Zoff bei den Klinikhygienikern

Interessenkonflikt oder Richtungsstreit?

Immer wieder gibt es Horrormeldungen über Klinikkeime. Doch über den Umgang damit sind sich Experten alles andere als einig. Das hat nun zu einem heftigen Streit der Beteiligten geführt.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Alles sauber?

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© Peter Atkins / fotolia.com

BERLIN. Für anhaltenden Streit in der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) sorgt der inzwischen beendete Serratia-Ausbruch auf der Frühchenstation der Berliner Uniklinik Charité.

In einem Brief an den Präsidenten der DGKH kritisiert eine Gruppe von Mitgliedern die Äußerungen des Sprechers Dr. Klaus-Dieter Zastrow über die Vorfälle an der Charité.

"Die Art und Weise, in der diesen Herbst die Kollegen der Charité durch ein Mitglied der DGKH vorschnell verurteilt wurden, war unserer Fachgesellschaft unwürdig", heißt es in dem Brief, der der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Die 31 Unterzeichner bemängeln konkret, dass Zastrow in einer Berliner Tageszeitung Ende Oktober "Schlamperei" angeprangert hat. In dem Brief ist die Rede von einer "Verdammung der Kollegen in der Charité".

Auf der Frühchenstation der Charité gab es im Oktober gleichzeitig mit einem Ausbruch von Serratia-Keimen einen Todesfall. Die Unterzeichner des Briefs fordern einen Ethikkodex für öffentliche Äußerungen im Namen der DGKH und unterstellen Zastrow einen Interessenkonflikt.

Denn der DGKH-Sprecher betreut die Klinikhygiene beim Berliner Vivantes-Klinikkonzern, der gerade bei der Neonatologie in direkter Konkurrenz zur Charité steht.

Zastrow wollte zu den Vorwürfen vor der Vorstandssitzung der DGKH nicht öffentlich Stellung nehmen. Auch DGKH-Präsident Professor Martin Exner verwies darauf, dass sich zunächst der Vorstand der Fachgesellschaft am 13. und 14. Dezember mit dem Brief befassen wolle.

Initiator des Briefs ist der Greifswalder Hygieniker Professor Axel Kramer, der bis vor kurzem das Präsidentenamt in der Fachgesellschaft innehatte.

Es wird kolportiert, dass sein Angriff auf Sprecher Zastrow damit zusammenhänge, dass er bei der letzten Vorstandswahl der DGKH gegen Zastrow als Kandidat für den Sprecherposten unterlegen sei.

Kramer widerspricht dieser Darstellung. "Das hat überhaupt nichts miteinander zu tun", sagte er der "Ärzte Zeitung". Er sei fachlich schlicht entsetzt gewesen.

Unabhängig davon vertreten Kramer und Zastrow innerhalb der Fachgesellschaft inhaltlich zum Teil konträre Auffassungen. Zastrow stellt sich als Praktiker dar. In diesem Zusammenhang übt er auch Kritik am Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS).

Seine Position dazu findet sich in einer Stellungnahme auf der Homepage der Fachgesellschaft wieder. Dort heißt es, die Ergebnisse seien nicht valide und das eingesetzte Personal sollte sinnvollerweise anderweitig tätig werden.

Kramer widerspricht dieser Kritik. Die Stellungnahme ist nach seinen Angaben sehr umstritten und habe dazu geführt, dass eine Reihe von Mitgliedern erwogen hätten, aus der Fachgesellschaft auszutreten.

Brisant für Zastrow ist, dass auch in diesem Fall die Berliner Charité beteiligt ist. Sie ist Nationales Referenzzentrum von KISS.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 30.01.201320:04 Uhr

Ganz herzlichen Dank!

