Krieg in Nahost
Israel beharrt auf Evakuierung des Gaza-Streifens – scharfe Kritik von der WHO
Trotz Kritik hält Israel an dem Evakuierungsbefehl für mehr als eine Million Palästinenser im Norden des Gazastreifens fest. Es gehe darum, Zivilisten vor den Folgen des Krieges zu schützen.
Veröffentlicht:Tel Aviv/Gaza. Das von der islamistischen Hamas angegriffene Israel besteht trotz massiver internationaler Kritik auf einer schnellen Evakuierung von mehr als einer Million Zivilisten im Gazastreifen.
Das israelische Militär veröffentlichte auf der Plattform X (vormals Twitter) in arabischer Sprache ein neues Zeitfenster: Einwohner der Stadt Gaza und Umgebung hätten von 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr Ortszeit (09.00 bis 12.00 Uhr MESZ) am Sonntag nochmal Zeit, um eine sichere Fluchtroute zu nutzen. Die Armee werde in diesem Zeitraum diesen Korridor nicht angreifen. Wann die erwartete Bodenoffensive beginnen würde, blieb weiter unklar.
UN warnen vor Katastrophe
Die UN befürchten nach Angaben eines Sprechers eine „katastrophale Situation“, sollte die Armee in das dicht besiedelte Küstengebiet einmarschieren. Augenzeugen berichteten von Panik unter der Bevölkerung.
Die UN forderten Israel auf, die Anweisung zur Evakuierung der etwa 1,1 Millionen Menschen zu widerrufen. UN-Generalsekretär António Guterres forderte sofortigen Zugang zum Gazastreifen für humanitäre Hilfe. „Auch Kriege haben Regeln“, betonte er am Freitag in New York.
WHO spricht von „Todesurteil für Kranke und Verletzte“
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nannte die Anordnung zur Evakuierung von 22 Krankenhäuser im nördlichen Gazastreifen am Wochenende ein „Todesurteil für Kranke und Verletzte“. Dort werden laut WHO mehr als 2.000 Patienten stationär versorgt.
Die „Zwangsevakuierung“ von Patienten und Gesundheitspersonal drohe die katastrophale humanitäre und gesundheitliche Lage weiter zu verschärfen. Für kritisch kranke Patienten, darunter auch Intensivpatienten und Neugeborene, drohe eine Verschlechterung ihres Zustandes oder gar der Tod, sollten sie während der Evakuierungen von medizinischer Versorgung abgeschnitten werden.
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Christliches Krankenhaus in Gaza-Stadt bei Luftschlag beschädigt
Außenbeauftragter hält Massenevakuierung für unmöglich
Der Außenbeauftragte der Europäischen Union, Josep Borrell, schloss sich der Kritik an. „Gerade erleben wir eine grässliche humanitäre Lage in Gaza“, sagte Borrell am Rande eines China-Besuchs in Peking. So viele Menschen könnten sich in so kurzer Zeit nicht auf den Weg machen. Das sei unmöglich, sagte Borrell. Israel habe das Recht, sich zu verteidigen. Dieses Recht müsse jedoch im Einklang mit dem Völkerrecht ausgeübt werden.
Auch US-Präsident Biden besorgt
US-Präsident Joe Biden versicherte Israel erneut die Solidarität der Vereinigten Staaten, äußerte sich aber auch besorgt zur Lage im Gazastreifen. „Wir dürfen die Tatsache nicht aus den Augen verlieren, dass die überwältigende Mehrheit der Palästinenser nichts mit Hamas oder den abstoßenden Attacken der Hamas zu tun hat und dass sie in der Folge auch leiden“, sagte Biden am Freitag.
Menschen auf der Flucht
Im Gazastreifen machten sich Menschen in Autos, auf Lastwagen, mit Eselskarren und zu Fuß auf der einzigen Hauptstraße des Gebiets Richtung Süden auf. Die dort herrschende Hamas versuchte, fliehende Zivilisten davon abzuhalten, dem israelischen Aufruf zur Räumung des Nordens zu folgen. Sie sollten nicht auf die „Propagandanachrichten“ reinfallen, hieß es. (dpa/eb)