„Beitragstöpfe geplündert“
Kritik an Spahns Versorgungsgesetz hält an
Das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Verbesserung der Versorgung und Pflege (GPVG) sorgt weiter für Unmut. Umstritten bleibt vor allem der Zugriff auf die Rücklagen der Krankenkassen, um die pandemiebedingten Kosten abzufedern.
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Gesundheitsminister Spahn während der Debatte zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege im Bundestag. Die Reaktionen sind zwiespältig.
© Michael Kappeler/dpa
Berlin. Die Messe ist zwar gelesen. Aber die Kritik an dem am Donnerstag vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Verbesserung der Versorgung und Pflege (GPVG) hallt nach.
Für Diskussion sorgt weiter, dass zur Abfederung Corona-bedingter Finanzlasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unter anderem acht Milliarden Euro aus den Rücklagen der Kassen in den Gesundheitsfonds fließen.
DGB: Bundeszuschuss erhöhen!
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warf Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, damit die Beitragstöpfe der Mitglieder der Krankenkassen zu plündern. „Die finanzielle Situation vieler gesetzlicher Krankenkassen ist schon jetzt mehr als besorgniserregend“, warnte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Ursache dafür seien nicht nur die Pandemiefolgen, sondern auch die „teuren Gesetze des Bundesministeriums für Gesundheit, von denen nur die wenigsten Versicherten profitiert haben“.
Dass Spahn das Gesetzespaket als „Sozialgarantie“ bezeichne, sei „unredlich“, sagte Piel. Die Erhöhung der Zusatzbeiträge 2021 werde nicht bei den veranschlagten 0,2 bis 0,3 Prozentpunkten enden. Für eine „echte Sozialgarantie“ brauche es einen höheren Bundeszuschuss als die jetzt vorgesehenen fünf Milliarden Euro aus Steuermitteln.
Auch der Sozialverband Deutschlands (SoVD) reagierte zurückhaltend. Der als einmalige Erhöhung geplante Zuschuss zur GKV entspreche „in keiner Weise der eigentlichen Finanzierungsverantwortung des Bundes“, monierte SoVD-Präsident Adolf Bauer. Stattdessen würden mit höheren Zusatzbeiträgen und einem milliardenschweren Griff in die Kassenreserven die Kosten der Pandemie allein den Beitragszahlern aufgebürdet.
Ersatzkassen: Rückgriff auf Rücklagen nachvollziehbar
Die Chefin des Ersatzkassen-Verbandes, Ulrike Elsner, betonte dagegen, der Abbau von Rücklagen sei „nachvollziehbar, denn hiermit werden die finanziellen Fehlentwicklungen des bisherigen Morbi-RSA korrigiert“.
Zusammen mit dem fünf Milliarden Euro schweren Bundeszuschuss aus Steuermitteln und höheren Zusatzbeiträgen sei für 2021 eine Lösung bei den Pandemiekosten gefunden. 2022 werde sich die Finanzierungsfrage jedoch neu stellen, sagte Elsner der „Ärzte Zeitung“ am Freitag.
Der SPD-Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut sagte, mit dem beschlossenen Bundeszuschuss und weiteren Maßnahmen werde die finanzielle Situation der Kassen verbessert und „der Beitrag stabilisiert“. Die Koalition stelle so sicher, dass die Lohnnebenkosten auch 2021 unter der 40-Prozent-Marke blieben.
Neue Stellen eine Luftbuchung?
Zudem enthalte das Gesetz „deutliche Versorgungsverbesserungen“, sagte Heidenblut. Der Bereich der Altenpflege etwa werde mit 20.000 Stellen aufgestockt, die über die Pflegeversicherung finanziert würden. Eine Belastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen sei ausgeschlossen.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Maria Klein-Schmeink, betonte dagegen, es reiche nicht, zusätzliche Stellen in der Pflege nur auf dem Papier stehen zu haben. „Vielmehr muss die Bundesregierung endlich die Ursachen für die jetzt noch nicht besetzten Stellen angehen.“
Pflegeanbieter teilen diese Zweifel. „Es wird schwierig, die 20.000 zusätzlichen Assistenzkräfte zur dauerhaften Entlastung der Fachkräfte in den Pflegeheimen tatsächlich zu besetzen“, sagte der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer.
Hohe Anforderungen an die Qualifikation der neuen Assistenzkräfte könnten dazu führen, „dass wir eine reine Luftbuchung sehen werden“. Einen ähnlichen Effekt habe es schon bei der Besetzung der 13.000 Fachkraftstellen gegeben.