Brustkrebs

IQWiG stellt Entscheidungshilfe für Screening vor

Gehe ich zur Mammografie - oder nicht? Eine informierte Entscheidung fällt nicht allen Frauen leicht. Ein neues Anschreiben und Merkblatt sollen künftig helfen: Auch das Risiko der Überdiagnose wird darin thematisiert.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Mammografie-Screening: Für die Entscheidung dafür oder dagegen ist es wichtig, dass Frauen gut informiert sind.

Mammografie-Screening: Für die Entscheidung dafür oder dagegen ist es wichtig, dass Frauen gut informiert sind.

© Klaus Rose

KÖLN. Bei der Einladung zur Teilnahme am Mammografie-Screening werden Frauen künftig genauer über das Risiko einer Überdiagnose informiert. Die Aufklärung über das Thema soll Teil einer neuen schriftlichen Entscheidungshilfe für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren werden.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat am Freitag seinen Vorschlag für ein Einladungsschreiben und eine Entscheidungshilfe zum Mammografie-Screening veröffentlicht und zur Diskussion gestellt.

 Die Entscheidungshilfe ist die Weiterentwicklung des vom IQWiG erstellten Merkblatts, das der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) im Januar veröffentlicht hat (wir berichteten). Sie soll Frauen bei der Entscheidung für oder gegen eine Teilnahme an der Früh-Erkennungsuntersuchung unterstützen.

Viele Verständnissschwierigkeiten

Das Thema Überdiagnosen bekommt darin mehr Raum. "Wir haben festgestellt, dass es einer ausführlicheren Darstellung bedarf", sagt Dr. Klaus Koch, Leiter des Ressorts Gesundheitsinformation beim IQWiG, der "Ärzte Zeitung". Beim Test der Materialien durch Nutzerinnen und Experten ist deutlich geworden, dass viele Frauen Verständnisschwierigkeiten hatten und Überdiagnosen und falsch positive Befunde verwechseln.

Ein Beispiel soll künftig für mehr Klarheit sorgen: Eine 60-jährige Frau hat einen kleinen, sehr langsam wachsenden Tumor in der Brust, von dem sie ohne Screening nie etwas erfahren würde.

 Sie stirbt mit 80 an einer Herzerkrankung. "Die Früherkennung hätte ihre Lebenserwartung nicht verändert, aber zu unnötigen Behandlungen geführt", heißt es in der Entscheidungshilfe. Ergänzt werden die Ausführungen durch eine piktografische Darstellung.

Die statistischen Werte zu den Vor- und Nachteilen des Screenings beziehen sich im Merkblatt auf die Annahme, dass Frauen zehn Jahre an dem Programm teilnehmen. "Wir haben die Darstellung differenziert und in zwei Altersgruppen aufgeteilt", sagt Koch.

Die Information darüber, wie viele Frauen sterben oder eine Brustkrebsdiagnose erhalten, wenn 1000 Frauen zehn Jahre am Mammografie-Screening teilnehmen oder nicht teilnehmen, werden jetzt aufgeschlüsselt in die Altersgruppen 50 bis 59 und 60 bis 69.

Beratungscharakter unterstreichen

Neu ist auch eine Tabelle am Ende der Entscheidungshilfe. Dort können die Frauen die Bedeutung der Pro- und Contra-Argumente für sich durch Ankreuzen einordnen. Außerdem haben sie Platz, um Fragen für das Gespräch mit dem Arzt zu notieren - sei es der behandelnde Arzt, sei es ein Arzt aus dem Screening-Programm.

Der GBA hat beschlossen, dass im Einladungsschreiben künftig auf die Möglichkeit hingewiesen wird, ein Aufklärungsgespräch mit einem Arzt aus der Screening-Einheit zu vereinbaren. Nehmen die Frauen das Angebot nicht wahr, sollen sie eine Verzichtserklärung unterschreiben.

Während der GBA es für notwendig hält, den Terminvorschlag für die Untersuchung auf der ersten Seite der Einladung zu platzieren, hält das IQWiG die zweite Seite für geeigneter. "Primäres Ziel der Materialien ist die Förderung einer informierten Entscheidung", heißt es im Vorbericht.

 Deshalb müsse im Schreiben zunächst der Angebotscharakter der Einladung betont und auf die Entscheidungshilfe hingewiesen werden. "Der Terminvorschlag wird erst nach der Entscheidung relevant, und auch nur für die Frauen, die sich für die Teilnahme entscheiden."

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 08.03.201610:52 Uhr

@Cordula Mühr, was wollen Sie bitte damit sagen? Sie verharmlosen den häufigsten Krebs der Frau!

Unterstellen Sie den behandelnden Ärzten im Jahre 2016 fehlende Aufklärung über Maßnahmen die man empfiehlt??? Fehlende Aufklärung und fehlende wirksame Einverständniserklärung?
Oder glauben Sie ernsthaft, dass schlimmstenfalls eine Mamma-PE schwerer wiegt, als ein übersehener bösartiger Tumor?
Als Richter, weil Sie von Patientenrechten gesprochen haben, würde ich im Sinne des Patienten das Merkblatt des IQWiG u n d des GBA jedenfalls als grob fehlerhaft und deshalb gesetzwidrig beurteilen.
Darum geht es.

