Arzneimittel
Konzentration ist Brandbeschleuniger für Lieferengpässe
Mehrpartnermodelle bei Rabattverträgen minimieren das Risiko für Lieferengpässe, so Experten.
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Gründe für Lieferengpässe von Arzneimitteln sind vielfältig.
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Berlin. Zumindest in einem Punkt sind sich speziell die Ersatzkassen und die Generikaindustrie einig: Mehrpartnermodelle bei Rabattverträgen mindern signifikant das Risiko für die Entstehung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln. Dies wurde am Mittwoch bei der Pharma-Handelsblatt-Konferenz in Berlin deutlich.
Unter Berufung auf das jüngst veröffentlichte und vom GKV-Spitzenverband beauftragte Gutachten über die Ursachen von Lieferengpässen wies Tim Steimle von der Techniker Krankenkasse darauf hin, dass der Anteil der Ausfälle bei der TK zuletzt bei 1,1 Prozent aller abgegebenen Packungen im Generika-Segment betroffen hat, bei der AOK 2,3 Prozent und bei der GKV insgesamt 1,9 Prozent.
Probleme mit nur einem Partner
Ursächlich dafür sei, dass die im Rabattvertragsgeschäft kooperierenden Ersatzkassen grundsätzlich Mehrpartner-Verträge abschließen. Das Risiko von Einpartner-Verträgen habe sich bei der TK beispielsweise im Jahr 2016 manifestiert, als man nur mit einem Hersteller für Metamizol einen Rabattvertrag abgeschlossen hatte.
Die Ursachen für Lieferengpässe seien vielfältig, im Vordergrund stünden Produktions- und Qualitätsprobleme.
Aktuell verschärft worden sei das Problem durch die stichtagsbezogene Einführung von SecurPharm gegen Arzneimittelfälschungen in Deutschland, was offenbar Schwierigkeiten bei den dadurch notwendigen Umverpackungen ausgelöst habe. Pragmatischer sei Großbritannien mit einer über einen längeren Zeitraum gestreckten Umstellung vorgegangen.
Check per Smartphone
Aus Patientensicht könne künftig das E-Rezept einen Vorteil bieten, wenn es auf dem Smartphone einen Hinweis liefere, in welcher Apotheke ein knapp gewordenes Arzneimittel noch verfügbar sei. Ferner müsse mit der Ärzteschaft darüber gesprochen werden, ob in großen Indikationsgebieten – etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen – eine Vielzahl sehr ähnlicher Wirkstoffe notwendig sei und ob man Leitsubstanzen definieren könne.
Nach Auffassung des Vorstandsvorsitzenden von Pro Generika , Wolfgang Späth (Hexal AG), müsse die Versorgung bedeutender Volkskrankheiten durch generische Arzneimittel auch wieder ökonomische Wertschätzung erfahren. Das sei derzeit nicht der Fall.
So liegen die DDD-Kosten (Defined Daily Doses bzw. Tagesdosen) bei Generika im Schnitt bei 0,16 Euro brutto und 0,06 Euro netto. Bei patentgeschützten Arzneimitteln sind es nach seinen Angaben 4,83 Euro brutto.
Klare Zusammenhänge
Das Risiko für Lieferengpässe liege dabei nicht primär in China, sondern werde durch Marktkonzentration und Einpartner-Verträge verursacht. Sie seien „Brandbeschleuniger für Lieferengpässe“.
Entgegen der Argumentation von Krankenkassen gebe es einen klaren Zusammenhang mit Rabattverträgen: Innerhalb dieser Verträge konzentrieren sich nach Angaben Späths 44 Prozent der Absatzmenge auf drei Hersteller, außerhalb von Rabattverträgen sind dies nur 25 Prozent.
Statt Sanktionen besser Anreize
Kontraproduktiv seien auch Sanktionsmechanismen, etwa Strafzahlungen bei Lieferausfällen. Grund dafür sei, dass der Hersteller nicht die einzelne Kasse beliefere, sondern grundsätzlich den Großhandel. Sanktionen machten den eher noch unattraktiver und seien keine kausalen Lösungen für Engpässe.
Dafür gebe es nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Beratungen zum Faire Kassenwahl-Gesetz eine breite Allianz aller Pharmaverbände mit der Ärzteschaft, den Apothekern und dem Großhandel.
Notwendig seien Anreize, das Angebot und die Zahl der Anbieter zu erhöhen, grundsätzlich nur Mehrpartner-Verträge abzuschließen und langfristig den Produktionsstandort Europa und Deutschland zu stärken.