Schwangerschaft und Frauengesundheit

IVF-Urteil versetzt US-Ärzte in Angst

Das Oberste Gericht in Alabama sieht extrauterine Embryonen als schützenswerte Kinder an: Viele Ärzte haben deshalb IVF-Behandlungen eingestellt, um sich nicht strafbar zu machen. Die Biden-Regierung reagiert empört – und auch Donald Trump stößt ins gleiche Horn.

Alexander JoppichVon Alexander Joppich Veröffentlicht: | aktualisiert:
Ein Embryologe befruchtet unter dem Mikroskop mit einer Mikropipette eine Eizelle.

Ein Embryologe befruchtet unter dem Mikroskop mit einer Mikropipette eine Eizelle.

© Natalie Neomi Isser / SZ Photo / picture alliance

Birmingham, Alabama. Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs des US-Bundesstaates Alabama zur In–vitro–Fertilisation (IVF) schlägt immer höhere Wellen – solch hohe, dass die Regierung von Präsident Joe Biden (Demokrat) seinen Gesundheitsminister Xavier Becerra (ebenfalls Demokrat) diese Woche in den Staat schickte. Becerra sprach mit Reproduktionsmedizinern und betroffenen Paaren, die mittels IVF ihren Kinderwunsch erfüllen wollen. In einem Post auf X/ Twitter sprach er von „herzzerreißenden“ Geschichten, die er gehört habe, und davon, dass Ärzte und Patienten Angst vor rechtlichen Konsequenzen im Zuge einer IVF-Behandlung hätten.

Worum geht es in dem Urteil?

Letzte Woche hatte Alabamas Oberstes Gericht (Supreme Court of Alabama) geurteilt, dass auch nicht in den Mutterleib verpflanzte Embryonen, die durch eine IVF entstanden sind, als Kinder betrachtet werden können und somit durch das Gesetz „Wrongful Death of a Minor Act“ geschützt sind. Nach dem Urteil hatten mehrere Anbieter künstliche Befruchtungen eingestellt: Sie fürchten wegen Tötung angeklagt zu werden, wenn sich ein Embryo im Labor falsch entwickelt beziehungsweise es zu einer Fehlgeburt kommt.

Der Anlass der Klage mutet kurios an: Im Dezember 2020 gelang es einem Krankenhauspatienten durch einen ungesicherten Flur, sich Zugang zur Reproduktionsklinik zu verschaffen. Die Person entnahm mehrere kryokonservierte Embryonen und ließ diese zu Boden fallen, da die extremen Minusgrade Gefrierbrand auf der Hand auslösten. Die Embryonen starben in der Folge. Die Kläger warfen der Klinik nun vor, ihre Embryonen nicht ausreichend geschützt zu haben.

Das Gerichtsurteil führt zu noch extremeren Problemstellungen: Könnten Behörden Mütter dazu zwingen, einen kryokonservierte Embryo auszutragen und bei ihrer Weigerung die Eltern wegen Kindesmisshandlung angezeigt werden? Ärzte müssen sich einerseits fragen, ob sie verpflichtet sind, jegliche eingefrorene Embryonen einzupflanzen und andererseits, was passiert, wenn der Embryo sich im Mutterleib krankhaft entwickelt.

Lesen sie auch

Bei konsequenter Auslegung der Gesetzeslage könnten Ärzte, die IVF anbieten, wegen Tötung eines Kindes angeklagt werden. Laut National Embryo Donation Center beträgt die Anzahl eingefrorener menschlicher Embryonen in den USA etwa 1,5 Millionen.

Trump und Biden in seltener Einigkeit

Sowohl Präsident Biden wie sein wahrscheinlicher republikanischer Herausforderer bei den Präsidentschaftswahlen dieses Jahr, Donald Trump, kritisierten die unsichere Lage für Ärzte und Patienten in Alabama. Biden nannte die Entscheidung „empörend und inakzeptabel“ – und verwies darauf, dass solche Urteile nur aufgrund der Neubewertung der Sachlage durch den Supreme Court der USA möglich seien: Dieser wurde durch den damaligen Präsidenten Trump erheblich konservativer besetzt und somit wird seitdem die Ansicht stärker vertreten, dass menschliches Leben mit der Empfängnis beginnt. Das Oberste US-Gericht hob 2022 das wegweisende Urteil Row vs. Wade aus den 1970-igern auf. Dieses hatte Frauen landesweit das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gegeben.

Trump wiederum sagte letzte Woche, dass er das Recht auf Zugang zu IVF unterstütze und die Legislative in Alabama „schnell handeln solle, um eine sofortige Lösung“ zu finden.

Lesen sie auch

Über 90.000 Kinder sind 2021 in den USA mithilfe von Reproduktionstechniken, wie hauptsächlich IVF, zur Welt gekommen, so Zahlen des Centers for Disease Control and Prevention. Etwa 2,3 Prozent aller Neugeborenen sind demnach im drittgrößten Staat der Erde durch IVF & Co. gezeugt worden.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

EU-Kommission

Olivér Várhelyi ist neuer EU-Gesundheitskommissar

Kommentar

Rund um die Uhr Praxis: Gute Idee, die Folgen haben könnte

24/7-Versorgung

Radiologie: Im Süden von Paris gibt es Termine Tag und Nacht

Das könnte Sie auch interessieren
Pflanzenzweige in Reagenzgläsern

© chokniti | Adobe Stock

PMS? Phytotherapie!

Evidenzbasierte Phytotherapie in der Frauenheilkunde

Anzeige | Bionorica SE
Packshot Agnucaston

© Bionorica SE

PMS? Phytotherapie!

Wirkmechanismus von Agnucaston® 20 mg

Anzeige | Bionorica SE
Mönchspfeffer Pflanze

© Lemacpro / AdobeStock

Phytotherapie bei PMS

Wissenschaftliche Kurzinformation zu Agnucaston® 20 mg

Anzeige | Bionorica SE
Was zur Prophylaxe wirklich nützt

© bymuratdeniz / Getty Images / iStock

Rezidivierende Harnwegsinfekte

Was zur Prophylaxe wirklich nützt

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Fast jede Frau macht die Erfahrung einer Blasenentzündung. Häufigster Erreger ist E. coli.

© Kateryna_Kon / stock.adobe.com

Prophylaxe von Harnwegsinfekten

Langzeit-Antibiose nicht mehr First Line

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Dermapharm AG
Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Experten-Workshop

Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Kommentare
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Tab. 2: Schlaf bei Kindern nichtpharmakologisch optimieren

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach Angaben von Prof. Dr. Christian F. Poets und [6]

Einschlafstörungen und Melatonin

Was braucht es für einen gesunden Schlaf bei Kindern und Jugendlichen?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: P&G Health Germany GmbH, Schwalbach am Taunus
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Im Vordergrund Savanne und eine Giraffe, im Hintergrund der Kilimandscharo.

© espiegle / stock.adobe.com

Erhöhtes Thromboserisiko

Fallbericht: Lungenembolie bei einem Hobby-Bergsteiger

Die Autorinnen und Autoren resümieren, dass eine chronische Lebererkrankungen ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer akuten Pankreatitis ist. Sie betonen aber, dass für eine endgültige Schlussfolgerungen die Fallzahlen teils zu gering und die Konfidenzintervalle zu weit sind.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Mehr Komplikationen, höhere Sterblichkeit

Akute Pankreatitis plus CLD – eine unheilvolle Kombination

Einweg-E-Zigaretten

© Moritz Frankenberg / dpa

Vaping

Konsum von fruchtigen E-Zigaretten im Trend