Cordula Mühr 07.03.201620:31 Uhr

Überdiagnose ist nicht Fehldiagnose / Übertherapie ist nicht Behandlungsfehler

Geehrter Kollege Bayerl,
unter "Überdiagnose" im Zusammenhang mit Screening-Untersuchungen ist die Entdeckung eines Tumors zu verstehen, der Zeit des Lebens der Trägerin/des Trägers ohne Screening entweder gar nicht bemerkt worden wäre bzw. keinerlei Einfluss auf die Lebenserwartung hat. Die Folge einer Überdiagnose ist - aus Sicht der/des Betroffenen - also eine überflüssige Ängstigung durch eine Krebsdiagnose, mit nicht zu unterschätzendem Einfluss auf die Lebensqualität.
Die "Übertherapie" ist eine Behandlung - also z.B. eine Chemotherapie oder Operation - eines Tumors, der zeitlebens ohne Screening weder bemerkt worden wäre noch der Trägerin/dem Träger Probleme gemacht hätte. Die Folge einer Übertherapie sind - aus Sicht der /des Betroffenen - also überflüssige OP-Folgen und Behandlungs-Nebenwirkungen.
Beides ist scharf abzugrenzen von einer "Fehldiagnose" bzw. einem "Behandlungsfehler".

Dr. Thomas Georg Schätzler 07.03.201619:17 Uhr

"Screening or not Screening" - ist das die Frage?

Um es rundheraus zu sagen: Neues Anschreiben und Merkblatt des IQWiG u n d des GBA lesen sich wie ein "Handbuch der populären medizinischen Irrtümer", und das hier bemühte "Einmaleins der Skepsis" von Prof. Gerd Gigerenzer beweist einmal mehr Medizin-Bildungsferne. Diese Entscheidungshilfe soll eine Weiterentwicklung des vom IQWiG erstellten Merkblatts sein, das der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) im Januar 2016 veröffentlicht hatte.

Bereits der Titel des immerhin 16-seitigen Merkblatts "Informationen zum MAMMOGRAPHIESCREENING - Programm zur Früherkennung von Brustkrebs für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren" ist formal und inhaltlich unsinnig. Brustkrebs ist die häufigste Malignom-Todesursache bei Frauen weltweit in allen Industrie-Ländern mit hoher Lebenserwartung (Ausnahme aus genetischen Gründen: Japan). Es gehört gender-spezifische, medizinische Einfalt dazu, die Altersgruppe unter 50 und über 69 Jahre bei der Früherkennung des Mammakarzinoms alternativlos auszuschließen.

Mit dem für Ratsuchende unverständlich anglizierenden, saloppen "Screening" ("to screen", engl. "etwas auf den Bildschirm bringen"), das hier vorsorgemedizinisch als Suche nach Krankheiten in einer definierten Bevölkerungsgruppe gemeint ist, versteckt sich das IQWiG vor einer zwingend notwendigen Abgrenzung zwischen Vorsorge (Prävention) und Früherkennung. Und dies ist keinesfalls semantische Spitzfindigkeit. Das IQWIG- Merkblatt stellt auf Seite 6 fest: "Etwa 970 von 1000 Frauen erhalten nach der Untersuchung einen unauffälligen Befund."

Abgesehen von der für Laien nur in anderen Bereichen üblichen Promille-Rechnung, fährt das IQWiG/GBA auf Seite 7 fort: "Nach zwei Jahren erhalten diese Frauen erneut eine Einladung zur Mammographie". Damit ist jedoch die Mammografie für 97% der Frauen als rein präventive Vorsorgeuntersuchung abgeschlossen, denn sie haben nach medizinisch möglicher Testgenauigkeit keinen Tumor ("free of tumor"). Bei Ihnen ist die Wahrscheinlichkeit einer primären Tumordetektion 2 Jahre später deutlich geringer, als in der Gesamtpopulation möglicherweise prämorbider Frauen vom 40. bis 90. Lebensjahr mit altersabhängig steigender Inzidenz und Prävalenz.

"30 Frauen werden zu weiteren Untersuchungen eingeladen" heißt es in der IQWiG-Promille-Rechnung; "24 Frauen haben keinen Brustkrebs" und "6 Frauen erhalten die Diagnose Brustkrebs" (Seite 7). Nur und ausschließlich bei diesen 6 Frauen, also bei 0,6 Prozent, greift das "MAMMOGRAPHIESCREENING" nicht mehr als präventive Vorsorgeuntersuchung, sondern als Krebs-Früherkennung. Deshalb ist auch der IQWiG/GBA-Satz für die Teilnehmerinnen irreführend und diskriminierend "Wichtig zu wissen: Die Mammographie kann nicht verhindern, dass Brustkrebs entsteht." Denn dieser unterstellt der praktischen Lebenserfahrung einer Nichtbetroffenheit in 99,4 Prozent die Einfalt, dass der Brustkrebs damit gar nicht erst entstehen könne (Ergebnis einer nicht repräsentativen Suggestiv-Befragung).

