Notfallreform
Hausärzte kritisieren INZ-Pläne
Die Notfallreform soll das Prinzip „ambulant vor stationär“ stärken. Doch die Hausärzte finden die Pläne zu unausgegoren. Sie warnen vor einem zusätzlich gemachten Ärztemangel – und fordern das Dispensierrecht.
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Erst gar nicht in die Notaufnahme? Das soll mit der Reform gelingen.
© Friso Gentsch / dpa
Berlin. Die Hausärzte haben sich in weiten Teilen kritisch zur geplanten Notfallreform geäußert. Vor allem an den Regelungen für die geplanten Integrierten Notfallzentren (INZ) lassen sie kaum ein gutes Haar.
Sowohl die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) als auch der Deutsche Hausärzteverband fürchten, die INZ könnten zu einer „zusätzlichen Anlaufstelle“ für Patienten parallel zu den Arztpraxen werden.
Der Hausärzteverband warnt, durch die parallele Versorgung mit den INZ während der Praxisöffnungszeiten würden die Patienten aus den Praxen dorthin „weggesteuert“. Und mit den „Doppelstrukturen“ würde „zusätzlicher Kosten- und Fachpersonalaufwand“ entstehen, heißt es in der Stellungnahme der DEGAM.
Patienten sollten beteiligt werden
Grundsätzlich begrüßt die Fachgesellschaft allerdings das Prinzip „ambulant vor stationär“ und die „klare Beauftragung der Niedergelassenen mit der Organisation des Notdienstes“.
Im Referentenentwurf vermisst die DEGAM hingegen eine „Notdienst-Kontaktgebühr bei ungesteuerter Inanspruchnahme“ der INZ. Nur durch „finanzielle Beteiligung der Patienten ist eine effektive Steuerung umsetzbar“, heißt es.
Auch der Sachverständigenrat Gesundheit (SVR) hatte 2018 angedeutet, dass eine solche Gebühr eine Ultima ratio zur Patientensteuerung sein könnte. Weder der SVR damals noch die DEGAM jetzt nannten jedoch einen Vorschlag für eine mögliche Höhe dieser Gebühr.
Tausende Hausärzte aus Praxen abgezogen?
Zur Erinnerung: Im Referentenentwurf für die Reform der Notfallversorgung ist vorgesehen, dass „an“ Krankenhäusern INZ eingerichtet werden sollen. Sie sollen gemeinsam von Kliniken und KVen betrieben werden, jedoch unter fachlicher Aufsicht der jeweiligen KV stehen.
Dort sollen den Plänen zufolge Patienten ohne akute Erkrankungen triagiert und wieder in die ambulante Versorgungsebene überführt werden. Für Montag (17. Februar) sind die Verbände zu einer Fachanhörung ins Bundesgesundheitsministerium eingeladen.
Würden die INZ rund um die Uhr betrieben werden, warnt die DEGAM, wären bis zehn Prozent (rund 5000) der Hausärzte in Deutschland in diese Ambulanzen eingebunden. Auch der Hausärzteverband meint, ein „‚Abzug‘ von Hausärzten ... aus den eigenen Praxen ... kann kaum gewollt und sinnvoll sein“.
Für die DEGAM sollten die INZ daher nur an Kliniken der Maximalversorgung etabliert werden, die über eine 24 Stunden besetzte Notaufnahme verfügen.
Mit dem Rettungsdienst direkt zum Hausarzt
Ohnehin fänden es die Allgemeinmediziner besser, würde der Rettungsdienst künftig Patienten etwa mit Bagatellerkrankungen direkt zum Hausarzt bringen. Die DEGAM verweist dazu explizit auf das Partnerpraxen-Modell der KV Hessen. Auch in Köln sind Partnerpraxen an die Rettungsleitstelle angeschlossen.
Denkbar wäre für die DEGAM auch, dass Hausärzte künftig etwa über das IVENA-System (Interdisziplinärer Versorgungsnachweis), das Kliniken heute schon zum Bettennachweis einsetzen, freie Kapazitäten melden.
Allerdings müsste dafür der Rettungsdiensteinsatz auch dann vergütet werden, wenn der Rettungsfahrt nicht in der Klinik endet – wie es heute der Fall ist. Diese Änderung ist im Referentenentwurf allerdings vorgesehen.
Dispensierrecht für INZ-Ärzte
Sowohl Hausärzteverband als auch DEGAM fordern für die Ärzte in den INZ außerdem ein Dispensierrecht, also das Recht, Arzneimittel abgeben zu dürfen, was heute Apothekern vorbehalten ist.
Das halten sie deswegen für nötig, um Patienten zusätzliche Anfahrtswege zu ersparen, wie es in der Stellungnahme des Hausärzteverbands heißt.
Auch solle geprüft werden, ob die Ärzte dafür auf die Krankenhausapotheke zugreifen können. Für die DEGAM wäre eine Alternative zum Dispensierrecht, dass sich in „unmittelbarer Nachbarschaft“ zu den INZ „Notapotheken“ befinden müssen.