3 Satz 2 SGB V lediglich verlangt, dass der mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten "verbundene Behandlungsbedarf" vereinbart wird.
Auch das Argument, eine höhere Vergütung pro Versicherten könnte strukturschwache Regionen für niederlassungswillige Ärzte attraktiver machen, greift nach Darstellung der Gutachter nicht. Vergütungsanreize reichten offenbar nicht aus, um die Nachwuchsprobleme in diesen KV-Regionen zu beheben.
Zur Erinnerung: Die Erfahrungen mit der Angleichung der Gesamtvergütung sind alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Nach dem GKV-Finanzierungsgesetz von 2010 sollte der Bewertungsausschuss ein Konzept für eine schrittweise Vergütungskonvergenz vorlegen. Für das Jahr 2011 wurde diese asymmetrische Verteilung dann auch umgesetzt.
Damals profitierte Sachsen-Anhalt mit am stärksten. Mit dem Versorgungsstrukturgesetz ist die Konvergenzregelung dann wieder vom Gesetzgeber kassiert worden - es gab kein konsensfähiges Konzept des Bewertungsausschusses.