Arzneimittelpolitik
Konträre Positionen zum Arzneigesetz
Qualität und Finanzierung der Arzneiversorgung werden durch das vom Kabinett verabschiedete Arzneigesetz gestärkt, sagt Gesundheitsminister Gröhe. Widerspruch kommt von Kassen und Industrie.
Veröffentlicht:BERLIN. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz verabschiedet. Damit sei ein "ausgewogenes Maßnahmenpaket" entwickelt worden, sodass sich Patienten "darauf verlassen können, dass sie auch in Zukunft mit hochwertigen und innovativen Arzneimitteln versorgt werden", sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) nach der Kabinettssitzung am Mittwoch.
Das sehen Industrie und Krankenkassen von ihrem jeweiligen Standpunkt aus anders. Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) kritisiert insbesondere die Fortführung des seit Sommer 2010 geltenden Preismoratoriums bis Ende 2022.
"Wenn mittelständische, nicht selten noch inhabergeführte Unternehmen unvermeidbare Kostensteigerungen nicht amortisieren dürfen, ist das grotesk", sagte Hermann Kortland vom BAH. Der Preisstopp verhindere auch, dass die Industrie den mit erheblichen Kosten verbundenen Schutz vor Fälschungen refinanzieren könne.
Der Verband Forschender Pharma-Unternehmen (vfa) fokussiert seine Kritik auf die Möglichkeit, dass bei der frühen Nutzenbewertung künftig die Verordnungsfähigkeit eingeschränkt werden kann. Bei der Umsetzung des Arztinformationssystems drohe eine "Rationierung durch die Hintertür, wenn der Gesetzgeber nicht aufpasst, wie und von wem das System gestaltet wird", sagte vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer.
Um zu verhindern, dass Arzneimittel, für die nach der Nutzenbewertung ein Erstattungsbetrag vereinbart wird, zu deutschen Preisen exportiert werden, fordert Fischer eine Direktabrechnung des vereinbarten Rabatts zwischen Herstellern und Kassen. Insgesamt wertet der vfa das geplante Gesetz als "Rückschlag für den Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland".
Das Gesetz gehe "zwei Schritte rückwärts", kritisiert auch der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch. So habe die Regierung den Wunsch der Pharma-Industrie erfüllt, die Erstattungsbeträge zu "verschleiern".
Das diene dazu, dass die Unternehmen in Ländern, die Deutschland als Referenzland nutzten, höhere Preise durchsetzen könnten. Da wiederum ausländische Preise weiterhin verpflichtende Bezugsgröße bei den Verhandlungen zum Erstattungsbetrag bleiben, würden die zugestandenen Preiserhöhungsmöglichkeiten wieder nach Deutschland importiert. Litsch: "Da kann die Industrie gleich zwei Mal Weihnachten feiern."
Kritisch sieht die AOK auch die geplante Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro, ab der der Erstattungsbetrag rückwirkend gelten soll. 2015 wären davon nur drei Arzneimittel betroffen gewesen.
Notwendig sei eine Umsatzgrenze von 50 Millionen Euro, ferner müsse der Erstattungsbetrag vom ersten Tag der Vermarktung an gelten. Einziger Lichtblick sei die Verlängerung des Preisstopps.