AOK und Barmer
Kassen-Seismografen decken COVID-19-Stress auf
Beschäftigte in Gesundheitsberufen sind am häufigsten wegen COVID-19 krankgeschrieben. Die Medizinischen Fachangestellten (MFA) haben die Pflegekräfte in der AU-Statistik inzwischen überholt.
Veröffentlicht:Berlin. Von den zehn Berufsgruppen, deren Angehörige am häufigsten wegen des neuartigen Coronavirus arbeitsunfähig geschrieben werden, zählen neun zu den Gesundheits- und Pflegeberufen.
Am stärksten betroffen sind derzeit allerdings die Mitarbeiter in Kinderbetreuung und -erziehung. Das geht aus einer aktuellen Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido) hervor.
Die Infektionswellen gehen auch an den Praxen der niedergelassenen Ärzte nicht spurlos vorüber. Die Medizinischen Fachangestellten werden inzwischen am zweithäufigsten wegen COVID-19 arbeitsunfähig geschrieben. Die Alten- und Krankenpflegekräfte, zwischen März und Mai in der AOK-Statistik noch die am häufigsten Betroffenen, liegen nun auf den Rängen sieben und acht.
Im Oktober wurde mit 417 die bislang höchste Zahl an Krankschreibungen unter AOK-Versicherten im Zusammenhang mit COVID-19 insgesamt notiert. Den Tiefststand gab es im Juni mit 104.
COVID-19 trifft zunehmend die MFA
Je 100.000 in der Betreuung und Erziehung von Kindern Beschäftigte haben demnach zwischen März und Oktober 2672 wegen einer COVID-19-Diagnose an ihren Arbeitsplätzen gefehlt. Das ist mehr als das Doppelte des Durchschnitts aller AOK-Versicherten, der bei 1183 Betroffenen je 100.000 Versicherten liegt. Bei den MFA liegt dieser Wert aktuell bei 2469 Erkrankten je 100.000 AOK-Versicherten.
„Beschäftigte, die weiter am Arbeitsplatz präsent sein mussten und nicht ins Home Office wechseln konnten, sind im bisherigen Verlauf der Pandemie stärker von COVID-19 betroffen“, kommentierte Helmut Schröder, stellvertretender Vorsitzender des Wido die Ergebnisse am Montag.
Insgesamt bekamen dem Institut zufolge 155.610 der 13,2 Millionen erwerbstätigen AOK-Versicherten zwischen März und Oktober eine AU-Bescheinigung wegen COVID-19. Jüngere Beschäftigte bis 19 Jahre waren in diesem Zeitraum deutlich stärker betroffen als über 60-Jährige.
Das COVID-19-Drama um die Beschäftigten in der fleischverarbeitenden Industrie spiegelt sich ebenfalls in den AOK-Daten wider. Darauf verwies am Montag die AOK NordWest. So verzeichnete der Landkreis Coesfeld als Standort eines großen fleischverarbeitenden Betriebes mit 1,6 Prozent die höchste AU-Quote in Westfalen-Lippe.
Barmer warnt vor Risiken in der Pflege
„Pflegekräfte sind besonders häufig aufgrund von Corona krankgeschrieben“, setzt die Barmer als zweitgrößte Krankenkasse den Akzent voll auf die Pflegekräfte. Seit Beginn der Pandemie bis Mitte November seien etwa 6600 bei der Barmer versicherte Pflegerinnen und Pfleger wegen COVID-19 arbeitsunfähig geschrieben. Das entsprach rund 2,5 Prozent der Versicherten. Die Quote lag damit knapp ein Prozent über der Quote aller Barmer-Versicherten (1,6 Prozent).
Das Corona-Risiko sei für Pflegekräfte besonders hoch, betonen die Barmer-Statistiker. Sowohl während der ersten (499) als auch während der zweiten Corona-Welle (410) seien um den Faktor zwei herum mehr Pflegekräfte krankgeschrieben worden als im Schnitt aller Barmer Versicherten (204/242), hat die Barmer am Montag mitgeteilt.
Kasse: „Teufelskreis durchbrechen“
Auch ohne Corona seien Pflegekräfte einem erhöhten Krankheitsrisiko ausgesetzt, sagte die Leitende Medizinerin der Barmer Dr. Ursula Marschall am Montag. Der Krankenstand in der Pflege habe in den vergangenen Jahren um 73 Prozent über dem anderer Branchen gelegen.
„Die Arbeitssituation in der Pflege greift die Gesundheit der Beschäftigten massiv an. Wenn sie ausfallen, werden die Kolleginnen und Kollegen zusätzlich belastet. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden“, sagte Marschall. Es sei daher wichtig, dass das Pflegepersonal den Impfstoff gegen COVID-19 mit der höchsten Priorität erhalten könne.
Die Impfverordnung, die Gesundheitsminister Jens Spahn am Freitag unterzeichnet hat, sieht dies so vor. Die MFA dagegen sind nur mit hoher Priorität ausgestattet. Lehrer und Erzieher dürfen zunächst sogar nur mit „erhöhter Priorität“ rechnen.
IKK: Weniger Krankschreibungen
Es gibt allerdings auch Hinweise dafür, dass in Zeiten von AHA-Regeln die Krankschreibungen insgesamt auch sinken können. Demnach waren im November 2020 unter den bei der IKK classic (mit Anspruch auf Krankengeld) versicherten Arbeitnehmern 206.368 Personen mindestens einen Tag krankheitsbedingt arbeitsunfähig.
Insgesamt wurden 223.115 AU-Fälle registriert. Das entspricht einer AU-Quote von 14 Prozent, diese liegt damit weiterhin unter dem November-Wert 2019 von 16,3 Prozent, so die IKK Classic.