Überraschende Änderung am VSG
Heckens Amtszeit bleibt befristet - vorerst
Eigentlich wollte die Koalition die Amtszeit von GBA-Chef Josef Hecken optional über 2018 hinaus verlängern - doch jetzt wurde der Passus überraschend gestrichen. Am Donnerstag macht der Bundestag beim Versorgungsstärkungsgesetz den Deckel drauf.
Veröffentlicht:BERLIN. Überraschung auf der Zielgeraden: Kurz vor der Verabschiedung des Versorgungsstärkungsgesetzes (VSG) durch den Bundestag am Donnerstagnachmittag ist eine wesentliche Änderung verschwunden.
Der Bundestag wird das Gesetz ohne die Entfristung der Amtszeit des unparteiischen GBA-Vorsitzenden Josef Hecken beschließen. Das haben Vertreter der Koalition der "Ärzte Zeitung" am Mittwoch bestätigt.
Wörtlich hieß es: "Das Versorgungsstärkungsgesetz wird ohne die Entfristungsregelungen beschlossen." Mit Verweis auf die Vertraulichkeit der Beratungen wurde der Beschluss der Koalition nicht begründet.
Hecken wollte am Mittwoch keine Stellungnahme abgeben. Er hatte sich allerdings auch nicht öffentlich dazu geäußert, als ihn die Koalition mit mehr Macht hatte ausstatten wollen.
Die Amtszeit Heckens wird bislang durch das Sozialgesetzbuch V auf sechs Jahre begrenzt und würde am 1. Juli 2018 enden. Gleiches gilt für die weiteren unparteiischen Mitglieder Dr. Regina Klakow-Franck und Dr. Harald Deisler.
Wiedervorlage im Präventionsgesetz
Was das VSG bringt
Terminservicestellen: Damit wird eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag eingelöst, mit dem unterschiedliche Wartezeiten auf einen Facharzttermin bei GKV- und PKV-Patienten verringert werden sollen.
Aufkaufregelung: Statt – wie noch im Regierungsentwurf – ab einem rechnerischen Versorgungsgrad von 110 wird erst ab 140 Prozent die „Kann“-Regelung zu einer „Soll“-Regelung: Nämlich, dass dann ein Antrag auf Nachbesetzung eines Arztsitzes bei Stimmengleichheit im Zulassungsausschuss als abgelehnt gilt.
Schaffung eines Innovationsfonds
Bundesweite Angleichung der Höhe der morbiditätsorientierten Gesamtvergütungen
Es gibt allerdings deutliche Signale, dass die Koalition die Pläne nicht vollständig aufgegeben hat, den unparteiischen Vorsitzenden und die unparteiischen Mitglieder im GBA zu stärken. Ein neuer Anlauf könnte im Präventionsgesetz erfolgen.
Im Regierungsentwurf des VSG findet sich die Aufwertung der Ämter im GBA noch nicht. Erst im parlamentarischen Verfahren hatten sich die Koalitionäre im Mai in einer neunstündigen Mammutsitzung auf ein großes Paket an Änderungsanträgen verständigt. Dazu zählten außer der Entfristung der Amtszeiten der Unparteiischen im GBA auch erweiterte Kompetenzen, zum Beispiel zur Straffung der Verfahren im GBA.
Gleichzeitig wollten die Koalitionäre den unparteiischen Vorsitzenden verpflichten, den Bundestag regelmäßig zum Stand der Arbeitsaufträge zu unterrichten. Thema sollte dabei auch die Einhaltung von Fristen beziehungsweise Begründungen für das Nichteinhalten sein.
Diese Änderungen hatten bis Dienstagabend Bestand. Dann kippten die Koalitionäre alle geplanten Regelungen zum Paragrafen 91 SGB V aus dem Programm.
57 Anträge auf einen Schlag
Am Mittwoch machte die große Koalition im Gesundheitsausschuss dann klar Schiff für das VSG. Die 57 Änderungsanträge wurden alle mit Mehrheit von SPD und Union beschlossen. Die Linksfraktion enthielt sich bei der Abstimmung über das Gesamtpaket, die Grünen stimmten dagegen. Zu den Änderungen, die noch auf den letzten Metern der parlamentarischen Beratung eingefügt wurden, gehören:
Terminservicestellen: Die Koalition schafft zusätzliche Möglichkeiten für die KVen, der künftigen gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, Terminservicestellen einzurichten. Neu im VSG ist, dass die KBV die Kassenärztlichen Vereinigungen durch eine Struktur für ein elektronisch gestütztes Wartezeitenmanagement bei der Terminvermittlung unterstützen kann.
Die Terminservicestellen ließen sich organisatorisch verschieden einrichten, hieß es dazu aus der KBV. In den Regionen werde es unterschiedliche Lösungen geben. Das könnten telefonische Vermittlungen, aber auch Mischorganisationen aus elektronischer Datenverarbeitung, Telefon und anderen Medien sein. Die KBV habe über ihre Tochter KV-Telematik GmbH eine elektronische Lösung erarbeitet, die die KVen nutzen könnten, aber nicht müssten, sagte KBV-Sprecher Roland Stahl der "Ärzte Zeitung". Der Gesetzgeber hat den KVen ohnehin schon den Weg geöffnet, sich passende Lösungen auch von anderen Anbietern schneidern zu lassen.
Telemedizin ist eine Option
Zweitmeinung: Der GBA, lautet eine neue Einfügung, soll die Möglichkeit berücksichtigen, die Zweitmeinung telemedizinisch vorzunehmen. Der GBA kann danach bei den Festlegungen zur Zweitmeinung indikationsbezogen entscheiden, ob eine körperliche Untersuchung durch den Zweitmeinungsarzt erforderlich ist oder ob dies auch via Telemedizin möglich ist. Letzteres kann etwa dann in Betracht kommen, wenn es um eine reine Zweitbegutachtung von Befundunterlagen geht.
Zu den Änderungen der Berichterstatter, die am Mittwoch mit Koalitionsmehrheit im Ausschuss verabschiedet wurden, zählen auch:
Modellvorhaben Ergotherapie: Wie schon bei Physiotherapeuten können Krankenkassen abweichend von den Vorgaben des GBA, vorsehen, dass Ergotherapeuten selbst über Auswahl und Dauer der ärztlich verordneten Therapie entscheiden. Ein entsprechender Vorstoß aus der Union hatte kürzlich für Verärgerung bei vielen Ärzten gesorgt.
Langfristiger Heilmittelbedarf: Die Koalition hat die Spielräume des GBA klar gestellt: Dieser soll in einer Richtlinie anhand konkreter Kriterien bestimmen, wann ein langfristiger Heilmittelbedarf anzunehmen ist. Dies könne etwa in Form einer Diagnoseliste erfolgen, heißt es.