Bremen vor der Wahl
Klamme Kliniken treiben die Parteien um
Die Bremer treiben anlässlich der Bürgerschaftswahl am kommenden Sonntag viele Probleme um - darunter auch die Zukunft ihrer Krankenhäuser. Das Thema war in den vergangenen Jahren immer wieder für Schlagzeilen gut.
Veröffentlicht:BREMEN. Die Bremer haben andere Aufreger - jetzt, kurz vor der Bürgerschaftswahl im kleinsten Bundesland am 10. Mai: Bei der Arbeitslosigkeit liegt Bremen weit vorne im Bundesvergleich, bei der Bildung ziemlich weit hinten. Die Gesundheitspolitik ist nur ein kleines Licht in Bremen.
Das wichtigste Thema sind hier die darbenden Krankenhäuser an der Weser. Da sind sich die rot-grüne Landesregierung und die Opposition einig.
Bei der Bremer Klinik-Holding "Gesundheit Nord" (GeNo) war der Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses der jüngste Anlass für einen der wenigen gesundheitspolitischen Schlagabtausche der Parteien im Vorfeld der Wahl.
Das Flaggschiff der GeNo, das Bremer Krankenhaus Mitte, errichtet derzeit einen Teilersatzneubau. Und Gesundheitssenator Hermann Schulte-Sasse (parteilos) ist Aufsichtsratsvorsitzender der GeNo.
2018/2019 soll der Bau, statt wie geplant 2014, nun fertig sein und wird dann mit rund 300 Millionen Euro voraussichtlich rund 70 Millionen Euro mehr als veranschlagt gekostet haben.
Kosten liefen aus dem Ruder
367 Kandidaten für 83 Mandate
Am 10. Mai wählt Bremen seine Bürgerschaft, das Landesparlament. Zugleich werden die Kommunalwahlen zur Bremer Stadtbürgerschaft und zur Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven abgehalten. Außerdem werden in den Stadtteilen die Beiräte gewählt.
Auf die 83 Bürgerschaftssitze bewerben sich 367 Kandidaten aus elf Parteien. Unter den Bewerbern sind drei Ärzte und elf Krankenschwestern und -pfleger. Der parteilose Gesundheitssenator und Arzt Dr. Hermann Schulte-Sasse ist kein Bürgerschaftskandidat.
Das bedeutet aber nicht, dass er nicht nach der Wahl von Rot-Grün erneut ins Amt gewählt werden könnte. Für die Bürgerschaft sind rund 490 000 Bürger ab 16 Jahren wahlberechtigt.
Für die Kommunalwahl kommen noch einmal rund 28.000 EU-Bürger dazu, die im Land Bremen leben. Glaubt man den Prognosen, so wird der rot-grüne Senat unter Bürgermeister und Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD) weiterregieren können. (cben)
Genug für einen Untersuchungsausschuss. Er sollte seit Mitte 2014 klären, warum die Kosten aus dem Ruder gelaufen sind.
Für "ein Sinnbild für politisches und organisatorisches Versagen" hält der gesundheitspolitische Sprecher der CDU Bürgerschaftsfraktion, Reiner Bensch, die Arbeit der rot-grünen Landesregierung bei der Organisation des Neubaus.
Die CDU-Fraktion hatte mit Hilfe der kleinen rechtspopulistischen Fraktion "Bürger in Wut" den Ausschuss durchgesetzt. Er endete nach einem halben Jahr praktisch ohne Konsequenzen für die verantwortlichen Parteien. "Es gab keinen Skandal", sagte denn auch die SPD-Abgeordnete Antje Grotheer vor der Bürgerschaft. Der Ausschuss war für die Opposition ein Schlag ins Wasser.
Unterdessen schauen die Parteien bei der Krankenhausplanung über die Landesgrenzen nach Niedersachsen. Seit Kurzem lotet eine Arbeitsgruppe von Bremer und niedersächsischen Mitgliedern ein gemeinsames Fahrwasser aus.
Immerhin werden inzwischen beide Länder rot-grün regiert. 30 bis 40 Prozent der Bremer Krankenhauspatienten kommen aus dem niedersächsischen Umland - aber kein Cent Unterstützung. "Da muss bald Geld fließen", sagt Winfried Brumma, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD und nicht nur er.
Tatsächlich haben zum Beispiel viele neonatologischen Stationen im Bremer Umland geschlossen, und die Versorgung übernimmt nun oft Bremen. "Man muss unabhängig von den Landesgrenzen die regionalen Bedarfe sehen", betont die Ärztin Dr. Kirsten Kappert Gonther, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen.
"In Bremen brauchen wir mehr Kreißsäle." Sie sieht aber auch bei der Versorgung psychiatrischer Patienten Versorgungslücken.
Flammender Appell für mehr Geld
Was die Investitionen in die Kliniken angeht, forderte die Krankenhausgesellschaft der Stadt jüngst in einem flammenden Appell mehr Geld. Anstelle der 80 Millionen Euro jährlich fördert Bremen nur mit 40 Millionen.
Für Kappert-Gonther sind aber schon die 40 Millionen ein enormer Fortschritt. "Wir haben die Investitionen um zehn Millionen erhöht und das Geld aus den Ressorts Häfen und Wirtschaft genommen. Das war ein unheimlich schwieriger Prozess."
In der Forderung nach mehr Investitionen für die Krankenhäuser sind sich der CDU-Mann Bensch ("Wir müssen noch eine Schippe drauf legen!") und der gesundheitspolitische Sprecher der Linken, Peter Erlanson, einig.
"Wir müssen darüber sprechen, was uns Gesundheit und Klinikversorgung wert sind", sagt Erlanson. "Wir sprechen hier auch von 6500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern."
Nach der Wahl am kommenden Sonntag wird man sehen, ob den Rufen nach mehr Geld für die Kliniken auch Taten folgen.