Vorteil nur für Sitagliptin

IQWiG räumt bei Gliptinen auf

Bei einer ersten Nutzenbewertung im Bestandsmarkt nach AMNOG-Regeln hat das IQWiG für die Gruppe der DPP-4-Hemmer überwiegend den Daumen gesenkt. Lediglich für Sitagliptin sieht es in Teilindikationen einen Zusatznutzen. Jetzt liegt der Ball beim GBA, der über den Zusatznutzen entscheidet.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Beim Therapieziel normnaher Blutzuckersenkung hat Sitagliptin einen Vorteil.

Beim Therapieziel normnaher Blutzuckersenkung hat Sitagliptin einen Vorteil.

© M&S Fotodesign / fotolia.com

KÖLN. Gemäß einem Auftrag des GBA hat das IQWiG in den vergangenen Monaten die Gruppe der DPP-4-Hemmer auf ihren Zusatznutzen bewertet, entweder als Monopräparat oder als feste Kombination mit Metformin: Vildagliptin und Vildagliptin/Metformin, Sitagliptin und Sitagliptin/Metformin sowie Saxagliptin.

Diese Arzneimittel waren zwischen 2007 und 2009 zugelassen worden.

Einzig für Sitagliptin vermochte das IQWiG Anhaltspunkte für einen geringen Zusatznutzen im Vergleich zu Sulfonylharnstoffen erkennen, wenn normnahe Blutzuckerwerte das Therapieziel sind.

Im Vergleich zu dem in Deutschland nicht zugelassenen Sulfonylharnstoff Glipizid ist der Zusatznutzen bei Männern sogar erheblich, bei Frauen allerdings nicht quantifizierbar.

Studienlage unbefriedigend

Mit Ausnahme von Sitagliptin als Monopräparat lasse sich aus den vorgelegten Studiendaten für keines der Gliptine ein Zusatznutzen ableiten, so das IQWiG. Viele der bisher durchgeführten Studien sind nach Auffassung des Instituts nicht geeignet, Antworten zum Zusatznutzen zu geben.

Dafür sieht das IQWiG mehrere Gründe: Für einige Indikationen hätten die Hersteller selbst keine Daten im Dossier vorlegen können, weil es keine entsprechenden Studien gebe.

Dies gelte etwa für Sitagliptin und Vildagliptin jeweils in Kombination mit einem Sulfonylharnstoff. In anderen Fällen hätten die Hersteller Studien vorgelegt, in denen nicht die interessierende Patientengruppe untersucht worden sei.

Studien seien teilweise auch deshalb ungeeignet, weil die Arzneimittel in der Vergleichsgruppe nicht so eingesetzt wurden, wie dies die Fachinformation vorsieht. Die Vergleichsmedikamente seien teilweise überdosiert, teilweise sei die Dosis zu schnell erhöht worden.

Damit seien Nebenwirkungen riskiert worden, die die Vergleichstherapie benachteiligt hätten. Es seien inhaltliche, also nicht bloß formale Argumente, betont das IQWiG, mit Blick auf die Ablehnung solcher Daten für den Nachweis des Zusatznutzens einer innovativen Therapie.

Anerkannt hat das IQWiG eine Studie, in der die Kombination Sitagliptin/Metformin gegen Glimepirid/ und Metformin getestet wurde: In den meisten Endpunkten habe sich kein relevanter Unterschied gezeigt.

Einheitliches Bild bei Nebenwirkungen

Bei den Nebenwirkungen sei das Bild uneinheitlich: Einerseits traten nicht schwere Hypoglykämien unter Sitagliptin seltener auf, andererseits brachen Teilnehmer in diesem Studienarm häufiger die Therapie wegen Nebenwirkungen ab.

In der Bilanz wertet das IQWiG dies als einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen, wenn das Therapieziel eine normnahe Blutzuckersenkung ist.

Im Vergleich zu dem in Deutschland nicht zugelassenen Sulfonylharnstoff Glipizid sei Sitagliptin in der Kombination mit Metformin überlegen.

In der Glipzid-Gruppe traten acht Todesfälle auf, in der Sitagliptin-Gruppe nur einer (alles Männer). Geschlechtsunabhängig waren unter Sitagliptin schwere und symptomatische Hypoglykämien seltener.

In der Gesamtbilanz der IQWiG-Beurteilung über die Gliptine steht der Bundesausschuss vor einer schwierigen Entscheidung.

Wird kein Zusatznutzen im Vergleich zu einer alten generischen Therapie anerkannt, dann könnte die Linagliptin-Entscheidung ein Präjudiz sein. Der Generika-Preis würde dann zum unverrückbaren Maßstab.

