Leitartikel zur Transplantation

Ohne Deutschkenntnisse kein neues Organ

In Hannover wurde eine Frau von der Warteliste für eine Lungentransplantation gestrichen, weil ihre Sprachkenntnisse zu schlecht waren. Die Ärzte sahen sich prompt dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt. Zu Recht?

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:

Nur wer ausreichend Deutsch oder Englisch spricht, wird bei der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) auf die Warteliste zur Lungentransplantation aufgenommen. Professor Tobias Welte, Pneumologe an der MHH, bestätigt auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung" das Verfahren und erklärt: "Wir sind rechtlich dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass die Patienten nach der Operation die ärztlichen Anweisungen verstehen und ihrer Mitwirkungspflicht überhaupt nachkommen können."

Ein Umstand, der im Dezember die Föderation der Arbeitsimmigranten in Deutschland (AGIF) empörte. Ausgelöst hat die Diskussion eine 49-jährige türkisch-stämmige Frau. Die MHH hatte die Patientin von der Warteliste für eine Lungentransplantation genommen, weil sich die Frau geweigert hatte, ausreichend Deutsch zu lernen, erklärt Welte. Die MHH hatte der Frau zu einem Sprachkurs geraten, "aber in diesem Fall hat die Patientin keinen Kurs machen wollen."

Die AGIF sprach daraufhin in einer Pressemitteilung von einem "diskriminierenden und rassistischen Umgang" mit der Patientin, die nun sterben müsse, weil sie zu wenig Deutsch spricht. Welte weist diesen Vorwurf zurück ...

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Kommentare
Dr. Andreas Keibel 18.01.201309:04 Uhr

Überschrift

Überschriften sollen ja ein Magnet sein und stellen daher den Sachverhalt polarisiert oder gar provozierend dar, genau wie hier.

In dem Artikel wird erwähnt, dass es offenbar ein massives Verständigungsproblem gab, zu dessen Lösung die Patientin nicht bereit war.

Wenn ich jemandem eine hochkomplexe Dienstleistung zu teil werden lassen möchte, derjenige aber gar nicht in der Lage ist, diese Komplexität zu verstehen und mit mir die Rahmenbedingungen zu besprechen, so dass die Nachhaltigkeit der Leistung gegeben ist, dann stellt das ein Risiko für die Aktion dar. Es macht Sinn, den Aufwand für ein weniger riskantes Szenario zu betreiben, bei dem die Nachhaltigkeit der Aktion eher gegeben ist.

Die Überschrift hätte vielleicht auch lauten können:
"Patientin wird wegen mangelnder Bereitschaft zur Lösung von Kommunikationsproblemen von Warteliste genommen."




Dr. Karlheinz Bayer 17.01.201318:01 Uhr

überbrückbare Schwierigkeiten.


Ich danke für die redaktionelle Anmerkung, denn sie ist richtig:
Sprachprobleme werden von der Bundesärztekammer als überbrückbare Schwierigkeiten angesehen und nicht als Ausschlußkriterium.

? 17.01.201317:08 Uhr

Anmerkung der Redaktion

In den Allgemeinen Grundsätzen der "Richtlinien für die Wartelistenführung und Organvermittlung" der BÄK heißt es unter Ziffer 4:

"Auch die unzureichende oder sogar fehlende Mitarbeit des Patienten (Compliance) kann zu einer Kontraindikation werden. Compliance eines potentiellen Organempfängers bedeutet über seine Zustimmung zur Transplantation hinaus seine Bereitschaft und Fähigkeit, an den erforderlichen Vor- und Nachuntersuchungen und - Behandlungen mitzuwirken. Compliance ist kein unveränderliches Persönlichkeitsmerkmal, sondern kann aus verschiedenen Gründen im Laufe der Zeit schwanken. Deren Fehlen kann auch auf sprachlichen und somit überbrückbaren Schwierigkeiten beruhen. Anhaltend fehlende Compliance schließt die Transplantation aus. Bevor die Aufnahme in die Warteliste aus diesem Grund ärztlich endgültig abgelehnt wird, ist der Rat einer weiteren, psychologisch erfahrenen Person einzuholen. Die behandelnden Ärzte müssen sowohl bei der Aufnahme in die Warteliste als auch nach der Transplantation auf die Compliance achten und hinwirken."

http://www.baek.de/downloads/Richtlinien_zur_Lungentransplantation.pdf

Dr. Karlheinz Bayer 17.01.201316:50 Uhr

rassistisch und schief gewickelt

Wenn Herr Welte sich dahinter verschanzt, er sei "rechtlich dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass die Patienten nach der Operation die ärztlichen Anweisungen verstehen und ihrer Mitwirkungspflicht überhaupt nachkommen können", dann irrt er.

Der Wartelistegrundsatz bei Eurotransplant liest sich so: "Jeder Patient auf der Warteliste zur Transplantation erhält Punkte, die sich nach der Wartezeit, einem Regionalfaktor, der Dringlichkeit und der Übereinstimmung der Gewebemerkmale bemessen. Besonders berücksichtigt werden Kinder als Organempfänger oder Patienten mit besonders seltenen Gewebemerkmalen. Der Patient mit der höchsten Punktzahl erhält als erster das Organangebot."

Von Sprachkenntnissen ist keine Rede, von Ethnien erst recht nicht.

In der gemeinsamen Erklärung von Prüfungskommission und Überwachungskommission, Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhaus-Gesellschaft und GKV-Spitzenverband ( Titel: Mehr Transparenz und effizientere Kontrolle in der Transplantationsmedizin ) steht, daß bei nachgewiesenen schwerem ärztlichen Fehlverhalten das Ruhen oder der Entzug der Approbation von den jeweils zuständigen Institutionen anzuordnen ist.

Diskriminierung ist ohne Wenn und Aber ein schweres Vergehen. Diskriminiwerung hinter pseudorechtlichen Verpflichtungen zu verstecken versuchen, ist abgründig und verstärkt erneut den Widerwillen zur Organspende.

Dr.Karlheinz Bayer, Bad Peterstal

Dr. Karl-Otto Steinmetz 17.01.201315:58 Uhr

Lungentransplantaion wegen fehlender Sprachkenntnisse verweigert

Wer einerseits die Problematik der komplexen und oftmals komplikationsreichen Nachversorgung nach durchgeführter Lungentransplantation kennt und andererseits mit Herrn Professor Welte seit mehr als 20 Jahren verbunden ist, einige Projekte in sehr enger Kooperation mit Herrn Prof. Welte durchgeführt hat (zuletzt eine Untersuchung zur Ressourcenallokation bei Lungentransplantation), der kann den Vorwurf der Diskriminieru7ng nur als lächerlich empfinden. Eine LTx ist eben doch mehr als z.B. eine Gallenblasenentfernung!
Dr. med. Dipl. Phys. KO Steinmetz
Internist/Pneumologe/Schlafmediziner
Studienleiter an der APOLLON Hochschule Bremen

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