Herr Kollege, PD Dr. med. Roland Schulze-Röbbecke, für diesen ausführlichen und fundiert belegten Beitrag.
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Anne C. Leber 18.12.201213:34 Uhr

Diese Leserzuschrift erreichte uns

Als Krankenhaushygieniker des Universitätsklinikums Düsseldorf möchte ich mich für Ihren heutigen kritischen Bericht über die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene bedanken („Zoff bei den Klinikhygienikern – Interessenkonflikt oder Richtungsstreit?“)!
Wie auch für die meisten meiner Kollegen ist die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) seit Jahren ein Ärgernis. Es gibt wissenschaftlich erheblich seriösere und z.T. auch größere und ältere Fachgesellschaften, die sich mit der Krankenhaushygiene befassen, z.B. die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie und die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie. Die 1990 gegründete DGKH ist uns in den letzten Jahren jedoch besonders durch ihre (im Vergleich mit ihrer geringen wissenschaftlichen Bedeutung) große Medienpräsenz und durch ihre (oft vom DGKH-Sprecher Dr. Klaus-Dieter Zastrow ausgehenden) vorschnellen und unsachlichen öffentlichen Äußerungen aufgefallen. Diese schrecken nicht einmal vor dem Schüren irrationaler Ängste und vor Rufmordkampagnen gegen Einzelpersonen zurück. Hier einige Beispiele:
• 2010 starben in der Uniklinik Mainz drei Frühgeborene durch verunreinigte Infusionslösungen. Die Infusionslösungen waren nicht in der Uniklinik hergestellt worden, Zastrow vorverurteilte jedoch öffentlich die Mitarbeiter des Uniklinikums indem er verlautbarte, er halte es für unwahrscheinlich, dass die Bakterien schon in einem der industriell gefertigten Rohstoffe für die Infusionslösung der Kinder steckten. „Der gefährlichste Moment ist der, wenn die Infusionen auf der Station verteilt und gelegt werden. Da können sich am ehesten Fehler einschleichen“ (Quelle Fokus, „Tatort Krankenhaus“ 13. Juni 2012)
• Am 20.08.2010 veröffentlichte die DGKH auf ihrer Webseite eine Stellungnahme gegen die Traunsteiner Krankenhaushygienikerin Prof. Dr. Ines Kappstein, die heute noch einsehbar ist (http://www.dgkh.de/informationen/informationsarchiv/313) und in der Frau Kappstein des unethischen Handelns und der Körperverletzung bezichtigt wird. Die dort aufgeführten Gründe sind sachlich nicht nachvollziehbar und die zitierten Literaturstellen eignen sich nicht zur Rechtfertigung einer solchen Rufmordkampagne. Tatsächlicher Grund für die Stellungnahme dürfte die vorausgegangene Verurteilung Zastrows durch das Amtsgericht München wegen Beleidigung von Frau Prof. Kappstein sein (Urteil vom 10.04.2009, Az. 1111 Bs 22/08).
• Zwischen Mai und Juli 2011 erkrankten in Deutschland insgesamt 3842 Menschen an EHEC. Auslöser waren aus Ägypten importierte Bockshornkleesamen, die mit dem enteroaggregativen EHEC-Stamm O104:H4 kontaminiert waren. Zastrow äußerte sich während der Epidemie gegenüber der Presse, ein Anschlag mit kriminellem Hintergrund sei nicht ausgeschlossen (dapd, 03.06.2011) und behauptete „Lebensmittel sind nicht Auslöser der EHEC-Krise“ (Fokus online 20.06.2011). Gleichzeitig kritisierte er das epidemiologische Vorgehen der Kollegen vom Robert-Koch-Institut, das letztlich zur Aufklärung der Epidemie führte, als „dilettantisch“ und als „katastrophalen Unsinn“ (Berliner Zeitung 21.06.2011).
• Am 14.11.2012 veröffentlichte die DGKH auf ihrer Webseite die auch von Ihnen erwähnte „Klarstellung und Erläuterung zum Stellenwert von Surveillance Systemen in Einrichtungen des Gesundheitswesens“, die das für die Prävention extrem wichtige, evidenzbasierte und gesetzlich vorgeschriebene Verfahren der Surveillance nosokomialer Infektionen mit falschen Argumenten diskreditiert. Die DGKH-Veröffentlichung richtet sich offenbar gegen das in der Charité angesiedelte Nationale Referenzzentrum für die Surveillance nosokomialer Infektionen und dessen Leiterin Frau Prof. Dr. Petra Gastmeier. Die wissenschaftlich hervorragend ausgewiesene Frau Gastmeier war der DGKH schon öfters unbequem, z.B. durch eine kürzlich im Journal of Hospital Infection (2012; vol 81: p 73-78) erschienene Metaanalyse, die belegt, dass die von namhaften DGKH-Mitgliedern pro

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