Rheinland-Pfalz
Kammerchef warnt vor Landarztquote
Seit November 2016 ist Thorax-Chirurg Dr. Günther Matheis (58) neuer Präsident der Ärztekammer Rheinland-Pfalz. Im Interview mit der "Ärzte Zeitung" erklärt er, warum er gegen die Landarztquote ist und wie er den ärztlichen Nachwuchs für die Standespolitik begeistern will.
Veröffentlicht:Ärzte Zeitung: Als Ärztekammer sind Sie für die Aus- und Weiterbildung der nächsten Medizinergeneration zuständig. Wie zufrieden sind Sie mit dem nun vorgelegten Masterplan Medizinstudium 2020?
Dr. Günther Matheis: In einigen Aspekten sehr, in anderen gar nicht. Gut finde ich, dass man sich darauf geeinigt hat, dass die Ausbildungsstruktur reformiert gehört und dass die Allgemeinmedizin in den Fokus rücken muss. Es gibt aber auch Enttäuschungen, zum Beispiel, dass die Zahl der Studienplätze nur in ganz moderater Form erhöht werden soll. Wir brauchen aber dringend deutlich mehr Studienplätze. Es bleiben auch viele Fragen unbeantwortet wie die nach der Finanzierung. Daseinsvorsorge kostet eben!
Dr. Günther Matheis
» Geboren und aufgewachsen in Homburg/Saar, 58 Jahre alt
» Studium und Weiterbildung in Homburg/Saar, Hannover und Berlin
» Sektionsleiter für Thoraxchirurgie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier
» Im Vorstand der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz seit 2011, seit 2016 Präsident
» Vorsitzender der Bezirksärztekammer Trier von 2011 bis 2016
» In den Marburger Bund trat er bereits als Student ein
Sie sind in den ersten Wochen und Monaten ihrer Präsidentschaft durchs Land gereist – ein zeitaufwendiges Unterfangen. Warum war Ihnen das wichtig?
Wir als Landesärztekammer wollen ansprechbar für die Ärzte vor Ort sein und zeigen, dass sich die Versorgungsfragen nicht nur in Mainz entscheiden, sondern eben auch in der Vulkaneifel oder im Westerwald. Bei Anlässen wie der Eröffnung eines Gesundheitszentrums kann man direkt ins Gespräch kommen, Kontaktdaten austauschen, Hilfe anbieten. Das hat auch etwas mit Wertschätzung den Ärzten vor Ort gegenüber zu tun.
Gesundheitszentren gelten als Versorgungskonzepte der Zukunft.
Im ländlichen Raum auf jeden Fall. Die Einzelkämpferpraxis, in der ein Arzt alleine sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag zuständig sein soll, wird es künftig nicht mehr geben. Junge Leute wollen das aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr machen – Schlagworte sind da Work-Life-Balance und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Prospektiv ist das nur mit Konzepten möglich, bei denen man sich gegenseitig unterstützen und vertreten kann.
Das heißt, Sie sind gegen die viel diskutierte Landarztquote, die junge Ärzte als "Einzelkämpfer" in ländliche Gebiete lotsen soll?
Ich halte davon überhaupt nichts. Heute sprechen wir über den Hausarztmangel im ländlichen Bereich, aber in zwei, drei, vier Jahren dafür über eine mangelnde fachärztliche Grundversorgung. Zudem könnten Studierende aus wohlhabendem Elternhaus sich aus der Verpflichtung herausklagen. Das Konzept ist nicht tragfähig.
Kommt die Quote in Rheinland-Pfalz trotzdem? Der Masterplan überlässt ja den Ländern die Entscheidung.
Wir als Ärztekammer haben signalisiert, dass wir davon nichts halten. Wir werden auch gehört, sind aber natürlich keine Entscheider.
An einem Runden Tisch sollten die Akteure darüber sprechen, wie mit dem Thema umzugehen ist.
Ja, wir haben bereits einmal getagt. Es gibt aber noch keinen Beschluss für Rheinland-Pfalz. Wir haben lediglich beschlossen, dass wir uns noch einmal treffen.
Mit Programmen wie dem Quereinstieg in die Allgemeinmedizin versucht man in Rheinland-Pfalz, zumindest kurzfristig für Entlastung in der Versorgung zu sorgen. Bereits fertigen Fachärzten aus anderen Fachgebieten wird der Weg in die Allgemeinmedizin so erleichtert.
