Krankenkassen

"Mondpreise" für Arzneien schrumpfen auf Normalmaß

Der "Sovaldi-Effekt" fällt wohl geringer aus als angenommen, haben Gesundheitsökonomen berechnet.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Die Budgeteffekte einer Aufhebung der freien Preisbildung bei Arzneiinnovationen sind überschaubar. Eine Hochrechnung aus Abrechnungsdaten der DAK Gesundheit kommt auf ein GKV-weites Einsparpotenzial von 365 bis 380 Millionen Euro im Jahr, was einem Drittel Prozentpunkt beim Beitrag entsprechen würde.

"Das hebt das System nicht in ökonomisch andere Dimensionen", kommentierte DAK-Chef Professor Herbert Rebscher die Zahlen bei der Vorstellung des AMNOG-Reports in Berlin. Eine rückwirkende Geltung des verhandelten Erstattungsbetrags hätte eher einen pädagogischen als einen ökonomischen Effekt, so Rebscher.

Der Gesundheitsweise Professor Wolfgang Greiner verwies auf die industrie- und ordnungspolitische Entscheidung des Gesetzgebers, bei Einführung des AMNOG zwölf Monate freie Preisbildung zuzulassen. Es sei zu vermuten, dass damit auch Innovations- und Investitionsanreize gesetzt werden sollten, schreibt Greiner in einem Beitrag für den AMNOG-Report.

 Die Schätzwerte enthalten auch teure Innovationen wie Dimethylfumarat und den Hepatitis C-Blockbuster Sofosbuvir, das mit Kosten von rund 120.000 im Jahr 2014 die Diskussion um "Mondpreise" im ersten Jahr nach Markteintritt losgetreten hatte.

Die Industrie verteidigt die Regelung. Die freie Preisbildung diene in erster Linie dem schnellen Zugang von Patienten zu innovativen Arzneimitteln, hieß es dazu beim Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH).

Mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz wurde die Phase der freien Preisbildung auf die ersten zwölf Monate nach Markteintritt begrenzt. Im Vorgriff auf die aller Voraussicht nach im Sommer anstehende AMNOG-Novelle wird bei den Kassen laut über eine weitere Verkürzung dieser Frist nachgedacht.

Der GKV-Spitzenverband zum Beispiel fordert, den ausgehandelten Erstattungspreis rückwirkend bis zum Tag des Markteintritts gelten zu lassen. Die Techniker Krankenkasse hat im Januar fünf Monate Rückwirkung ins Gespräch gebracht. Die freie Preisbildung würde dann für die Dauer des sechsmonatigen Nutzenbewertungsverfahrens und die einmonatige Opt-out-Frist gelten.

Für den Gesundheitsökonomen Greiner sind rückwirkende Anpassungen der Erstattungsbeträge gleichbedeutend mit einem Preisdiktat durch die Krankenkassen, auch wenn die Kostendämpfungspotenziale einer rückwirkenden Preisgeltung attraktiv erschienen.

Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Dr. Edgar Franke (SPD), hat in Berlin "einige handwerkliche Nachjustierungen" beim AMNOG angekündigt. Es sei höchste Zeit für eine kritische Analyse der frühen Nutzenbewertung, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie, Dr. Norbert Gerbsch, in Reaktion auf die Veröffentlichung des AMNOG-Reports.

Es sei zu pauschal geurteilt, den Wirkstoffen, denen der GBA keinen Zusatznutzen zuerkennt, den Zusatznutzen komplett abzusprechen.Eine Bewertung, die zum Beispiel mögliche Umstellungen von Spritzen auf Tabletten nicht berücksichtige, gehe am Alltag der Menschen vorbei. Darin liege ein wichtiger Reformansatz für das AMNOG, sagte Gerbsch.

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