Gerlach kritisiert
KVen nehmen Versorgungsauftrag zu wenig wahr
Professor Ferdinand Gerlach, Vorsitzender des Sachverständigenrats, fordert, Versorgungsangebote stärker als bisher am tatsächlichen Bedarf auszurichten. Der Rat wird 2014 eigene Vorschläge präsentieren.
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Sachverständiger, Wissenschaftler, Allgemeinarzt: Professor Ferdinand Gerlach (Mitte) beim Gespräch in der Redaktion der "Ärzte Zeitung" mit Helmut Laschet und Wolfgang van den Bergh (v.l.).
© Stephan Thomaier
NEU-ISENBURG. Für einen "fairen Wettbewerb zwischen Kollektiv- und Selektivvertrag" wirbt Professor Ferdinand Gerlach, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen.
Bislang investierten Krankenkassen zu wenig in innovative Versorgungskonzepte, monierte Gerlach im Redaktionsgespräch mit der "Ärzte Zeitung".
Der Wissenschaftler bezeichnete den unter der schwarz-gelben Bundesregierung eingeführten Refinanzierungsvorbehalt für Selektivverträge als "unsinnig".
Fehler der Anschubfinanzierung für IV-Verträge nicht wiederholen
Diese Bestimmung in Paragraf 73b Absatz 5a SGB V, wonach Selektivverträge schon beim Start ihre Beitragssatz-Neutralität nachweisen müssen, habe sich als "erhebliche Bremse" erwiesen.
Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Universität Frankfurt, verwies auf den Vorschlag des Sachverständigenrats, Kassen über ein Kreditmodell langfristige Investitionssicherheit zu gewähren.
Dabei dürften die Fehler der Anschubfinanzierung für Integrationsverträge nicht wiederholt werden.
Die Selektivverträge müssten sektorübergreifend angelegt sein und obligatorisch evaluiert werden, forderte Gerlach.
Der Wissenschaftler machte deutlich, dass der Rat eine Pflicht für Kassen, Verträge nach Paragraf 73b und c SGB V anzubieten, "ordnungspolitisch nicht für sinnvoll" hält. "Nichtstun", betonte der Allgemeinmediziner, sei für den Gesetzgeber keine praktikable Option.
Zwangsverpflichtung ein "hilfloser Versuch"
Deutliche Kritik äußerte Gerlach an den Kassenärztlichen Vereinigungen. "Der Sicherstellungsauftrag macht die Existenzberechtigung der KVen aus", erinnerte der Sachverständige.
Die zwangsweise Verpflichtung von Vertragsärzten zur Patientenbehandlung, wie sie die KV Thüringen praktiziert, sei ein "hilfloser Versuch" gegen lokale Unterversorgung anzugehen.
Auch eine Debatte über ungleiche Versorgungsangebote, die beispielsweise in Städten bei Quartieren mit unterschiedlicher Sozialstruktur zu beobachten ist, finde in den Körperschaften kaum statt.
In diesem Zusammenhang nannte Gerlach die neue Bedarfsplanung in Berlin, die nach sozialen Merkmalen der Bevölkerung ausgerichtet ist, interessant.
Der Sachverständigenrat werde in seinem für Juni 2014 geplanten Gutachten Vorschläge machen, wie die Kapazitäten der Leistungsanbieter stärker am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet werden können, kündigte Gerlach an.
Die Entwicklung der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) sieht der Wissenschaftler ambivalent.
Das Ziel, einen neuen Leistungssektor an der Schnittstelle von stationärer und ambulanter Versorgung zu etablieren, sei "gut" - der Weg dorthin "noch nicht gut". Gerlach regte an, die ASV "ausschließlich selektivvertraglich zu regeln".
Veröffentlicht: 31.10.2013 © Springer Medizin
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