Hausärzte und KBV im Dauerclinch

"Niemand will den Hausärzten etwas wegnehmen"

Der heftige Protest des Hausärzteverbands gegen die neuen Palliativziffern ist nur Symptom eines schwärenden Streits in der Selbstverwaltung. Wer bei den Konfliktparteien nachfragt, bekommt verschiedene Weltsichten präsentiert.

Florian StaeckVon Florian Staeck und Hauke GerlofHauke Gerlof Veröffentlicht:
KBV und Ärzte im Streit: Was läuft schief in der Selbstverwaltung?

KBV und Ärzte im Streit: Was läuft schief in der Selbstverwaltung?

© mankale / Fotolia

Systematische Schwächung der Hausärzte oder aber nur "ein ganz normaler Vorgang"? Der jüngste Streit um neue Palliativziffern, die zum 1. Oktober in den EBM aufgenommen werden, zeigt, dass die Weltsicht der verschiedenen Fachgruppen unter dem Dach der KBV offenbar immer weiter auseinanderdriftet.

Hausärzte-Verbandschef Ulrich Weigeldt versuchte in einem Mitgliederrundschreiben Ende August erst gar nicht, seinen Verdruss zu verbergen. Am Ende einer Suada mit Vokabeln wie "absurd", "untragbar" und "realitätsfern" stand sein Fazit fest: "Wir können uns auch künftig nicht auf die ärztliche Selbstverwaltung verlassen!"

Was läuft da schief? Aus Sicht von Vincent Jörres, Sprecher des Hausärzteverbands, "scheint offensichtlich etwas aus dem Lot geraten zu sein". Es mangele maßgeblichen Akteuren in der KBV an der Rückkopplung mit der Realität in den Praxen.

Schon vor Jahren sei die KBV verpflichtet worden, beratende Fachausschüsse einzuführen – unter anderem für die hausärztliche Versorgung. Ziel sei es gewesen, "mehr externe Expertise in die ‚Black Box‘ der KBV einzuspielen", erinnert Jörres. Inzwischen müsse man feststellen, dass "auch dieses Instrument in den Mühlen der KBV-Verwaltung zermalmt worden ist".

"Mehr Geld – mehr Qualität"

Anruf bei Dr. Hans-Friedrich Spies, Präsident des Berufsverbands Deutscher Internisten. Spies zeigt sich verwundert, es handele sich doch um einen "ganz normalen Vorgang". Schließlich habe der Gesetzgeber eine Stärkung der Palliativversorgung gefordert.

Daraufhin hätten sich Krankenkassen und KBV zusammengesetzt und über zusätzliche Leistungen beraten. Dabei sei es "völlig normal, dass die Kassen, wenn sie mehr Geld locker machen, zumindest eine höhere Qualität der Leistungen als bisher fordern, zum Beispiel durch nachgewiesene Fortbildungen", sagt Spies.

Das wiederum ist für Jörres nicht das zentrale Problem. Sowohl der Hausärzteverband als auch das Institut für hausärztliche Fortbildung (IhF) hätten im Vorfeld der Entscheidung des Bewertungsausschusses Vorschläge erarbeitet, wie die Kompetenznachweise für die neuen Leistungen berufsbegleitend und praxisgerecht ausgestaltet werden können.

"Dabei wären in einem modularen Anrechnungssystem die bereits bei den Hausärzten vorhandenen Qualifikationen berücksichtigt worden", so der Sprecher.

"Hürden gelten für alle Ärzte"

Die KBV habe sich damit anfangs einverstanden gezeigt, doch dann seien die Vorschläge unter den Tisch gefallen. Es gehe bei diesem Streit "weniger um Geld, als um die hausärztlichen Kompetenzen", sagt Jörres.

Auch diesen Einwand lässt Spies nicht gelten. Gewiss könne man darüber streiten, ob die Hürden für die Leistungserbringung zu hoch gesetzt seien und ob die Qualifikation bereits mit der Weiterbildung gegeben sei. "Aber letztlich betreffen diese Hürden alle Ärzte, nicht nur die Hausärzte", betont der BDI-Präsident. Dass es nicht gegen die Hausärzte geht, sehe man doch schon daran, dass die bisher für Hausärzte gültigen Leistungen auch weiter erbracht werden könnten – ohne Zusatzqualifikation.

Widerspruch vom Hausärzteverbands-Sprecher: "Es geht hier nicht darum, dass Hausärzte für die neue Leistung nicht qualifiziert sind, sondern darum, die Hausärzte von den neuen Leistungen fernzuhalten, zu Lasten der Patienten."

Was läuft schief zwischen beiden Gruppen?

Spies dagegen sieht den Streit um die neuen Palliativziffern nicht als Teil des Konflikts zwischen Haus- und Fachärzten um die fachärztliche Grundversorgung. Die Fachärzte wollen doch gar keine Änderung des Status quo, niemand will den Hausärzten etwas wegnehmen", versichert Spies.

Jörres hingegen sieht eine grundsätzliche Schieflage in der Debatte, da immer wieder in Zweifel gezogen werde, dass Hausärzte nach einer mindestens fünfjährigen Weiterbildung "umfassend für die hausärztliche Versorgung qualifiziert sind".

Als Konsequenz gerade der jüngsten Erfahrungen will der Verband noch stärker auf eigene Strukturen, insbesondere auf Hausarztverträge, bauen. Vor diesem Hintergrund ist der Veranstaltungstitel Programm, wenn sich ab Donnerstag die Delegierten des Deutschen Hausärztetags in Berlin treffen: "Hausarzt – immer erste Wahl".

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