Brandbriefe an Politiker
Hausärzte laufen Sturm gegen Aus für Tele-AU
Der GBA-Beschluss vom Freitag, die Telefon-AU nicht zu verlängern, bringt die Hausärzte auf die Palme. Sie werten dies als Angriff auf die Gesundheit von Ärzten und MFA. Ihr Widerstand hat den GBA erneut ins Grübeln gebracht.
Veröffentlicht:Berlin. Hausärzte haben die Rücknahme der Möglichkeit der Tele-AU scharf kritisiert. Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) von Freitag habe unter seinen Kollegen „blankes Entsetzen“ hervorgerufen, schreibt der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, in einem Brief an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Wenn es stimme, dass der Beschluss gegen die Ärztebank im GBA und auf Druck der Arbeitgeberverbände sowie des Verwaltungsrats des GKV-Spitzenverbands hin initiiert worden sei, halte er den Vorgang „für einen Skandal“, schreibt Weigeldt.
Der Widerstand der Hausärzte hat den GBA erneut ins Grübeln gebracht. Am Montag ruderte das Gremium zurück und setzte einen neuen Sitzungstermin an.
GBA rudert zurück
Tele-AU vorerst weiterhin möglich
MEDI GENO-Chef Baumgärtner: „Fast schon kriminell“
Auch MEDI GENO Deutschland hatte die GBA-Entscheidung von Freitag heftig kritisiert. „Diese Beschlussfassung des GBA gegen die Stimmen der Ärzteschaft ist ein Angriff auf die Gesundheit der Ärztinnen, Ärzte und MFA und in der jetzigen Situation fast kriminell“, sagte Vorstandsvorsitzender Dr. Werner Baumgärtner.
Es gebe nach wie vor keine validen Zahlen und Stichproben zu symptomfreien infizierten Menschen und auch zu wenige Tests und Schutzmasken, so Baumgärtner. „In dieser Situation zwingt man Menschen mit Bagatellerkrankungen in unsere Praxen, die uns und unsere MFA gefährden.“
Der Berufsverband Deutscher Internisten sprach in einer Pressemitteilung am Montag davon, dass die Entscheidung an „Körperverletzung grenze“. Bei anhaltender Unterversorgung mit Schutzausrüstung, sei dies praktisch unmöglich umzusetzen.
Weigeldt: Überstürztes Verfahren
Spahn habe die Leistung der Hausärzte zuletzt als „wesentlichen Beitrag zur Vermeidung eines schwereren Verlaufes der Corona-Pandemie gewürdigt“, heißt es in dem „Ärzte Zeitung“ vorliegenden Brief Weigeldts.
„Wenn jetzt allerdings in einem zudem völlig überstürzten Verfahren bekannt gegeben wird, dass alle Patienten für die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wieder die Praxen aufsuchen sollen, wird alles, was bis jetzt an Infektionsvermeidung gelungen ist, ad absurdum geführt“, warnt der Hausärzte-Chef.
Der GBA hatte vergangene Woche beschlossen, die wegen der Corona-Pandemie geschaffene Sonderregelung zur telefonischen AU zum 20. April auslaufen zu lassen. Ärzte dürfen Erkrankte ab sofort wieder nur nach persönlichem Kontakt krankschreiben. Aus dem Bundesgesundheitsministerium hatte es geheißen, es handele sich um eine „Entscheidung der Selbstverwaltung“.
Große Angst vor Ansteckung
Die Ausnahmeregelung habe geholfen, in den Praxen den Kontakt zu möglicherweise Corona-Infizierten zu vermeiden und so sowohl die Praxen in der Versorgung zu halten als auch die übrigen Patienten zu schützen, betont Weigeldt in seinem Brief an Spahn.
Viele der normalen Patienten hätten sich im Zuge des „Lockdowns“ aus Angst vor Ansteckung mit SARS-CoV-2 nicht in die Praxen getraut. Hausärzte hätten daher Wege gefunden, Patienten mit Infekten aus den Praxen für die Zeit der Pandemie herauszuhalten. Erst wenn alle Praxen ausreichend Schutzkleidung und Desinfektionsmittel hätten, könne man die Ausnahmeregelung neu bewerten.
Schutzwall bekommt „Risse“
Auch der Hausärzteverband Mecklenburg-Vorpommern rief Spahn und die Landesregierung in Schwerin auf, ihren Einfluss geltend zu machen und den Beschluss zu beanstanden. Die GBA-Entscheidung gefährde die „Stabilität des ambulanten Schutzwalls“ gegen COVID-19.
Der Hausärzte-Chef in Baden-Württemberg, Dr. Berthold Dietsche, nannte die Entscheidung eine „vollkommen unverständliche und gesundheitsgefährdende Entscheidung für die Kranken und die Praxen“.
Krankschreibung
Massiver Protest gegen GBA-Beschluss zu Tele-AU
GBA – „größte Gefahr in der Pandemiebekämpfung“
Mit seinem „Nein“ gegen die Fortführung der Telefon-AU werde der GBA „zur derzeit größten Gefahr in der Pandemiebekämpfung“, heißt es in einem Schreiben der Vorsitzenden des Hausärzteverbands Rheinland-Pfalz, Dr. Barbara Römer, an Landesgesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD). Der GBA-Beschluss führe zu Rissen im ambulanten Schutzwall gegen Corona.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, sprach von einer „Rolle rückwärts bei der Kontaktvermeidung“. Die Entscheidung gefährde Patienten sowie Ärzte und Personal in den Praxen.
Spahn argumentiert pro Arzt-Patienten-Kontakt
Nach der massiven Kritik am GBA-Beschluss kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in einer ersten Reaktion am Montag in Berlin Gespräche mit den Ärzten und dem GBA an: „Wir werden das mit der Selbstverwaltung besprechen.“
Spahn betonte, dass er es wichtig finde, dass Menschen mit Symptomen nicht nur aus der Ferne begutachtet würden. Wenn der Hausärzteverband nun davor warne, dass Patienten sich nicht in die Praxen trauen könnten, wenn sich dort auch COVID-19 Patientenkrankschreiben lassen wollten, sei dies folgerichtig.
Auch im niedergelassenen Bereich sollten die Behandlungspfade von COVID-19 Patienten von denen mit anderen Beschwerden getrennt werden. Im „Lichte dieser Debatte“ werde er das Gespräch mit der Selbstverwaltung suchen.
GBA hat gegen Ärzte entschieden
Die Entscheidung im GBA sei nicht einstimmig gefallen, es habe zwei unterschiedlich argumentierende Blöcke gegeben, bestätigte Spahn. Tatsächlich soll der Beschluss gegen die Stimmen der Vertragsärzte und –zahnärzte sowie der DKG gefallen sein. Kolportiert wird, Arbeitgeberverbände und die Politik hätten Druck auf den GBA ausgeübt.
Das Gesundheitsministerium hat die Möglichkeit, Beschlüsse des GBA zu beanstanden. Ob er zu diesem Mittel greifen könne, sei nicht klar, sagte Spahn. Schließlich handele es sich um einen „Nichtbeschluss“ des Gremiums. (Mitarbeit: af)