White Paper publiziert

Mehr Hoffnung für MS-Patienten

Patienten mit Multipler Sklerose könnten viel besser versorgt werden. Wie das aussehen kann, haben Experten in einem White Paper festgehalten.

Von Christiane Badenberg Veröffentlicht:
Eine bessere Versorgung würde vielen Patienten mit Multipler Sklerose mehrTeilhabe ermöglichen.

Eine bessere Versorgung würde vielen Patienten mit Multipler Sklerose mehr Teilhabe ermöglichen.

© Gina Sanders / stock.adobe.com

Berlin. In Deutschland leben etwa 224.000 Menschen mit Multipler Sklerose (MS) und ihre Zahl steigt. Das liegt unter anderem an besseren Diagnosemöglichkeiten und an der gestiegenen Lebenserwartung.

MS gilt als eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen in Deutschland. Die Versorgung von Patienten mit Multipler Sklerose sowie ihre Lebensumstände können in vielfacher Hinsicht noch verbessert werden. Wie konkrete Maßnahmen dazu aussehen können, haben die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, der Spitzenverband ZNS, die Berufsverbände der Neurologen und der Nervenärzte in einem gemeinsamen White Paper zusammengefasst.

Die wesentlichen Forderungen des White Paper zu MS

1. Eine frühzeitige Diagnosestellung:

Obwohl die Diagnosekriterien klar und definiert seien, betrage die durchschnittliche Diagnosedauer immer noch 2,7 Jahre. Dabei könne gerade bei einer schubförmig verlaufenden MS eindeutig gezeigt werden, dass Patienten von einer möglichst früh beginnenden Immuntherapie profitieren. Eine einmal erworbene körperliche Behinderung sei dagegen in den allermeisten Fällen nicht umkehrbar.

Da die schubförmige Symptomatik mit zeitlich begrenzten Beschwerden und sich daran anschließenden beschwerdefreien Zeiten einherginge, suchten Patienten zu selten sofort ärztlichen Rat oder würden nicht zum Facharzt überwiesen. Darüber hinaus würden die primärversorgenden Haus- und Fachärzte die MS-Symptome häufig nicht erkennen oder sie als zu geringfügig einschätzen. Das liege häufig an den unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Sehbeschwerden, Probleme mit der Muskelfunktion oder dem Bewegungsablauf.

Die Primärversorger müssten die neurologischen und neuropsychiatrischen Symptome schneller als relevant erkennen und richtig einordnen, um eine weiterführende Diagnostik wie eine Kernspintomografie des Kopfes und des Rückenmarks zu veranlassen. Damit die Diagnose beschleunigt werden kann, sollen Leitfäden für primärversorgende Fach- und Hausärzte entwickelt werden, die auch digital verfügbar sein sollen.

2. Neurologen mit MS-Schwerpunkt bei der Budgetierung gesondert betrachten:

Die Versorgung von MS-Patienten verursache im Vergleich zu anderen häufigen neurologischen Erkrankungen, wie etwa Schlaganfall, einen dauerhaft hohen Ressourceneinsatz, heißt es in dem White Paper. Bislang würden aber Neurologen mit neuroimmunologischem Schwerpunkt und neuroimmunologische Zentren mit allgemeinen Neurologen beziehungsweise allgemeinen neurologischen Zentren gleichbehandelt. Die Kompetenz in MS-Schwerpunktpraxen und MS-Zentren werde nicht ausreichend anerkannt. In der Wirtschaftlichkeitsprüfung von MS-Schwerpunktpraxen führe das regelmäßig zu Auffälligkeitsprüfungen und zum Teil zu Regressforderungen. Quoten sollten deshalb abgebaut und fachärztliche Leistungen entbudgetiert werden.

3. Symptomatische Therapien ausbauen und vergüten:

Wesentlicher Bestandteil der MS-Therapie sind neben der Immuntherapie die symptomatischen Therapien wie neuropsychologische Behandlungen, Physiotherapien oder Neurorehabilitation. Sie ermöglichten mit ihrem rehabilitativen Ansatz mehr Teilhabe und selbstbestimmtes Leben.

Vor allem mangele es an neuropsychologisch orientierten Therapien. Das sei relevant, weil MS-Patienten häufig an Fatigue, Depressionen oder kognitiven Störungen litten und diese als häufigste Ursache für die Berufsunfähigkeit und den Verlust sozialer Teilhabe angesehen werde.

Durch Verordnungsquoten oder Leistungsbudgetierungen würden Angebote und Verschreibungen begrenzt, kritisieren die Verfasser des White Papers. Zudem seien die nicht auf MS spezialisierten Neurologen in Kliniken und Praxen oder andere Fachärzte über neue Erkenntnisse in der Versorgung nicht umfassend informiert und so würden Patienten bestimmte Arzneimittel und Therapien vorenthalten.

4. Telemedizin ausbauen und nutzen:

Für eine flächendeckende sowie orts- und zeitunabhängige Versorgung sollen telemedizinische Versorgungsmodelle ausgewertet und zügig in die Versorgung gebracht werden. Innovative Modelle sollen durch die Beteiligten selbst entwickelt und Kriterien für digitale Anwendungen durch die Fachgesellschaften definiert werden.

Den Forderungen des White Papers müssten nun konkrete Maßnahmen und Positivbeispiele folgen, um mit den relevanten Akteuren aus Politik, Selbstverwaltung und Versorgung das Leben der MS-Patienten zu verbessern, fordert die Patientenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Martina Stamm-Fibich. „Es ist wichtig, dass Ärzte und Patienten sich zusammenschließen und an einem Strang ziehen“, sagt sie.

Multiple Sklerose – Fakten in Kürze

  • 2,7 Jahre dauert es durchschnittlich, bis die Diagnose MS gestellt wird.
  • 224.000 Menschen leben in Deutschland mit einer diagnostizierten MS.
  • 50 Prozent der MS-Erkrankten im erwerbsfähigen Alter erhalten vorzeitig Rente.
  • Nur ein Drittel der erwerbstätigen MS-Patienten arbeitet in Vollzeit.
  • 80 Prozent der in Teilzeit tätigen MS-Patienten geben an, dass die Erkrankung der Grund für die reduzierte Arbeitszeit ist.
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