Mischpreise

Nach Richterkritik sind Ärzte wieder allein zu Haus

Das aufsehenerregende Urteil zur Bildung von Mischpreisen liegt schriftlich vor – und lässt Vertragsärzte doch ratlos zurück. Gegen das Regressrisiko ist kein Antidot in Sicht.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Sind die Würfel gefallen? Das Mischpreis-Urteil verunsichert Ärzte, eine Nachbesserung durch den Gesetzgeber ist vorerst nicht in Sicht.

Sind die Würfel gefallen? Das Mischpreis-Urteil verunsichert Ärzte, eine Nachbesserung durch den Gesetzgeber ist vorerst nicht in Sicht.

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BERLIN. Vertragsärzte, die neue Medikamente in Subgruppen verordnen, für die der Gemeinsame Bundesausschuss keinen Zusatznutzen erkannt hat, gehen unsicheren Zeiten entgegen. Das geht aus der schriftlichen Begründung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg zum "Mischpreis-Urteil" (Az.: L 9 KR 213/16 KL) hervor. Das Gericht gibt darin der Klage des GKV-Spitzenverbands gegen die Schiedsstelle unter dem Vorsitzenden Professor Jürgen Wasem statt.

Streitgegenstand ist die Höhe des Erstattungsbetrags für das GLP-1-Analogon Albiglutid (Eperzan®). Das vom Hersteller GSK in Deutschland nie aktiv beworbene Präparat soll weltweit inzwischen vom Markt genommen werden. Für den Spitzenverband eignete sich der Vorgang, um einen Präzedenzfall auszufechten. Anders als noch in der Eilentscheidung im März dieses Jahres nehmen die Richter in der Urteilsbegründung ihre Fundamentalkritik an der Bildung eines Mischpreises zurück, monieren aber mit deutlichen Worten das Vorgehen der Schiedsstelle.

Die sechs Kritikpunkte der Richter

» Die Schiedsstelle habe die "Grenzen des Entscheidungsspielraums missachtet": So habe sie den Zusatznutzen in einer von fünf Subgruppen mit 1200 bestimmt, "ohne diesen für die Bestimmung des Erstattungsbetrags zentralen Wert auch nur ansatzweise zu begründen". Die Monetarisierung sei erfolgt, "ohne eine Beziehung zu den Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie (zVT) herzustellen". Stattdessen habe sich Wasem, so das Gericht, "an der ‚Zahlungsbereitschaft‘ der Krankenkassen orientiert.

» Je weiter die Schiedsstelle bei der Bildung des Zuschlags über die Kosten der zVT hinausgeht, "desto intensiver wird ihre Begründungslast". Dabei verlange der Senat keinen "regelbildenden Entscheidungsalgorithmus", wohl aber eine "nachvollziehbare und alle rechnerischen Elemente objektvierbare Begründung".

» In den Subgruppen ohne nachgewiesenen Zusatznutzen würden im vorliegenden Fall die Kosten der zVT um mehr als das 80-fache überschritten. Umgekehrt falle der Preis in den Patientengruppen mit Zusatznutzen zu niedrig aus und schaffe damit "eine rechtswidrige Ausgangslage für künftige Nutzenbewertungen und Preisfestlegungen".

» Diese "defizitäre Rechtslage" müsse vom Gesetzgeber ergänzt werden. Korrekturbedürftig sei auch die Rahmenvereinbarung zwischen GKV-Spitzenverband und Herstellerverbänden nach Paragraf 130b Absatz 9 SGB V – hier müssten die Regularien über das ",Ob‘ und ‚Wie‘ der Bildung eines Mischpreises erweitert werden", fordert das LSG.

» Die Richter betonen, dass die bisherige Praxis der Festlegung von Mischpreisen zu "nicht unerheblichen Regressrisiken" in der Verordnungspraxis führen könne. Vertragsärzte müssten davor geschützt werden, dass "eine nicht offenkundig regelwidrige Behandlungsweise im Nachhinein auf der Grundlage ganz allgemeiner Erwägungen zu wirtschaftlichen Alternativen als fehlerhaft bewertet wird".

In der konkreten Verordnung bleibt der Vertragsarzt aber allein mit seinem Regressrisiko: Auch ohne eine konkretisierende Arzneimittel-Richtlinie des GBA "kann ein Vertragsarzt verpflichtet sein, insbesondere bei vorhandenen rechtskonformen Handlungsalternativen, die mit unterschiedlich hohen Kosten einhergehen (...), sich für die wirtschaftlichere Variante zu entscheiden".

» Zur Linderung dieses Problems spielen die Richter den Ball an den GBA zurück: Es würde die Bildung eines nutzengerechten Erstattungsbetrags erleichtern, wenn der Ausschuss öfter von seiner Befugnis Gebrauch machen würde, die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels in Indikationen einzuschränken, für die kein Zusatznutzen erkennbar war. Doch allein werde der GBA das Problem "nicht vollständig auflösen können", prognostiziert das LSG.

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