EU
Machtkampf um Medizinprodukte
Nach dem Skandal um minderwertige Brustimplantate sind Überwachungslücken bei Medizinprodukten offenbar geworden. Auf EU-Ebene entbrannte ein Machtkampf, ob die bisherige dezentrale, staatsferne Zulassung modifiziert oder aber völlig reformiert werden soll. Nun ist der zuständige EU-Ausschuss am Zug.
Veröffentlicht:BERLIN/BRÜSSEL. Die geplante europäische Medizinprodukte-Verordnung bringt Branchenverbände und auch den CDU-Wirtschaftsrat auf die Barrikaden.
Die für Mittwochnachmittag geplante Abstimmung über einen Kompromissvorschlag im Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments hat im Vorfeld für Wirbel gesorgt. Das Votum ist bereits einmal vom 18. auf den 25. September vertagt worden.
Die zuständige Berichterstatterin, die SPD-Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt, hatte zunächst weitgehende Vorschläge für eine Vorabzulassung von Medizinprodukten durch eine staatliche Behörde gemacht.
Produkte der höchsten Risikoklasse III wie beispielsweise Implantate sollten grundsätzlich durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA in London zugelassen werden.
In den Verhandlungen zwischen den Fraktionen des Europäischen Parlaments wurde diese Idee einer Vorabzulassung dann aber fallen gelassen.
Einzelfallprüfungen sind möglich
Stattdessen ist nun vorgesehen, dass Hochrisiko-Produkte durch besonders spezialisierte benannte Stellen geprüft werden. Diese wiederum sollen von der EMA benannt werden.
Hinzu kommen soll die "Einzelfallprüfung in besonderen Risikofällen" - dies sei aber nur vorgesehen, wenn "Anhaltspunkte für Fehlentwicklungen" vorliegen, schreibt der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese.
Dies stellt der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) anders dar. Durch das Kompromisspapier des Europaparlaments müssten viele Medizinprodukte der Klassen III und bestimmte Produkte der Klasse IIb (Beispiele: Dentalimplantate oder Defibrillatoren) "von Fall zu Fall einen weiteren Zulassungsprozess durch neu zu schaffende Gremien durchlaufen".
Die Zulassungsentscheidung läge dann bei einem "Assessment Committee for Medical Devices (ACMD)".
Der BVMed sieht darin ein "unkalkulierbares Mehr an Staat, Bürokratie, Regulierung und Kosten". Das Regelwerk werde "vor allem der mittelständischen Industrie erheblich schaden, ohne die Patientensicherheit zu erhöhen", heißt es.
Auch der CDU-Wirtschaftsrat warnt davor, eine "inflationäre Höherstufung bewährter Medizinprodukte in höhere Risikoklassen muss unbedingt verhindert werden". Deutsche Medizinprodukte, glaubt der Wirtschaftsrat, zeichneten sich schon bisher durch "allerhöchste Sicherheitsstandards aus".
Der BVMed schlägt stattdessen vor, die Auditierung und Überwachung der Prüfstellen - in Deutschland beispielsweise TÜV und Dekra - solle verbessert werden.
Strengere Kriterien für Benannte Stellen
Zustimmung des BVMed hatten dagegen am Dienstag Beschlüsse der Europäischen Kommission gefunden.
Die Kommission verschärft die Kriterien für "Benannte Stellen", durch die Medizinprodukte zugelassen werden. Künftig sind auch unangekündigte Kontrollen, Probenahmen und Produktionsüberprüfungen in herstellenden und verarbeitenden Betrieben in der EU möglich.
Der BVMed sprach sich dafür aus, diese "sinnvollen Maßnahmen erst einmal wirken zu lassen und zu überprüfen, wie sie funktionieren".