Versorgungsverbesserungsgesetz
Kinder-und Jugendmedizin soll Bestandsschutz erhalten
Am Mittwoch wird Angela Merkels Ministerrunde das Versorgungsverbesserungsgesetz an den Bundestag weiterleiten. Eine Gewinnerin des Gesetzes dürfte die Kinder- und Jugendmedizin werden.
Veröffentlicht:Berlin. Die Erosion der Fallpauschalen-Vergütung in Krankenhäusern geht weiter. Seit Anfang des Jahres 2020 sind die Kosten für die Pflege in Krankenhäusern nicht mehr in den DRG (Disease Related Groups) enthalten. Sie werden von den Kassen extra erstattet.
Mit dem „Versorgungsverbesserungsgesetz“ – am Mittwoch im Kabinett – will die Regierung jetzt einen Schritt weiter gehen. Um die stationären Strukturen halbwegs komplett aufrecht zu erhalten, sollen weitere Vorsorgepauschalen für unterfinanzierte Abteilungen eingeführt werden. So sollen Fehlentwicklungen korrigiert werden, zum Beispiel die einseitige Ausrichtung des stationären Sektors auf lukrative Operationen. Internistische Fächer bis hin zur Diabetologie klagen seit langem darüber, von den Kaufmännischen Direktoraten aus den Krankenhäusern gedrängt zu werden. Das ist nicht banal. Damit werden nämlich die Möglichkeiten der Facharztausbildung eingeschränkt.
Kindermedizin unprofitabel?
Zu den in den Augen von Klinikmanagern wenig gewinnbringenden Abteilungen gehört die Kinder-und Jugendmedizin. Erst im Juli hatte der private Klinikkonzern Asklepios im Windschatten der Corona-Krise seine Kinderstation in Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern geschlossen. Der Betreiber gab an, keine Ärzte mehr für Abteilung zu finden. Medien bezweifelten diesen Grund und unterstellten Rationalisierungsinteressen.
An diesem Ende setzt nun das Versorgungsverbesserungsgesetz an. Damit will die Regierung die Liste der bedarfsnotwendigen Krankenhäuser im ländlichen Raum erweitern. Und zwar um die Häuser mit Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin. Damit können diese Krankenhäuser aus einer zusätzlichen Geldquelle schöpfen. Rund zwölf Millionen Euro aus dem Topf der gesetzlich Versicherten will der Bund dafür zur Verfügung stellen. Dem Gesetzentwurf ist zu entnehmen, dass gemäß einer Folgenabschätzung des GKV-Spitzenverbandes voraussichtlich bis zu 31 Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin die Voraussetzungen für eine solche Förderung erfüllen.
Jedes dieser Krankenhäuser soll mindestens 400.000 Euro erhalten. Je mehr der sogenannten vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) definierten basisrelevanten Fachabteilungen ein Krankenhaus betreibt, desto höher sind die Zuschüsse, allerdings gedeckelt auf 800.000 Euro im Jahr. Basisrelevant sind die Geburtshilfe, neuerdings die Kinder- und Jugendmedizin, die Innere Medizin und die Chirurgie.
Anreiz Fallzahlen
Die Strukturen der stationären Versorgung genießen gerade viel Aufmerksamkeit. In einem Gutachten für die Techniker Krankenkasse hat der Gesundheitsweise Professor Jonas Schreyögg die Verknüpfung der Krankenhauskosten mit den Fallzahlen kritisiert. „Die Vergütung ist zurzeit nahezu ausschließlich an die Behandlung von Fällen geknüpft und setzt einen Anreiz zur Fallzahlenausweitung, um die Vorhaltekosten zu decken“, schreibt Schreyögg. Er empfiehlt den zielgerichteten Einsatz von Vorhaltepauschalen für bedarfsnotwendige Strukturen.
Nach Ansicht des Sachverständigen wäre das eine längst fällige Anpassung des stationären Vergütungssystems an die Praktiken der Nachbarländer in Europa. Lediglich Deutschland setze noch – mit der jungen Ausnahme der Pflegekosten – auf die Finanzierung durch Fallzahlgenerierung. Der Protest dagegen hat längst die Häuser selbst erfasst. Der Verband der Leitenden Krankenhausärzte (VLK) gehört zu den schärfsten Kritikern eines Systems, das von den Kaufmännischen Direktoren und Controllern beherrscht wird. Über System-Therapien wird nachgedacht: Gleichhohe Vergütungen für stationär wie ambulant zu erbringende Operationen sollen die Gewichte verschieben helfen.