Herbststrategie

Lauterbach will Corona-Bürgertests einschränken

Kostenlose Corona-Schnelltests sollen ab Herbst nur noch bestimmten Personengruppen ermöglicht werden, geht aus der neuen Strategie des Gesundheitsministeriums hervor. Ärztevertreter stimmen dem zu – und stellen Forderungen zum Maske-Tragen.

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Mit dem anstangslosen Testen soll nach Gesundheitsminister Lauterbach bald Schluss sein.

Mit dem anstandslosen und vor allem kostenlosen Testen für alle soll nach Gesundheitsminister Lauterbach bald Schluss sein.

© Frank Hoermann / SVEN SIMON / picture alliance

Berlin. Der Zugang zu den kostenlosen Corona-Bürgertests soll nach dem Willen von Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) schon bald deutlich eingeschränkt werden.

Nur noch Patienten mit Symptomen sollen dafür infrage kommen, dazu andere ausgewählte Gruppen wie Kleinkinder und Schwangere. Dies geht aus der „Corona-Herbststrategie“ des Ministeriums hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zuvor hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) darüber berichtet.

Auf der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), die am Mittwoch und Donnerstag stattfand, wurde noch kein fertiges Konzept vorgelegt. Ein entsprechendes Paket müsse mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) finalisiert werden, sagte Lauterbach auf einer Pressekonferenz im Anschluss an die GMK-Sitzung. Er verwies auch auf eine Vorgabe des Bundestags-Haushaltsausschusses, dass sich die Länder an der bisher nur vom Bund getragenen Finanzierung der Tests beteiligen sollen. Die Vorsitzende der Länder-Ressortchefs, Petra Grimm-Benne (SPD) aus Sachsen-Anhalt, sagte, dass die Länder hierfür keinen Spielraum sähen.

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Kostenlos soll das Testen künftig laut den Plänen des Gesundheitsministeriums unter anderem für folgende Fälle und Gruppen bleiben:

  • Präventive Tests in Pflegeheimen und Krankenhäusern
  • eine sich ausbreitende Infektionslage in „Hotspots“
  • Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine
  • Personen mit erhöhten Kontakten, etwa vor Großveranstaltungen

Viel Betrug beim Testen

In ganz Deutschland wurden an die kommerziellen Betreiber der Teststationen schon 10,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Dabei gab es viel Missbrauch: Ermittler gehen von einer Betrugssumme von mindestens einer Milliarde bis hin zu 1,5 Milliarden Euro aus. Dazu heißt es in dem Strategiepapier: „Durch mehr Kontrollen soll Betrug zurückgedrängt werden.“

Trotz der Beschränkungen soll eine gut erreichbare Test-Infrastruktur, auch in Apotheken, aufrecht erhalten bleiben, schreibt das Ministerium weiter. Beabsichtigt ist aber, die Preise für Schnelltests und für PCR-Tests zu senken.

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Auch Dr. Andreas Gassen, Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, forderte, bald die anlasslosen Bürgertests zu stoppen. „Sie bringen sehr wenig und kosten sehr viel“, kritisierte er. Zudem sprach er sich trotz gestiegener Infektionszahlen gegen eine Ausweitung der Maskenpflicht aus.

„Das Narrativ war immer, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet werden dürfe“, sagte er dem RND. Es gebe zwar aktuell hohe Infektionszahlen, die Erkrankungsverläufe seien aber überwiegend leicht. „Viele Betroffene merken es nicht einmal.“ Deshalb könnten höhere Infektionszahlen allein nicht Grundlage für Maßnahmen sein, „etwa für eine erneute Maskenpflicht“. Ein Mund-Nasen-Schutz muss derzeit im Alltag vor allem noch in öffentlichen Verkehrsmitteln getragen werden.

Der Hamburger Virologe Professor Jonas Schmidt-Chanasit warnte davor, die Wirkung der Masken zu überschätzen. Zwar könnten richtig getragene FFP2-Masken vor einer Infektion schützen, andere Maßnahmen seien aber effizienter und sollten vor einer Maskenpflicht eingeführt werden. Der Virologe nannte im RND-Interview als Beispiel das Arbeiten im Homeoffice.

Kind- und Jugensärzte gegen anlassloses Testen an Schulen

In der Debatte um Änderungen am Infektionsschutzgesetz sprachen sich die Kinder- und Jugendärzte in Deutschland gegen anlassloses Testen an Schulen aus – dies sei unnötig. „Wer Symptome hat, sollte getestet werden. Eine Maskenpflicht im Unterricht sollte es nur in Hotspots geben“, forderte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Dr. Thomas Fischbach.

Er drang am Mittwoch darauf, dass Kitas und Schulen geöffnet bleiben müssen. „Die Zahlen verhaltensauffälliger oder übergewichtiger Kinder haben stark zugenommen, besonders Kinder aus bildungsfernen Haushalten leiden. Sie müssen aufgefangen werden.“

FDP will warten, CDU will Daten

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) wies Forderungen aus den Ländern zurück, schnell eine Rechtsgrundlage für weitergehende Corona-Beschränkungen zu schaffen. Es gebe einen „wohlüberlegten und seriösen Zeitplan“ der Bundesregierung, dem sich auch alle Ministerpräsidenten auf ihrer letzten Konferenz angeschlossen hätten, sagte er dem RND. Am 30. Juni lege der Ausschuss unabhängiger Sachverständiger seinen Bericht vor, der die Pandemie-Maßnahmen auswerte. Dem wolle man nicht vorgreifen.

Die oppositionelle Union forderte für den Herbst auch genauere Daten zur Immunität in Deutschland, um eine mögliche Lücke durch gezielte Impfkampagnen zu schließen. Bis heute sei unklar, wie groß sie nach Impfungen und durchgemachten Infektionen wirklich sei, heißt es in einer Erklärung der Gesundheitspolitiker von CDU und CSU. Daher sollten rasch eine repräsentative Antikörperstudie gemacht und ein datenschutzkonformes, unbürokratisches Impfregister errichtet werden.

Zu der seit März greifenden Corona-Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen solle dem Bundestag bis 30. September eine Auswertung vorgelegt werden. Die Bundesregierung müsse zudem klären, ob diese Impfpflicht noch über den 31. Dezember hinaus gelten soll. (dpa)

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