Wissenschaftler fordern
Mehr Forschung zu Palliativmedizin
Experten legen der Regierung eine Agenda Palliativversorgung nahe und sprechen sich für mehr Forschung auf diesem Gebiet aus.
Veröffentlicht:BERLIN. Wie schwerstkranke und sterbende Menschen in Deutschland versorgt werden, ist noch unerforschtes Gebiet.
Fest steht jedoch, dass der Zugang zur Palliativversorgung nicht für alle "gleich und gerecht" ist, wie Professor Hans-Peter Zenner, der Sprecher der Arbeitsgruppe Palliativmedizin der Leopoldina es ausdrückt. Wissenschaftler fordern nun eine umfassende Forschungsstrategie.
Bekannt sind Annahmen zur demografischen Entwicklung: In diesem Jahr wird die Zahl der Pflegebedürftigen im Land auf 2,65 Millionen steigen. In 15 Jahren wird mit 3,37 Millionen Pflegebedürftigen gerechnet.
Untersuchungen, welche Lasten die Angehörigen dieser Menschen heute tragen und in Zukunft auf sich nehmen müssen, scheint es nicht zu geben, stellen Führungskräfte in der Pflege fest.
Angehörige tragen die Hauptlast
"Zur Situation der Angehörigen gibt es keine Untersuchungen", sagt Martina Kern, Pflegeleiterin am Malteserkrankenhaus in Bonn/Rhein-Sieg. Es bestehe nur die Vermutung, dass die Angehörigen die Hauptlast trügen.
Mit der Alterung der Gesellschaft geht einher, dass die Zahl der Todesfälle im Jahr steigt - von heute rund 850.000 Menschen im Jahr auf mehr als eine Million in 20 Jahren.
Was das über den palliativmedizinischen Versorgungsbedarf wirklich aussagt, ist jedoch unbekannt. Darauf verweisen Wissenschaftler der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften in einer gemeinsamen Stellungnahme.
In vier Empfehlungen umreißen sie eine Agenda, mit der die weißen Flecken auf der Forschungslandschaft gefüllt werden sollen.
Die Bundesregierung soll eine eigenständige nationale Palliativstrategie entwickeln. Die sollte Vorgaben für eine einheitliche und flächendeckende qualitativ hochwertige Versorgung schaffen.
Die Palliativmedizin solle in den nationalen Krebsplan, die nationale Demenzstrategie, die Versorgungsleitlinien und die DMP ein gebunden werden.
Kann Robotik einen Beitrag leisten?
Methoden und interdisziplinäre Palliativversorgungsforschung solle gefördert werden. Interventionsstudien mit palliativmedizinischen Endpunkten (Schmerzfreiheit, Unterdrücken von Übelkeit) sollten die Basis für evidenzgestützte Leitlinien legen.
Studien zum Einsatz von Medizintechnik sollen zeigen, wie Robotik einen Beitrag zum Ausgleich eines demografisch zu erwartenden Versorgungsnotstandes leisten könnte.
Strukturen interdisziplinärer Palliativversorgungsforschung sollten gefördert werden. Befristet sollte es Forschungsstrukturen geben, in denen Wissenschaftler aus Klinik, Grundlagenforschung und Palliativpflege sowie aus der Forschung im spirituellen und psychosozialen Feld zusammen arbeiten.
Die Betroffenen selbst und deren Angehörige sollten in den Aufbau der Forschungsagenda einbezogen sein.
In Deutschland werden derzeit überwiegend Krebspatienten palliativmedizinisch betreut. Sie hätten leichter Zugang zur Versorgung als von anderen Krankheiten betroffene Menschen. Aber auch die würden zumindest eine allgemeine palliative Versorgung benötigen.