Gutachter
Gutes Zeugnis für deutsches Transplantationssystem
Trotz der Manipulationsskandale an Transplantationszentren in Deutschland hat ein Gutachter am komplexen deutschen Transplantationssystem nur wenig auszusetzen.
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Eine Spenderniere wird für den Transport vorbereitet. Ein Rechtsgutachten sieht wenig Probleme im deutschen Transplantationswesen.
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BERLIN. Ein im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums erstelltes Rechtsgutachten stellt der aktuellen Fassung des Transplantationsgesetzes ein überwiegend gutes Zeugnis aus.
Der Regelungsmix aus staatlichen Vorgaben und selbstregulativen Elementen besitze spezifische Vorteile, schreibt Gutachter Professor Steffen Augsberg, der an der Justus-Liebig-Universität in Gießen Öffentliches Recht lehrt.
"Ein derartiges, private und staatliche Handlungsbeiträge verschränkendes Vorgehen passt sich (...) in das Kalkül moderner Staatsaufgabenwahrnehmung ein", heißt es. Solche Lösungen ergänzten zunehmend die traditionellen Steuerungsformen des Staatshandelns.
Gutachter: Privat und Staat geht gut
Weil das Transplantationsgesetz die schon zuvor bestehenden Institutionen privater Selbstregulierung - gemeint sind die Bundesärztekammer, die Deutsche Stiftung Organtransplantation und Eurotransplant - überforme und integriere, sei dieses Vorgehen auch besonders gerechtfertigt.
Auch deshalb, weil private Standards in einer komplexen, sich verwissenschaftlichenden und auf Expertenwissen angewiesenen Steuerungsumgebung wie dem Transplantationswesen sich als weniger problematisch erwiesen als selbst flexible untergesetzliche Normgebung.
Zudem sorge das Einbeziehen der konkreten Expertenperspektive dafür, die Akzeptanz des Gesetzes bei den Ärzten zu erhöhen. Die staatlichen Aufsichts- und Rechtsschutzstrukturen im Transplantationswesen bezeichnet Augsberg als "allenfalls rudimentär ausgeformt".
Deshalb sei die Prüfungs- und Überwachungskommission bei der Bundesärztekammer von "zentraler Bedeutung für die Kontrolle der im Transplantationssystem agierenden Institutionen und Personen".
In das Gutachten noch nicht einbezogen sind die derzeit laufenden Gerichtsverfahren zu den Manipulationen an mehreren Transplantationszentren in Deutschland.
Bedenken von Patientenschützern
Verfassungsrechtlich hochbedenkliche Strukturen hat hingegen der Kölner Staatsrechtler und Mitglied des deutschen Ethikrates Professor Wolfram Höfling im System im Transplantationsrecht ausgemacht. Es fehle an einer effektiven Aufsicht über die beteiligten privatrechtlichen Organisationen.
Diesen Gedanken haben Patientenschützer aufgegriffen. Die Transplantationspolitik berühre die Rechtsgüter "Würde" und "Leben".
Den nicht rechtsfähigen Verein Bundesärztekammer mit der Richtlinienkompetenz im Transplantationswesen beliehen zu haben, verstoße somit gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz des Grundgesetzes, führte die Deutsche Stiftung Patientenschutz im Juni 2013 in einer Stellungnahme zu einem Gesetz aus, das die von der BÄK erarbeiteten Richtlinien unter einen Genehmigungsvorbehalt des Bundesgesundheitsministeriums stellt. Zudem sei die BÄK gleichzeitig auch Aufsichtsgremium.
Das halten die Patientenschützer für wenig vertrauensbildend: "Der Staat muss die entscheidenden Kriterien zur Wartelistenführung, Todesfeststellung und Allokation selbst festlegen", fordern sie. Koordination, Verteilung und Aufsicht müssten in staatlicher Hand sein.