GKV
Krankenkassen schleppen Milliarden-Minus ins laufende Jahr
Bei vier großen Kassenverbänden türmt sich das Minus in der Ausgabenbilanz für das Jahr 2020 auf über 2,6 Milliarden Euro. Die Perspektiven für 2022: unsicher und trüb.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Die Krankenkassen gehen finanziell unsicheren Zeiten entgegen. Fest steht nur: Die Finanzergebnisse für das Vorjahr sind tiefrot. Unterm Strich steht – bei noch fehlenden Daten einzelner Kassenarten – ein Minus von mindestens 2,6 Milliarden Euro (2019: minus 1,51 Milliarden).
So hat die AOK-Gemeinschaft das vergangene Jahr mit einem Defizit von rund einer Milliarde Euro abgeschlossen (Vorjahr: minus 120 Millionen Euro). Die sechs Ersatzkassen verbuchen ein Minus von 1,1 Milliarden Euro (2019: minus 859 Millionen Euro), bei den Innungskassen addieren sich die Ausgabenüberschüsse auf 250 Millionen Euro (2019: minus 231 Millionen Euro). Die Betriebskassen verzeichnen Ausgabenüberschüsse von 234 Millionen Euro (Vorjahr: minus 295 Millionen Euro).
„Prognosen bleiben schwierig“
„Die Perspektiven der weiteren Finanzentwicklung im Jahr 2021 sind unklar, Prognosen bleiben angesichts der dynamischen Lage schwierig“, sagte ein Sprecher des AOK-Bundesverbands. Das Vorjahr sei von vielen Corona-bedingten Sondereffekten gezeichnet gewesen. Das erste und dritte Quartal sei jeweils durch starke Ausgabenzuwächse gekennzeichnet gewesen. Dagegen waren in den Bilanzen des zweiten und vierten Quartals die Bremsspuren der Lockdowns deutlich sichtbar – weil weniger Leistungen in Anspruch genommen worden sind.
Die Achterbahnfahrt der Ausgaben lässt sich beispielhaft bei den Ersatzkassen nachzeichnen: Zum Halbjahr konnten die vdek-Kassen noch einen Überschuss von 908 Millionen Euro verbuchen. Hintergrund für diese Entwicklung sind die vorab festgelegten Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, die dann angesichts massiver Leistungsrückgänge im zweiten Quartal statistisch zu einem Überschuss geführt haben.
Doch nach drei Quartalen dreht die Bilanz mit 280 Millionen Euro ins Minus. Im vierten Quartal ist das Defizit dann mit minus 834 Millionen Euro regelrecht explodiert. Eine Ursache dafür seien Leistungsausgaben, die – jenseits der Corona-Sondereffekte – wieder stark zulegten. Ursächlich seien hier die vielen von der großen Koalition aufgelegten Gesetze, insbesondere das Terminservice- (TSVG) sowie das Pflegepersonalstärkungs-Gesetz. Zusätzlich verringert die neugeregelte Beitragsbemessung bei den Betriebsrenten weiter die Einnahmen der Kassen.
Vierte Quartal hat ins Kontor geschlagen
Einen ähnlichen Verlauf wie beim vdek melden auch die Innungskrankenkassen. Hier beläuft sich der Negativsaldo bei den Ausgaben auf rund 250 Millionen Euro. Auch hier schlug das vierte Quartal ins Kontor und vergrößerte das bis dahin aufgelaufene Defizit von 156 Millionen nochmals um weitere rund 100 Millionen Euro.
Die Aussichten für 2021/2022 sind aus Sicht von Kassenmanagern trübe. Schon 2020 konnte ein tiefes Finanzloch nur durch zusätzliche Steuerzuschüsse sowie durch den zwangsweise angeordneten Abbau von Finanzreserven bei einzelnen Kassen erreicht werden. „Der Finanzdruck auf die Kassen bleibt weiterhin hoch. Ihre Rücklagen werden im Laufe des Jahres weitestgehend aufgebraucht sein“, kommentiert Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek, die Entwicklung. Bleiben Konsolidierungsschritte aus, könnten sich die Zusatzbeiträge für das kommende Jahr auf etwa 2,5 Prozentpunkte fast verdoppeln, warnt sie.
Ähnlich unsicher blickt die AOK-Gemeinschaft in die Zukunft: Es sei unklar, wann und wie stark die Nachholeffekte in Arztpraxen und Kliniken durch den zweiten Lockdown ausfallen werden, erläuterte ein Sprecher. Absehbar sei nur die Finanzwirkung der „kostspieligen Gesetze“ aus den Vorjahren, so dass für die GKV 2022 ein „gewaltiges Defizit“ drohe.