EU
Neue Regeln für Arznei-Tests
Das EU-Parlament hat eine neue Verordnung zu klinischen Studien beschlossen. Die neuen Regeln sehen unter anderem vor, dass die Wissenschaftler nun alle Ergebnisse ihrer Studien veröffentlichen müssen. Zudem wollen die Parlamentarier die Zulassung von Medizinprodukten verschärfen.
Veröffentlicht:BRÜSSEL. Mit der neuen EU-Verordnung über klinische Studien werden einheitliche Regeln für Arzneimitteltests in den 28 Mitgliedstaaten geschaffen. Am Mittwochabend stimmte das EU-Parlament mit großer Mehrheit (594 Ja-, 17 Nein-Stimmen, 13 Enthaltungen) für die überarbeitete Richtlinie.
"Künftig müssen ein Jahr nach Abschluss einer klinischen Studie die Ergebnisse auf einem Internet-Portal veröffentlicht werden", sagte die zuständige Berichterstatterin, die britische EU-Abgeordnete Glenis Willmott.
Bisher sei nur ungefähr die Hälfte der klinischen Prüfungen veröffentlicht worden. Dabei muss auch eine laiengerecht geschriebene Zusammenfassung publiziert werden.
Mit der Verordnung sollen auch multinationale Studien erleichtert werden. Künftig sollen die Träger einer klinischen Studie die nötigen Unterlagen bei der EU-Arzneimittelbehörde EMA einreichen - dies ersetzt dann die bisher nötigen vielen nationalen Anträge.
Die nationale Arzneimittelbehörde eines Mitgliedslands koordiniert dann das Genehmigungsverfahren mit anderen nationalen Behörden und Ethik-Kommissionen.
"Fortschritt für Patienten in Europa"
Der deutsche EU-Abgeordnete Dr. Peter Liese (CDU) bezeichnete die Verordnung als "Fortschritt für die Patienten in Europa: "Künftig dürfen negative Ergebnisse nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden." Er zeigte sich erfreut, dass - anders als noch beim Entwurf der EU-Kommission - die Zustimmung einer Ethik-Kommission zu Studien verpflichtend vorgesehen ist.
Der maltesische EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg hob hervor, dass auch in Staaten außerhalb der EU, die in multinationalen Studien eingebunden werden, die EU-Standards gelten.
Für den Verband forschender Arzneimittelunternehmen (vfa) begrüßte deren Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer, dass Bürokratie abgebaut und gleichzeitig die medizinischen und ethischen Standards gewahrt würden.
Der CDU-Parlamentarier Liese betonte, dass besonders die Initiatoren nicht-kommerzieller Studien wie beispielsweise die Deutsche Krebshilfe von der Bürokratieentlastung profitieren würden. Die überholte, aus dem Jahr 2001 stammenden "Clinical Trials Directive", ist sehr unterschiedlich in den Mitgliedsstaaten umgesetzt worden. Die nun verabschiedete Verordnung wird eine einheitliche Übertragung in nationales Recht sicherstellen.
Keine gemeinsame Position bei Medizinprodukten
Weit entfernt von der Verabschiedung ist dagegen die Verordnung für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika, der das EU-Parlament in erster Lesung am Mittwoch mit großer Mehrheit zustimmte (541 Ja-, 19-Nein-Stimmen, 63 Enthaltungen).
Das im Mai neu zu wählende EU-Parlament muss sich dann neu mit der Materie befassen, denn die nationalen Regierungen haben sich bisher auf keine gemeinsame Position einigen können.
Zuletzt hatte der PiP-Skandal um minderwertige Brustimplantate die Lücken im Überwachungssystem deutlich gemacht. Nach der Zertifizierung durch den TÜV Rheinland hatte die Firma medizinisches Silikon durch minderwertiges Industrie-Silikon ersetzt.
Der Vorschlag des EU-Parlaments sieht verschärfte Überwachungsverfahren und bessere Rückverfolgbarkeit für Produkte vor. Auch sollen die Prüfstellen, die sogenannten Benannten Stellen, nachweisbar qualifizierte Experten vorhalten, um die Funktion und Leistung von Medizinprodukten bewerten zu können.
Die SPD-Abgeordnete und Berichterstatterin Dagmar Roth-Behrendt zeigte sich enttäuscht, dass es nicht gelungen sei, für sogenannte Hochrisiko-Medizinprodukte eine staatliche Vorabzulassung zu erreichen.
Sie bezeichnete die Aussage von Herstellern als "absurd", ein verbessertes Zulassungssystem würde die Marktzulassung solcher Medizinprodukte stark verzögern.
Roth-Behrendt: "Plumpem Lobbyismus" nachgegeben
Dem widersprach der CDU-Politiker Liese und zeigte sich "froh", dass ursprüngliche Pläne einer zentralen europäischen Zulassung "vom Tisch sind": "Eine Vorabzulassung ist nicht per definitionem sicherer als die Zertifizierung durch Benannte Stellen".
Er zeigte sich überzeugt, dass die geplante Verordnung "substanziell" die Patientensicherheit verbessern werde, ohne "unnötige Bürokratie für die betroffenen Unternehmen zu schaffen".
Roth-Behrendt warf den nationalen Regierungen vor, sie hätten "plumpem Lobbyismus" nachgegeben und würden das "Gesetzesverfahren absichtlich hinauszögern".
Es sei nun Aufgabe des neuen Parlaments, in zweiter Lesung zu versuchen, die Streitpunkte aufzulösen - etwa das Zulassungsverfahren oder die sichere Wiederaufbereitung von Mehrweg-Medizinprodukten. (fst)