Kinderlosen-Abgabe: Merkels Machtwort verhallt
Vertagt, aber nicht vom Tisch: Mit ihrem Veto wollte Bundeskanzlerin Merkel die Debatte um die Sonderabgabe für Kinderlose abwürgen. Doch die Koalition interessiert das herzlich wenig.
Veröffentlicht:BERLIN. Das Thema ist erledigt - und bleibt doch auf der Agenda. Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt den Vorschlag aus ihrer Partei ab, eine Sonderabgabe für Kinderlose einzuführen.
"Ich glaube, wir müssen andere Wege finden", sagte sie am Dienstag. Es sei nicht "zielführend", eine Einteilung nach Menschen mit Kindern und ohne Kinder vorzunehmen, so die Kanzlerin.
Dass die Debatte damit erledigt ist, gilt als unwahrscheinlich. Am Wochenende war ein Papier einer Gruppe junger Unionsabgeordneter bekannt geworden. Darin schlagen die Parlamentarier eine Abgabe für Kinderlose ab dem 25. Lebensjahr vor.
Sie soll nach der Zahl der Kinder gestaffelt werden: Kinderlose zahlen den - nicht bezifferten - vollen Betrag, Familien mit einem Kind den halben Betrag. Ab dem zweiten Kind entfällt die Abgabe.
Weil das Papier der Abgeordneten sich auf die Pflege- und Krankenversicherung bezieht, bleibt unklar, ob alle Bürger von der Abgabe betroffen sein sollen oder nur die gesetzlich Versicherten.
Bundesfamilienministerin lehnt Vorschlag ab
Zur Begründung heißt es, die "Demografie-Rücklage" solle dazu beitragen, "das Ungleichgewicht des Generationenvertrags zu glätten". CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärte noch am Montag, man werde sich das Konzept unvoreingenommen anschauen - das Dementi seiner Chefin folgte tags darauf.
Ausgeschert aus der Gruppe der 18 Abgeordneten war zuvor schon Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, die das Konzept ablehnt. Es müsse darum gehen, den Kinderwunsch zu fördern, anstatt Kinderlose zu bestrafen, sagte sie.
Dagegen bekannte sich Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, ausdrücklich zur Demografie-Rücklage.
"Ich will weg von abstrakten Debatten. Immer wenn es konkret wird, werden Vorschläge vom Tisch gewischt", klagte Spahn im "Deutschlandfunk".
Kinderlose zahlen seit 2005 Beitragszuschlag von 0,25 Prozentpunkten
Die aufgeregten Reaktionen auf den Vorschlag - Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sprach von "Abzocke" - übersehen, dass die Differenzierung zwischen Versicherten mit und ohne Kinder geltendes Recht ist. Seit 2005 zahlen Kinderlose in der sozialen Pflegeversicherung einen Beitragszuschlag von 0,25 Prozentpunkten.
Dazu musste der Gesetzgeber erst vom Bundesverfassungsgericht gezwungen werden. In seinem sogenannten "Beitragskinder-Urteil" vom 3. April 2001 sah das Gericht den Gleichheitsgrundsatz dadurch verletzt, dass die "Erziehung von Kindern bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet".
Die Kanzlerin hat "andere Wege" gefordert, die Sozialsysteme demografiefest zu gestalten. Doch in der aktuellen Pflegereform kann sich die Regierung bislang auf kein gemeinsames Vorgehen einigen.
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