Weitere Fehler und medizinisch-senologische Ungenauigkeiten im zitierten Merkblatt:
- "Die Kosten werden von den Krankenkassen [GKV] übernommen. Sind Sie privat [PKV] versichert, klären Sie die Kostenübernahme bitte vorab mit Ihrer Versicherung" (Seite 2) vergisst, dass PKV und GKV in den Leistungspflichten mindestens gleichwertig sein müssen.
- Klassische "contradictio in adjecto" sind die beiden Sätze: "Oft ist Brustkrebs heilbar, entwickelt sich langsam und bildet keine Metastasen. Er kann aber auch schnell wachsen und sich im Körper ausbreiten" (Seite 2). Denn dies ist eindeutig Staging-, Grading- und Alters-abhängig.
- "Stellen Sie sich 1000 Frauen vor, die wie Sie zur Früherkennung eingeladen sind. Von diesen Frauen erkranken innerhalb der nächsten zehn Jahre etwa 35 an Brustkrebs" (Seite 3). Diese Schätzung ist zu niedrig: Denn beim ersten Mal sind bereits 6 Frauen an Brustkrebs erkrankt (vgl. S. 7). 10 Jahre mit 5 Mammografie-"Screenings" später si

Dr. Wolfgang P. Bayerl 07.03.201618:49 Uhr

Verehrte @Cordula Mühr zur "Überdiagnose" und "Übertherapie".

Eine "Überdiagnose" ist für mich schlicht eine falsche Diagnose. Eine so wichtige Diagnose wie Krebs stellt ja kein Anfänger und da es schlicht der häufigste Krebs der Frau ist, gibt es auch genügend Erfahrung. Ich würde als Operateur selbst einem Radiologen nicht mehr trauen wenn er ein oder gar zwei mal deutlich daneben liegen würde. Eine Verdachtsdiagnose ist noch keine Überdiagnose. Aber auch wenn die Mammographie-Diagnose eindeutig krebsverdächtig ist, wird immer noch keine kurative Krebs-Operation durchgeführt, sondern erst eine histologische Sicherung verlangt. Und hier bin ich der altmodischen Meinung, dass man aus Sicherheitsgründen keine "minimale Nadelbiopsie" durchführen sollte. Das ist sowohl unfair gegenüber dem Pathologen, der weder falsch negativ, noch falsch positiv urteilen darf, wobei nur das falsch negativ tödlich sein kann;
als auch gegenüber der Patientin, weil man damit sowohl neben den Tumor pieksen kann, als auch den Tumor verbreiten kann, so wie man auch nicht in den Tumor "hineinschneiden" soll. Ich bevorzuge daher wie früher üblich, eine korrekte Probeexzision des radiologisch verdächtigen Knotens (no tuoch) "im Gesunden". Das kann nicht zur Tumorverschleppung führen und der Pathologe kann die alles entscheidende Diagnose zweifellos mit viel größerer Sicherheit stellen.
Mit diesem Grundkonzept, ohne nun in noch weitere Einzelheiten einzugehen, habe ich in ca. 50 Jahren noch nicht erlebt, dass eine einzige überflüssige Brustamputation oder Teilamputation durchgeführt wurde.
Die maximale nicht so seltene "Übertherapie" war und blieb also die kosmetisch unproblematische "Mamma-PE",
worüber sich noch niemand beklagt hat.
Was mir auch fremd ist bei der merkwürdigen Schilderung in der "Einladung", ist die lange Wartezeit beim Radiologen. In der Regel, so wie ich das jedenfalls kenne, ist schon bei der Untersuchung ein erfahrener Radiologe anwesend, so dass die ganz überwiegende Mehrzahl bereits am Untersuchungstag beruhigt werden kann, dass alles in Ordnung ist, wobei, das ist wichtig, eine Vergleichstaufnahme von früher sehr sehr hilfreich ist.
Die zweite Untersuchung im zeitlichen Abstand ist also noch besser zu beurteilen als die erste.

mfG

Dr. Wolfgang P. Bayerl 07.03.201617:54 Uhr

Dr. Günther Jonitz zum primum nihil nocere

Ich sage Ihnen jetzt eine wahre Begebenheit zum Mamma-Ca, über die ich mich (als Chirurg) vor zwei Tagen mit einer excellenten Pathologin unterhalten habe:
Es handelte sich um ein bekanntes "familiäres Mamma-Ca". Die Mutter hatte schon eines, das wurde erfolgreich ("radikal") operiert, die Tochter wusste das und bekam auch ein Mamma-Ca, das wurde ebenfalls operiert, allerdings anders vorgeblich nach Ihrem "nihil nocere" mit dem hochmodernen "sentinel"LK, da ist ja wohl ein Fähnchen dran. Und diese Tochter ist leider daran verstorben, noch während ihre Mutter weiterlebt, trotz Einsatz aller so vieler Zusatzmaßnahmen, die es heute gibt.
Die Moral von der Geschicht:
Man kann auch durch Unterlassung schaden.

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