Die IQWiG-Empfehlungen an den GBA im Überblick

Substanz/IndikationNutzenkategorie

Sitagliptin

Monotherapiekein Zusatznutzen

Add on zu Metformina) vs. Glimepirid u. Metformin: geringer ZN bei Therapieziel normnahe BZ-Einstellung

b) vs. Glipizid u. Metformin: erheblicher ZN für Männer, nicht-quantifizierbarer ZN (höchstens beträchtlich) für Frauen, jeweils bei Therapieziel normnahe BZ-Einstellung

Add on zu SU*kein Zusatznutzen

Add on zu Metformin u. SU*kein Zusatznutzen

Add on zu Insulin +/- Metforminkein Zusatznutzen

Sitagliptin/Metformin

Add on zu Metforminkein Zusatznutzen

Add on zu Metformin u. SU*kein Zusatznutzen

Add on zu Insulin +/- Metforminkein Zusatznutzen

Saxagliptin

Add on zu Metforminkein Zusatznutzen

Add on zu SU*kein Zusatznutzen

Add on zu Metformin u. SU*kein Zusatznutzen

Add on zu Insulin +/- Metforminkein Zusatznutzen

Saxagliptin/Metformin

Add on zu Metformin u. SU*kein Zusatznutzen

Vildagliptin

Monotherapiekein Zusatznutzen

Add on zu Metforminkein Zusatznutzen

Add on zu SU*kein Zusatznutzen

Add on zu Metformin u. SU*kein Zusatznutzen

Add on zu Insulin +/- Metforminkein Zusatznutzen

Vildagliptin/Metformin

Add on zu Metforminkein Zuatznutzen

Add on zu Metformin u. Insulinkein Zusatznutzen

Add on zu Insulin +/- Metforminkein Zusatznutzen

*SU = Sulfonylharnstoff, Tabelle: Ärzte Zeitung

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Kommentare
Reinhard Rodiger 05.07.201311:37 Uhr

Unverantwortlich!!!

Das Ignorieren der schädigenden Wirkung überschiessender Hauptwirkungen (der SH)
ist unverantwortlich. Sind die Todesfälle bei Überdosierung vergessen? Was ist mit
der Risikoerhöhung durch erzwungenen Produktwechsel?
Ist all das gegenstandslos, weil es sich um schwer nachweisbare Schäden handelt also
meist nicht justiziabel ist ? Wegen Fehlverhalten der Patienten ist die Schuldfrage geklärt?
Wo bleibt der Schutz des Patienten?


Dr. Thomas Georg Schätzler 03.07.201322:44 Uhr

"Völlig losgelöst schwebt das IQWiG ... völlig schwerelos"

Den Grad der klinisch-diabetologischen Entrücktheit von IQWiG-Kolleginnen und -Kollegen erkennt man daran, dass bei einem seit 2007 mit BfArM-Zustimmung offiziell zugelassenen Sitagliptin-Präparat faktisch unmögliche 10-Jahres-Studien zur Morbiditäts- und Mortalitätsreduktion gefordert bzw. das Fehlen von "Daten zur Vermeidung von mikro- und makrovaskulären Folgekomplikationen bis heute" beklagt werden. Die TECOS-Studie wolle und könne man nicht bis 2014 abwarten.

Beim Satz, "das IQWiG habe im Vergleich zu Sulfonylharnstoff mit Metformin einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen, wenn das Therapieziel eine n o r m n a h e Blutzuckereinstellung ist", frage ich mich unwillkürlich, welche diabetologischen Therapieziele beim Typ-2-Diabetes das IQWiG denn a l t e r n a t i v formulieren möchte?

Etwa durch Sulfonylharnstoff-Monotherapie oder Kombination von Metformin u n d Sufonylharnstoffen die Rate möglicher Hypoglykämien maximal hochschnellen zu lassen?
Etwa weitgehend n o r m f e r n e Blutglucose-Einstellungen zu erreichen?
Etwa maximale Insulintherapie mit maximaler Gewichtszunahme und maximaler Insulinresistenz zu forcieren?
Oder etwa einen möglichst h o h e n HbA1c zu provozieren?

Das sollten wir uns auf der Zunge zergehen lassen: Selbst für die M o n o-Therapie mit Sitagliptin im Vergleich zu Sulfonylharnstoffen sieht das IQWiG keinen Zusatznutzen, obwohl seit der UKPDS-Studie fortlaufend ein Therapievorteil nur für Metfomin belegt ist. Sufonylharnstoffe hätten wegen ihres gefährlichen Nebenwirkungspotentials heute nicht mal die Chance auf eine Neuzulassung durch das BfArM.

Spätestens beim IQWiG-Vergleich von Sitagliptin/Sulfonylharnstoff mit Humaninsulin/Sulfonylharnstoff bzw. Sitagliptin/Metformin/Sulfonylharnstoff zu Humaninsulin/Metformin merkt man, dass die dortigen Diabetologie-Strategen das Inkretin-Konzept bzw. den Dipeptidyl-Peptidase-4-Hemmungsmechanismus noch gar nicht verstanden haben.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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