Wir waren die Ersten, die das realisiert haben, mittlerweile gibt es das überall. Dadurch werden aber auch neue Löcher aufgerissen – zum Beispiel fehlen bereits jetzt in unserem Krankenhaus in Trier dadurch Anästhesisten, die in die hausärztliche Versorgung gewechselt sind. Das Problem der Versorgung ist nicht durch Umschichtung zu lösen. Wir brauchen mehr Ärzte, mehr Köpfe in der Versorgung!
Aber woher sollen die kommen?
Das ist ein Problem. Einfach mehr auszubilden geht nicht. Die Universitätsmedizin in Mainz arbeitet jetzt schon am Limit, die Kapazitäten dort sind erschöpft. Also müssen wir im Land nach Komplementärmodellen suchen – nach Möglichkeiten, die Ausbildung zu verlagern. Beispiele sind öffentlich finanzierte Kooperationsmodelle wie Oldenburg-Groningen und Bochum-Minden. So etwas ist natürlich ein dickes Brett und geht auch nicht von heute auf morgen. Aber es könnte dabei helfen, langfristig mehr Menschen ins System zu bringen.
Nach dem Studium folgt die Weiterbildung – auch da gibt es viele Baustellen. Die Novellierung der Musterweiterbildungsordnung steht beim Deutschen Ärztetag auf dem Plan.
Mal wieder. Ich glaube nicht daran, dass wir dieses Jahr etwas verabschieden werden. 2018, wenn es gut läuft. Aber wir müssen uns beeilen, sonst ist das ganze Konstrukt zerredet.
Wo sehen Sie den größten Reformbedarf?
Wichtig ist, dass wir endlich wegkommen von diesem ganzen Zahlenwerk. Es wird nirgends so viel gelogen wie in Weiterbildungszeugnissen. Momentan geht es viel zu sehr darum, Listen abzuhaken. Künftig müssen aber kompetenzorientierte Inhalte im Fokus stehen, und die müssen zunächst definiert werden. Da sind jetzt auch die Fachgesellschaften gefragt.
Ihren Posten als Vorsitzender der Bezirksärztekammer Trier haben Sie gerade abgegeben – eine junge Ärztin rückt als stellvertretende Vorsitzende nach. Wie kann es gelingen, die neue Ärztegeneration für die Gremienarbeit zu interessieren?
In der Berufspolitik haben wir große Probleme, den Nachwuchs zu begeistern. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das nur über die persönliche Ansprache gelingt. Nur so kann man den Jungen erklären, wie die Kammer arbeitet und was sie für die Ärzte tut – und dass sie kein repressives Instrumentarium ist, an das sie Beiträge bezahlen müssen, aber nichts zurückbekommen.
Wo werden Sie als Präsident der Landesärztekammer Akzente setzen?
Mein Fokus wird ganz klar darauf liegen, mehr Köpfe ins System zu bringen – wir brauchen in der Versorgung von der reinen Zahl her mehr Ärzte und in der Berufspolitik will ich den Jüngeren den Wert unserer Selbstverwaltung mehr klar machen. Außerdem begreife ich Kammerarbeit auch ein Stückweit als Sozialpolitik. In Trier zum Beispiel habe ich das Thema Rassenhygiene im Dritten Reich auf den Plan gerufen und die Aufarbeitung in der Region angestoßen.
Sie haben, seit Sie gewählt wurden, auch an beiden Sitzungen der KV-Vertreterversammlung teilgenommen. Wie ist Ihr Verhältnis zum neuen KV-Chef Dr. Peter Heinz?
Für mich ist klar, dass die Verbindung der beiden Schwestern-Körperschaften über eine vertrauensvolle Zusammenarbeit hinausgehen muss, damit man gemeinsam etwas bewegen kann. Die Aufgabenverteilung ist unterschiedlich, aber wir haben auch Schnittmengen, zum Beispiel die gerade gegründete gemeinsame Koordinierungsstelle für die Weiterbildung Allgemeinmedizin. Deshalb sind KV-Sitzungen für mich wichtige und unverrückbare Termine. Mein Verhältnis zu Dr. Peter Heinz ist bestens , wir kennen uns schon lange. Auch mit seiner Vorgängerin Dr. Sigrid Ultes-Kaiser bin ich gut zurechtgekommen – in der Sache hat sie viel bewegt.