Medizinstudium
Masterplan startet ohne Finanzplan
Mit 40 Maßnahmen will die Bundesregierung das Medizinstudium reformieren. Eine Expertenkommission soll nun Details und Kosten klären. Schätzungen zufolge kostet die Umsetzung pro Jahr etwa 300 Millionen. Doch wer soll das Geld zahlen?
Veröffentlicht:BERLIN.Kurz vor Toresschluss haben Union und SPD hinter ein weiteres gesundheitspolitisches Großprojekt einen Haken gesetzt. Nach monatelanger Hängepartie hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) am Freitag den Masterplan Medizinstudium 2020 vorgestellt. Die Umsetzung der Reformen hat die Arbeitsgruppe in die Verantwortung einer Expertenkommission unter Leitung der ehemaligen Generalbundesanwältin Professorin Monika Harms gelegt.
Die Kommission soll in den kommenden zwölf Monaten untersuchen, wie sich der Plan auf die Studienplatzsituation auswirkt und mit welchen Kosten Bund, Länder und die Kostenträger zu rechnen haben werden.
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Der Sprecher der Kultusministerkonferenz, Ulrich Steinbach, zitierte Schätzungen, wonach die Umsetzung des Masterplans 2020 jährlich rund 300 Millionen Euro kosten werde. Was auf die Haushalte an Belastungen zukommen könnte, solle nun die Expertenkommission nachrechnen. Die Gesundheitsminister sähen es am liebsten, wenn die Kultus- und Wissenschaftsseite die Finanzierung übernimmt. Das sei völlig unmöglich, erklärten die Kultusminister noch vor zwei Wochen.
Bereits am Donnerstag hatte die Kultusministerkonferenz bei einer Enthaltung jedoch beschlossen, dass die Länder zunächst keine zusätzlichen Mittel für die Umsetzung des Plans bereitstellen werden. Sie forderten die Regierung auf, über Zuschläge in den Fallpauschalen auch die Beitragszahler in die Pflicht zu nehmen. Der schwarze Peter liegt nun bei den Medizinfakultäten – und den Medizinstudierenden von morgen.
Mehr Patientennähe geplant
Die "Ärzte Zeitung hatte" als erstes Medium bereits im Dezember über das bis zur Vorstellung streng unter Verschluss gehaltene Vorhaben berichtet. Schwerpunkt der Reform ist, dass Mediziner schon während ihres Studiums näher an die Patienten herangeführt und verstärkt für eine Niederlassung als Landarzt gewonnen werden sollen. Um mehr Landärzte zu gewinnen, soll den Ländern die Einführung einer Quote ermöglicht werden. Sie können dann bis zu zehn Prozent der Medizinstudienplätze vorab an bestimmte Bewerber vergeben - diese müssten sich verpflichten, „nach Abschluss des Studiums und der fachärztlichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für bis zu zehn Jahre in der hausärztlichen Versorgung in unterversorgten beziehungsweise durch Unterversorgung bedrohten ländlichen Regionen tätig zu sein“.
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Der Weg zu einem der begehrten Medizinstudienplätze soll erweitert werden, erläuterten die zuständigen CDU-Bundesminister Johanna Wanka (Bildung) und Hermann Gröhe (Gesundheit). So sollen die Hochschulen in ihren Auswahlverfahren neben der Abiturnote mindestens zwei weitere Kriterien anwenden: Einerseits werden laut „Masterplan“ künftig soziale und kommunikative Fähigkeiten sowie Leistungsbereitschaft der Studienbewerber stärker einbezogen, zum anderen eine Ausbildung oder Tätigkeit in medizinischen Berufen.
Er hoffe, dass in absehbarer Zeit die Allgemeinmedizin an allen Hochschulen sichtbar werde, sagte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bei der Vorstellung. Als "kleine Revolution" bezeichnete Forschungsministerin Professor Johanna Wanka (CDU) das Projekt und bezog sich dabei auf das geplante Training von Arzt-Patientengesprächen. Mit dem Masterplan werde künftig das Studium von der Versorgungswirklichkeit her gedacht, sagte die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz Eva Quante-Brandt (SPD).
Marburger Bund: Klärung der Finanzierung dringend nötig
Bei den Studierenden im Marburger Bund ruft der Reformplan zwiespältige Reaktionen hervor. „Wir begrüßen die Ankündigung von Bund und Ländern, das Medizinstudium praxisnäher zu gestalten", sagte Victor Banas, Vorsitzender des Sprecherrats der Medizinstudierenden im Marburger Bund. Die Modellstudiengänge lieferten schon seit Jahren den Beweis, dass mehr Praxisnähe möglich sei. Dafür bedürfe es keines Masterplans.
Auf der Schattenseite verbuche man die Einführung zusätzlicher Obligatorien im Studium und die Quartalisierung des Praktischen Jahres, so Banas weiter. Der Ärztemangel, insbesondere der Mangel an Landärzten, werde sich nicht durch den Masterplan beheben lassen. Angehende Ärztinnen und Ärzte würden sich nur dann für bestimmte, besonders versorgungsrelevante Fachrichtungen entscheiden, wenn sie gute Arbeits- und Lebensbedingungen vorfänden.
Banas kritisierte weiter, jetzt räche sich das Ausklammern der Finanzierungsfragen bei der Beratung des Masterplans. Eine Klärung sei dringend nötig, um ausreichend finanzielle Ressourcen für gute Lehre zur Verfügung zu haben. "Die Politik darf die medizinischen Fakultäten hier nicht länger im Regen stehen lassen“, forderte er.
Auch die Bundesärztekammer und der Medizinische Fakultätentag übten umgehend Kritik. "Enttäuschend ist, dass sich Bund und Länder nicht über eine klare und langfristige Finanzierungsvereinbarung einigen konnten", sagte BÄK-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery. (af/fst/sts/dpa)
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