Gesundheitsversorgung
Länder fordern "völlig neue Modelle"
Allgemeinmedizin wird an Unis zu wenig beachtet, kritisieren die Gesundheitsminister der Länder - und fordern einen Kurswechsel. In der ambulanten Versorgung sind Kliniken und Delegation für sie kein Tabu.
Veröffentlicht:HAMBURG. Antworten auf die älter werdende Gesellschaft und deren Versorgungsbedarf gesucht: Die diesjährige Gesundheitsministerkonferenz (GMK) der Länder hat sich am Freitag für eine Neuausrichtung von Rahmenbedingungen und Strukturen im Gesundheitswesen ausgesprochen.
"Wir brauchen völlig neue Modelle der Gesundheitsversorgung für den ländlichen Raum und eine altersgerechte Medizin", sagte die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD).
Vor der Presse umriss sie zentrale Punkte aus den Überlegungen zu Gesundheit und Demografie. Dazu gehört eine Stärkung der Allgemeinmedizin schon in den Hochschulen.
"Im Moment bilden wir 90 Prozent Fachärzte und zehn Prozent Allgemeinmediziner aus. Wenn wir nicht gegensteuern, gehen uns nicht nur in den ländlichen Regionen die Hausärzte aus", warnte Prüfer-Storcks.
Erforderlich ist aus Sicht der GMK eine breit angelegte und praxisorientierte allgemeinmedizinische Lehre. "Die Allgemeinmedizin muss als Kernfach im Studium verankert und erkennbar sein", heißt es im vorgelegten Bericht "Gesundheit und Demografie".
Vorschläge sind etwa eine zu anderen Fächern gleichwertige Präsenz an den Universitäten, das Kennenlernen beruflicher Vorbilder, Förderung von Famulaturen und Praktika in ländlichen Praxen. Außerdem sprach sich Prüfer-Storcks für ein Pflichtquartal Allgemeinmedizin im PJ aus.
In der Versorgung können nach Ansicht der Politiker von Kommunen getragene Gesundheitshäuser, in denen Ärzte temporär Sprechstunden anbieten, helfen. Solche Modelle entstehen derzeit schon, teils mit öffentlicher (Woldegk in Vorpommern), teils mit Förderung der KV (Schleswig-Holstein).
Auch der Vorschlag, mobile Arztpraxen einzusetzen, ist nicht neu. Hierzu laufen derzeit noch Modelle. In Dithmarschen war ein solches Projekt am Widerstand der Ärzte gescheitert. Saarlands Gesundheitsminister Andreas Storm (CDU) betonte jedoch, dass die Versorgungslösungen von Region zu Region unterschiedlich ausfallen können.
Auch ein stärkeres Engagement von Kliniken in der ambulanten Versorgung oder mehr Delegation seien denkbar. Potenzial sehen die Länder im Wieder- und Quereinstieg in die Allgemeinmedizin.
Um ausreichende Kenntnisse in Umgangs- und Fachsprache von ausländischen Heilberuflern sicherzustellen, verständigte sich die GMK auf ein einheitliches Überprüfungsverfahren. Sie müssen künftig ein allgemeines Sprachniveau B2 und ein Fachsprachenniveau C1 nachweisen. Ziel ist eine mühelose Verständigung mit Patienten und Kollegen.
Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) sieht diesen Beschluss sehr positiv. Damit werde der "Prüfungstourismus" beendet. "Es darf nicht sein, dass sich ausländische Ärzte mit schwachen Deutschkenntnissen gezielt Bundesländer mit niedrigen Anforderungen an das Sprachniveau aussuchen können, um dort eine bundesweit gültige Approbation zu erhalten", kommentierte Steffens.
Ein Gesundheitsförderungs- und Präventionsgesetz halten die Länder für "dringend geboten". Bei der Finanzierung sehen sie alle Sozialversicherungsträger gefordert, auch die PKV. Die Ausgaben sollen steigen.
Über die Maßnahmen des Bundes hinaus halten die Länder langfristig ausgerichtete Änderungen zur Lösung der Haftpflichtprobleme von Hebammen für erforderlich. Prüfer-Storcks sprach sich dafür aus, dass den Hebammen die Prämien komplett finanziert werden.